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EU-Handelspolitik
Was kommt nach Cotonou?

Die Handelsbeziehungen zwischen der EU und ehemaligen Kolonialstaaten in Afrika, der Karibik und im Pazifik (AKP) werden über das Cotonou-Abkommen geregelt. Ende 2020 läuft es aus, die EU strebt ein neues Abkommen für alle AKP-Staaten gemeinsam an. Die haben sich jedoch unterschiedlich entwickelt.

Von Peter Kapern | 14.07.2020
- The picture is about negotiations between 46 ACP (African, Caribbean and Pacific Group of States) countries and Europe for a cooperation agreement. ARCHIVES PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY x34478697x
Handelsabkommen zwischen der EU und den AKP-Ländern gibt es seit Jahrzehnten. In den 70er und 80er Jahren wurden etwa die Lomé-Abkommen ausgehandelt. (imago stock&people)
Im Rahmen des Denkfabrik-Themas 2020 "Dekolonisiert euch" beschäftigt sich die Sendung "Wirtschaft und Gesellschaft" in einer 6-teiligen Serie mit der Frage, wie die Kolonialzeit bis heute die Wirtschaft prägt.

13.7. Lieferkettengesetz: Ein Gesetz gegen Auswüchse der Globalisierung
14.7. EU-Handelspolitik: Nachfolge des Cotonou-Abkommens
15.7. Deutsche Afrikapolitik: Kurze Kolonialzeit mit Nachwirkung
16.7. China in Afrika: Neues Kolonialherrentum?
17.7. Kolonialismus verbindet: Die indische Elite von Kenia
20.7. Deutsche Kolonialzeit in China: Es blieben Architektur und Bier
Alfonso Medinilla ist skeptisch. Auch das neue Abkommen zwischen der EU und den 79 AKP-Staaten, das gerade ausgehandelt wird, kann seiner Meinung nach die Schatten der Vergangenheit nicht abschütteln.
Bei den Beziehungen zwischen der EU und den AKP-Staaten gehe es in der Substanz immer um Hilfsgelder aus Europa, die an Auflagen gekoppelt werden, sagt der Mitarbeiter des European Centre for Development Policy Management, eines Thinktanks in Brüssel. Die Empfänger verstünden dies oft als paternalistische Bevormundung. Und das habe eben nichts mit der Partnerschaft auf Augenhöhe zu tun, von der die Von-der-Leyen-Kommission immer spreche.
Diese Kritik kennt auch der SPD-Europaabgeordnete Udo Bullmann: "Die Kritik war immer, dass selbst dort, wo AKP es gut meint, wir eine ein bisschen von oben herab geführte Beziehung pflegen. Die eine Seite gibt, das ist der Norden. Die andere Seite nimmt, das ist der Süden."
Jaoundé, Lomé, Cotonou - und jetzt?
Die Kooperation zwischen der EU und den AKP-Staaten reicht fast 60 Jahre zurück. Vor allem Frankreich und Belgien, später auch Großbritannien, drängten darauf, die ehemaligen europäischen Kolonien in Afrika, in der Karibik und im Pazifik auch nach deren Unabhängigkeit eng an Europa zu binden. Das Ergebnis war der Vertrag von Jaoundé von 1963. Er wurde später durch die Lomé-Abkommen und schließlich durch das Cotonou-Abkommen ersetzt, das Ende des Jahres ausläuft.
Diese Verträge versuchten immer, Handelspolitik, Entwicklungspolitik und politische Partnerschaft unter ein Dach zu bringen. Und sie veränderten sich im Laufe der Zeit. Beim Handel stand am Anfang der zollfreie Export von Rohstoffen und Mineralien aus den AKP-Ländern nach Europa. Kritiker bemängelten, diese einseitige Ausrichtung habe in den Lieferländern fast keine andere Industrieproduktion habe entstehen lassen.
Später wurden die Handelsbeziehungen den Regeln der Welthandelsorganisation WTO angepasst. Das heißt: Auch die AKP-Staaten mussten ihre Märkte zunehmend für Importe aus der EU öffnen.
Die grüne Europaabgeordnete Anna Cavazzini: "Das bringt Kleinbäuerinnen in Afrika in eine Konkurrenzsituation, in der sie eigentlich nur verlieren können."
Manche AKP-Staaten weiter entwickelt als einzelne EU-Länder
Verloren haben aber nicht alle, und nicht alle gleichermaßen. Die AKP-Länder entwickelten sich äußerst unterschiedlich, einige von ihnen haben heute ein Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, das über dem der ärmsten EU-Länder liegt. Deshalb stellte sich die Frage: Macht ein weiteres Abkommen, das die ganze AKP-Gruppe umfassen soll, überhaupt Sinn?
Anna Cavazzini: "Inzwischen haben sich die Staaten und die Regionen so stark auseinander entwickelt, dass wir Grüne immer dafür plädiert haben, regionale Abkommen zu machen. Leider konnten wir uns damit nicht durchsetzen."
Vermischung mit politischen Vorgaben hat auch Vorteile
Für das Festhalten an einem Universalabkommen mit allen AKP-Staaten gibt es durchaus Gründe. Die Europäer verweisen darauf, dass die im Abkommen verankerte politische Kooperation es zum Beispiel ermöglicht hat, die AKP-Staaten in das Pariser Klimaschutz-Abkommen einzubinden. Und viele afrikanische Staaten wollen lieber an den bekannten Strukturen, Gremien und Fördergeldern festhalten, statt im Rahmen der Afrikanischen Union ein neues Abkommen mit der EU auszuhandeln.
Deshalb wird derzeit wieder über ein Abkommen verhandelt, das einen gemeinsamen Rahmen vorsieht, der alle Unterzeichner auf aktualisierte politische Zielsetzungen verpflichtet: Vor allem den Klimaschutz, die Gendergerechtigkeit und die UN-Ziele für eine nachhaltige Entwicklung.
Udo Bullmann: "Dazu gehört, dass wir in den neuen Beziehungen die Nachhaltigkeit stärken; öffentliche Daseinsvorsorge, Erziehung, Bildung, Gesundheitsvorsorge stärken."
Unterhalb dieses allgemeinen Schirms soll Platz sein für separate Vereinbarungen mit den Staaten der drei AKP-Regionen Afrika, Karibik, Pazifik.
Zu viele Abkommen auf einmal?
Doch auch das mildert die Skepsis des Entwicklungsexperten Alfonso Medinilla nicht. Er kritisiert, dass Afrika und die EU, was ihre Beziehungen angeht, auf zu vielen konkurrierenden Hochzeiten gleichzeitig tanzen. Da ist zum einen das AKP-Abkommen, daneben stehen bilaterale Wirtschaftsabkommen mit einzelnen afrikanischen Staaten. Und dann ist da noch die in Entwicklung befindliche Afrika-Strategie der EU, die die Afrikanische Union und nicht die AKP-Staaten als vorrangige Partnerorganisation betrachtet.
"Am Ende haben wir es mit einer komplizierten, europäischen Konstruktion sich überlappender Abkommen zu tun", sagt Medinilla. Da würden alte Verträge neben den neuen Zielsetzungen weiterleben.