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Schweiz
Umstrittenes Rüstungsgeschäft mit Russland

Trotz des Konflikts in der Ostukraine hat die Schweiz die Ausfuhr von militärisch nutzbarem Hightech-Gewebe nach Russland bewilligt. Dazu muss der Bundesrat nun in einer parlamentarischen Fragestunde Stellung nehmen.

Von Stefanie Müller-Frank | 16.03.2015
    "Das frage ich den Bundesrat. Für mich unverständlich, weil die Kommunikation gegen außen war ein Lieferstopp. Dieser Lieferstopp wurde offenbar nicht eingehalten. Diese Frage ist zu klären."
    Max Chopard, SP-Nationalrat, hat für heute Nachmittag eine parlamentarische Fragestunde einberufen. Dass die Schweiz noch im Herbst 2014, also mitten im Krieg, dem Export von Rüstungsmaterial nach Russland zugestimmt hat, findet der linke Abgeordnete unerhört. Man muss schon etwas genauer unterscheiden, meint dagegen Thomas Hurter, der für die rechtskonservative SVP im Nationalrat sitzt.
    "Wir sprechen hier von Textilien, von Tarnmaterial. Also wir sprechen hier nicht von Waffen. Die Journalisten werfen das immer in einen Topf. Bei den Angriffswaffen ist die Schweiz extrem restriktiv. Also ich muss Ihnen sagen, die Schweiz ist überhaupt kein Schurkenstaat."
    "Tatsächlich unterscheidet die Schweiz bei der Prüfung von Exporten zwischen Kriegsmaterial einerseits und sogenannten besonderen militärischen Gütern andererseits. Rüstungsgüter also, die nicht zwingend im Gefecht eingesetzt werden müssen, erklärt Jannik Böhm von der "Gruppe für eine Schweiz ohne Armee":
    "Also Kriegsmaterial ist ganz explizit zum Töten vorgesehen, während besondere militärische Güter auch für militärische Zwecke genutzt werden, aber nicht direkt zum Töten. Ein gutes Beispiel ist ein Flugsimulator: Mit dem kann man niemanden töten, aber es ist klar, dass damit Leute trainiert werden, die Leute töten."
    Eine ganz normale Geschäftspraxis?
    Nun hatte der Bund im Sommer 2014 die Ausfuhrbeschränkungen auf diese "besonderen militärischen Güter" ausgeweitet. Und in diese Kategorie fällt eigentlich auch das an Russland gelieferte Tarnmaterial. Es dient dazu, Soldaten und Panzer vor Infrarotüberwachung zu schützen - ermöglicht ihnen also beispielsweise, unbemerkt eine Landesgrenze zu passieren. Trotzdem gaben die Prüfer des Bundes im Herbst grünes Licht für das Geschäft im Wert von 90 Millionen Franken. Sie beriefen sich dabei auf eine Ausnahmeklausel: Demnach gelten die Beschränkungen nicht für Verträge, die vor dem August 2014 abgeschlossen wurden. Eine ganz normale Geschäftspraxis, meint Thomas Hurter von der SVP:
    "Die Geschäftstätigkeit, die beginnt irgendwann und die dauert natürlich auch eine gewisse Zeit, bis das ausgeführt ist. Also es ist natürlich so wie im täglichen Leben: Wenn Sie etwas Umfangreicheres bestellen, dann gehen teilweise Jahre dieser Bestellungen voraus. Und deshalb hat es hier auch eine gewisse Überschneidung gegeben."
    Max Chopard von den Sozialdemokraten widerspricht:
    "Es geht nicht darum, wann welches Geschäft abgeschlossen wurde. Es geht darum, dass wir nicht mehr liefern. Und man hat klar im Sommer 2014 kommuniziert, man macht keine Lieferungen mehr von militärischen Gütern in diese Konfliktregionen. Das ist mit den Flugzeugträgern in Frankreich genau gleich. Die Geschäfte wurden auch früher abgeschlossen und werden jetzt trotzdem nicht umgesetzt - respektive es gibt einen Lieferstopp bis eine Befriedung eintritt."
    Keine Stellungnahme vom Staatssektretariat für Wirtschaft
    Rechtlich wäre der Rüstungsdeal mit Russland also korrekt. Die Glaubwürdigkeit der Schweiz als neutraler Vermittler stehe aber durchaus auf dem Spiel, findet Chopard:
    "Wenn es so eine Ausnahmeklausel gibt, dann ist diese zu verurteilen. Es kann nicht sein, dass die Schweiz eine Verordnung, die sie selbst in Kraft gesetzt hat, auch wieder selbst umgeht. Das wäre eine hochproblematische Sache, die wir aus der Welt schaffen müssen. Die ist inakzeptabel."
    Just im letzten Herbst hatte die Schweiz den OSZE-Vorsitz inne, und Außenminister Didier Burkhalter erntete viel Lob für seine Friedensbemühungen. Von der Genehmigung für den Tarnmaterialexport hat er angeblich nichts gewusst. Das Staatssekretariat für Wirtschaft, das für die Kontrollen verantwortlich zeichnet, ist trotz mehrmaliger Anfragen nicht zu einer Stellungnahme im Radio bereit. Der SVP-Politiker Thomas Hurter kann die ganze Aufregung nicht nachvollziehen:
    "Ich muss Ihnen ehrlich sagen, dieser Fall, der jetzt hier genommen wird mit diesem Gewebe, diesen Stoffen, aus meiner Sicht wird das völlig überbewertet."