Begegnungen: Gedenk-Porträt Michael Hirsch

Ein Klangerzähler

03.05.2017
Als Michael Hirsch im vergangenen Februar mit gerade 58 Jahren starb, war das ein Schock für die Musikwelt. Carolin Naujocks zeichnet mit Musik-und Gesprächsausschnitten das Porträt eines Künstlers, für den es keine Grenzen zwischen den Gattungen gab.
"Ich gehöre einer Komponistengeneration an", sagte Michael Hirsch, "die die Erweiterung des Musikbegriffs von den vorangegangenen Generationen geerbt hat. Es kann mir also nicht darum gehen, irgendwelche Grenzen zwischen den Künsten zu durchbrechen, denn sie sind ja längst gefallen...Ich betrachte meine Arbeit daher nicht mehr als sonderlich "experimentell", sondern als ein Komponieren, das die Früchte vergangener Experimente selbstverständlich mit einbezieht."
Michael Hirsch agierte im Grenzbereich zwischen Musik und Sprache, Theater, Hörspiel, Komposition und Improvisation. Es ging ihm sowohl um die Schaffung einer "Synthese verschiedener Kunstgattungen, Theater und Musik oder Sprache und Musik, als auch um die Synthese von Traditionen."
Schon aus der Kindheit stammte sein Faible für die Oper, es wurde in seiner Arbeit Obsession. Hirsch verdichtete nicht nur antike Stoffe, sondern auch musikalische Mittel, Materialien und Techniken. Vieles davon wurde nur fragmentarisch eingesetzt, doch auf der phantastischen Bühne des Theaters erzeugte der Komponist damit ungewöhnliche Verbindungen, die erst in der Komplexität der Mischform ihre Eindeutigkeit erfahren.
Bevor der 1958 in München geborene Anfang der achtziger Jahre nach Berlin übersiedelte, wirkte Michael Hirsch als Schauspieler in verschiedenen freien Theatergruppen mit und war als Regie-Assistent für Achim Freyer tätig. Von Dieter Schnebel, sagt er, sei er musikalisch radikalisiert worden; sein anderer Förderer war der Münchner Klangexperimentator Josef Anton Riedl. Beiden blieb er als Interpret im Ensemble "Die Maulwerker" treu.
Dass in seiner Arbeit die Oper eine so große Rolle spielte, zeigt sich auch in seinem Zyklus "Das Konvolut" an dem er zehn Jahre lang, von 2001 – 2011, arbeitete. Durch die Regieanweisungen bekommen die einzelnen "Volumina" musiktheatralischen Charakter, ohne dass es sich tatsächlich um ein solches handelt. Dabei treffen verschiedenste Notationsformen aufeinander: konventionelle Notenschrift, grafische Notation und verbal formulierte Improvisationsmodelle. Mehr noch als ein Zyklus ist das Konvolut eine Simultankomposition. Die Stücke sind zwar einzeln aufführbar, aber erst in der abendfüllenden Gestalt wird der integrale Aspekt im Fragmentarischen erfahrbar.
Michael Hirsch
"Das Konvolut" (2001-2011)
daraus:

"Volumen 1" (2001) für Singstimme, Große Trommel, Violine, Viola, Violoncello, Piccolo-Flöte und Klarinette (Ausschnitt)

Claudia Herr, Mezzosopran
Ensemble Courage
(Festival Ultraschall Berlin 2009)

"Volumen 2" (Ausschnitt)

Michael Hirsch, Sprecher
Ensemble Zwischentöne

"La Didone abbandonata" (2003/04)
Dramma per musica nach einem Text von Pietro Metastasio

Claudia Neubert, Mezzosopran - Didone
Daniel Ochoa, Bariton - Enea
Ensemble Courage
Leitung: Titus Engel

"Volumen 2" (Ausschnitt)

Michael Hirsch, Sprecher