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Schwertwale
PCB hat katastrophale Folgen für Meeressäuger

Polychlorierte Biphenyle - kurz PCB - sind seit den 80er-Jahren in der Europäischen Union verboten. Da sie in der Umwelt kaum abgebaut werden, werden besonders Tiere belastet, die an der Spitze der Nahrungspyramide stehen. In den Ozeanen sind das die Schwertwale. Bei denen haben Forscher nun festgestellt, dass die Gifte die Reproduktion unterdrücken - eine verheerende Auswirkung.

Von Monika Seynsche | 17.06.2016
    Ein Killerwal, der Orca, springt aus dem Wasser.
    Schwertwal, Orca oder auch Killerwal - der Meeressäuger ist akut vom Aussterben bedroht. (imago / Anka Agency International)
    Polychlorierte Biphenyle oder kurz PCB sind organische Chlorverbindungen, die jahrzehntelang in Transformatoren und Kondensatoren, als Hydraulikflüssigkeit, als Weichmacher und in Kunststoffen eingesetzt wurden. Bis herauskam, dass sie hochgiftig und krebsauslösend sind. Seit Ende der 1970er-Jahre sei die Herstellung von PCB in den USA verboten, sagt Paul Jepson von der Zoologischen Gesellschaft Londons, seit den 1980er-Jahren auch in der Europäischen Union und den meisten anderen Ländern.
    "Aber PCBs halten sich sehr, sehr lange in der Umwelt. Sie werden kaum abgebaut. Gleichzeitig lösen sie sich in Fettgewebe und reichern sich so in der Nahrungskette an. Dadurch sind die Arten an der Spitze der Nahrungspyramide am stärksten mit PCB belastet. In den Ozeanen sind das die Schwertwale. Wir denken, dass PCB verheerende Folgen für diese und andere Arten haben."
    Die Gifte unterdrücken die Reproduktion der Schwertwale. Wenn die Weibchen trächtig werden, geht ein Großteil ihrer PCB-Belastung entweder schon im Mutterleib auf das Ungeborene oder durch die Muttermilch auf das Neugeborene über. Als Folge kommt es zu Totgeburten und zu Jungtieren, die nur wenige Monate überleben.
    "Zurzeit sehen wir in Teilen Europas, von der Westküste Großbritanniens bis hinunter zum Mittelmeer nur noch zwei Schwertwalpopulationen. Eine davon pflanzt sich gar nicht mehr fort. Dort leben nur noch acht Tiere westlich von Schottland. Die andere Population, in der Straße von Gibraltar, besteht noch aus 36 Tieren. Aber nur ein ganz geringer Teil ihres Nachwuchses ist überlebensfähig. Wir müssen also davon ausgehen, dass beide Populationen noch zu unseren Lebzeiten aussterben werden. Dann wird es in Zentral- und Südeuropa keinen einzigen Orca mehr geben. Das ist eine furchtbare Schande."
    Die meisten Forscher waren davon ausgegangen, dass die Belastung nach dem Verbot von PCB langsam zurückgehen würde. Paul Jepson und seine Kollegen aber beobachten bei den Schwertwalen und auch bei Eisbären das Gegenteil. Die Tiere sind immer stärker belastet. Auch in den Industrieregionen und vor den Küsten Südostasiens, der USA und Kanadas messen die Forscher hohe PCB-Belastungen. Vor den Küsten Europas aber sei das Problem besonders groß.
    Sehr große PCB-Mengen durch den Abriss von Wohnblocks
    "Europa ist noch dazu schon lange sehr dicht besiedelt. Hier wurde historisch viel PCB hergestellt und viel verbraucht. Vieles davon ist auf Müllhalden gelandet, oder über Flüsse ins Meer gespült worden. Von den 1950er bis in die 1980er-Jahre hinein wurden außerdem große Mengen PCB in Wohnblocks und anderen Betongebäuden verwandt, als Klebstoff zwischen den Betonplatten. Das beunruhigt uns sehr, denn wenn diese Wohnblocks abgerissen und nicht ordentlich entsorgt werden, bekommen wir eine weitere sehr große PCB-Quelle, die in die Meeresumwelt gelangt."
    Die meisten Staaten der Europäischen Union haben die Stockholm-Konvention unterzeichnet – ein internationales Abkommen, dass die Herstellung von PCB verbietet und die Vernichtung von PCB-haltigen Substanzen bis zum Jahr 2028 vorschreibt.
    "Das Problem ist, PCB zu vernichten, ist wirklich schwierig. Es gibt nur sehr wenige Sondermüllverbrennungsanlagen, die diese Schadstoffe komplett zerstören können. Denn sie müssen unter sauerstoffangereicherten Bedingungen auf über 1000 Grad Celsius erhitzt werden. Alternativ kann man PCB in versiegelten Deponien entsorgen, aber mit der Zeit degradieren diese Deponien und die älteren sind eh nicht versiegelt und lecken."
    Sollte die Stockholm-Konvention wirklich konsequent umgesetzt werden, so bestehe noch Hoffnung für die Lebewesen im Meer, sagt der Zoologe Paul Jepson, aber im Moment geschehe zu wenig.