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Schweinemast in Deutschland auf Kosten der Tropenwälder

Die regionale Herkunft von Produkten wird immer wichtiger. Tatsächlich stammen aber immer mehr Rohstoffe aus dem Ausland, was gerade in Bezug auf Tierfutter häufig kritisiert wird. Das Statistische Bundesamt hat jetzt untersucht, wie viel Fläche die in Deutschland konsumierten Lebensmittel beanspruchen.

Von Sven Kästner | 19.09.2013
    "Erzeugt in Deutschland" steht auf der Fleischpackung im Supermarkt. Für manche Verbraucher ist allein das ein Grund zuzugreifen. Doch auch hierzulande gemästete Tiere verbrauchen Ressourcen aus anderen Ländern. In einer gerade veröffentlichten Studie hat das Statistische Bundesamt festgestellt: Immer mehr Tierfutter kommt aus dem Ausland. Referatsleiter Helmut Mayer:

    "Diese Mengen haben sich in diesem Zeitabschnitt von 2000 bis 2010 von knapp zehn Millionen Tonnen auf über 15 Millionen Tonnen erhöht. Also ein Zuwachs von über 50 Prozent."

    Abnehmer des Futters sind oft Betriebe, die im industriellen Stil Schweinefleisch oder Geflügel erzeugen. Die Tiere werden in kürzester Zeit auf Schlachtgewicht gemästet. In Deutschland sinkt der Fleischkonsum zwar. Dafür haben die Erzeuger im vergangenen Jahrzehnt ihr Exportgeschäft massiv ausgebaut.

    "Schweinefleisch ist angestiegen von 0,5 Millionen Tonnen in 2000 auf 1,8 Millionen Tonnen. Das ist eine Verdreifachung der Ausfuhren von Schweinefleisch."

    Entsprechend wird auch mehr Futter gebraucht. Ein wichtiger Rohstoff dafür ist eiweißreiches Soja, das meist aus Argentinien und Brasilien importiert wird. Dort aber verursacht die steigende Nachfrage ökologische Probleme, kritisieren Umweltschützer. Matthias Meißner, Referent für internationale Agrarpolitik beim WWF Deutschland.

    "Für den Anbau dieses Sojas werden Lebensräume wie Trockensavannen oder auch tropischer Regenwald umgebrochen, gerodet. Dadurch haben wir einen großen Verlust an Artenvielfalt. Aber auch entstehen dadurch große Treibhausgasemissionen aus dem Bodenumbruch."

    Die deutschen Futterhersteller allerdings sehen keinen generellen Trend zu höheren Importen in ihrer Branche. Es gehe vor allem darum, jährliche Schwankungen auszugleichen, sagt Knut Schubert, Marktreferent beim Deutschen Verband Tiernahrung.

    "Und es schwankt deswegen, weil wir natürlich auch inländisch unterschiedliche Erträge hier einfahren. Das ist ja erst mal die Basis. Was haben wir hier inländisch zur Verfügung an Futter, was die Tiere bekommen können? Und wenn die Erträge schlecht laufen, wie es in einigen Jahren der Fall ist, dann steigt natürlich auch die Import-Quote."

    Die Herkunft des Tierfutters ist allerdings nur ein Aspekt im Forschungsbericht des Statistischen Bundesamtes. Die deutsche Lebensmittelbranche insgesamt ist seit dem Jahr 2000 abhängiger von Importen aus dem Ausland geworden. Ein Grund: der Umstieg auf nachwachsende Rohstoffe. Noch einmal Referatsleiter Helmut Mayer:

    "Wir beobachten einen erheblichen Anstieg der Flächen im Inland, die für Energiepflanzen benötigt werden. Inzwischen sind das ja auch über zwei Millionen Hektar."

    Veränderte Ernährungsgewohnheiten machen sich ebenfalls in der Statistik bemerkbar. Der Konsum von Wohlstandsgütern wie Kaffee oder Schokolade steigt hierzulande – die Rohstoffe kommen aus dem Ausland. Und viele Kunden haben sich an das ganzjährige Obst- und Gemüse-Angebot gewöhnt. Angebaut werden die Früchte in den sonnigen Ländern des Südens – was dort zu ökologischen Schäden führt, wie WWF-Experte Meißner sagt.

    "Für die Produktion braucht man massiv Wasser. Und das führt dazu, dass Grundwasserspiegel abgesenkt werden. Grundwasserleiter versalzen durch das eindringende Salzwasser vom Meer. Und dadurch letztendlich auch wichtige Feuchtgebiete wie Doñana in Spanien völlig kaputt gehen."

    Als Konsequenz appellieren Umweltschutzorganisationen an die Verbraucher, weniger Fleisch und mehr saisonales Obst oder Gemüse zu kaufen. Von der Bundesregierung fordern sie, den deutschen Fleisch-Export nicht länger zu subventionieren.