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Schwimmende Kliniken

Kreuzfahrten gelten im Zeitalter des Pauschaltourismus als luxuriöse Form des Reisens. Was aber, wenn ein Kreuzfahrer auf hoher See krank wird? Reedereien bieten auf ihren Schiffen mittlerweile eine ausgeklügelte medizinische Versorgung an. In vielen Fällen reicht sie. Allerdings nicht immer, wie auf der "boot 2006" in Düsseldorf zu erfahren war.

Von Mirko Smiljanic | 24.01.2006
    16 Tage Karibik auf einem Luxusliner, diesen Traum hat sich ein Münchner Ehepaar - sie Lehrerin, er pensionierter Bauingenieur - im letzten Jahr erfüllt, und ist nur knapp an einem Alptraum vorbeigeschrammt. Am achten Urlaubstag klagte der Mann über Brustschmerzen, erste Untersuchungen des Schiffsarztes erhärteten den Verdacht auf einen Herzinfarkt. Entfernung zur Küste: 200 Seemeilen. Glücklicherweise war der Mediziner ein erfahrener Internist, die Notfallversorgung war perfekt, außerdem ließ er den Patienten sofort von einem Rettungshubschrauber in die nächste Klinik fliegen. In diesem Fall lief das Abenteuer glimpflich ab, mitunter kommt es aber zu größeren Komplikationen. Die Gründe dafür sind simpel: Krankenstationen auf Kreuzfahrtschiffen können bei schweren Erkrankungen nur begrenzt helfen.

    " Es gibt normalerweise eine Krankenstation, größer oder kleiner ausgestattet - man kann aber nicht von einer Standardausstattung per se sprechen - das umfasst normalerweise mehrere Krankenbetten, zwei, drei, vielleicht auch noch mal ein paar mehr, wo man durchaus in der Lage ist zum Beispiel ein vernünftiges Monitoring zu machen hinsichtlich Blutdruck, hinsichtlich Herzfrequenz, auch Interventionsmöglichkeiten, sie bieten üblicherweise auch eine einfache Röntgeneinheit auf einem großen Kreuzfahrtschiff. "

    In besonders gut ausgestatteten Schiffen - sagt Dr. Burkhard Rieke, Tropenmediziner und Mitglied des Vorstandes des Deutschen Fachverbandes Reisemedizin - stehen sogar Dialysegeräte zur Verfügung, ein Sonderservice für entsprechend erkrankte Patienten. Die auf Schiffen behandelten Leiden unterscheiden sich zunächst kaum von dem, was Allgemeinmediziner in ihren Praxen sehen.

    " Da hat sich jemand gestoßen, da hat irgendjemand Schwierigkeiten, die Medikamente sind über Bord gegangen und er braucht jetzt Ersatz oder irgendetwas Ähnliches, also es sind nicht so ganz dramatische Dinge, Seekrankheit natürlich und all die Dinge, die man auch erwarten würde. "

    Komplizierter ist es schon bei Infektionen, Brüchen, Blutungen, Herzinfarkten und so weiter, operative Eingriffe lassen sich nur begrenzt und als Notfall durchführen. Viel hängt davon ab, welche Qualifikation der Schiffsarzt hat: HNO-Ärzte und Psychiater leisten in ihren Bereichen gute Arbeit leisten, ob sie einen Splitterbruch genauso gut behandeln, kann zumindest angezweifelt werden. Gäste auf Kreuzfahrtschiffen dürfen nicht dem Irrtum verfallen,…

    "…dass man sagt, ein Arzt ist an Bord und jetzt hat man eine Uniklinik auf zwei Beinen an Bord. Das ist ein Anspruch, den man so nicht aufrechterhalten kann. Es ist deshalb durchaus vernünftig, dass bei schwereren Erkrankungen Personen nur mitgenommen werden nur bis zum nächsten Hafen und dann dort versorgt werden, während die meisten sich eigentlich erhoffen, dass das ganze nicht nur ein schwimmendes Hotel, sondern auch ein schwimmendes Krankenhaus ist, das lässt sich nicht realisieren mit begrenztem Personal und auch der Unmöglichkeit, alle Eventualitäten abzudecken. "

    Gleiches gilt für die Schiffsapotheke. Ein internationales Reglement bestimmt welche Medikamente auf jeden Fall mitgeführt werden, hinzu kommen abhängig von Reederei und Route Sondermedikamente. Woher diese Medikamente kommen, ist allerdings nicht geregelt, sodass mancher Schiffsarzt sich plötzlich vor größeren sprachlichen Problemen sah.

    " Es kann immer mal wieder sein, je nach dem unter welcher Flagge man fährt, dass Sie vielleicht mal einen kyrillischen Beipackzettel bekommt. Das ist von begrenzter Bedeutung, so lange jemand einordnen kann, dieses Medikament kenne ich und ich kann die Nebenwirkungen beurteilen, wenn uns dieser Beipackzettel in dieser Situation nicht weiter hilft. "

    Viele Probleme ließen sich ausräumen, wenn die Gäste von Kreuzfahrtschiffen vor ihrem Urlaub mit ihrem Hausarzt klären, welche Medikamente sie wahrscheinlich brauche. Diese Medikamente kommen dann in die persönliche Hausapotheke.

    " Eine Krankheit, die heftige Schmerzen verursachen kann, bedeutet, dass man sich auch schon selber mit den passenden Schmerzmitteln versorgt. Wenn jemand mit einem Krampfleiden fährt, dann ist es vernünftig, dass man das auch inklusive laufender Medikamente in einem Arztbrief beschreibt und auf das Kreuzfahrtschiff mitnimmt. Und das kann durchaus bedeuten, dass man das mit der Reederei oder auch mit dem Bordarzt persönlich vorher Kontakt aufnimmt. "