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Schwimmende Solarzellen

Technik. - In den südöstlichen Teilen Israels scheint die Sonne 3500 Stunden im Jahr. Ein Start-up Unternehmen aus Jerusalem hat nun ein Konzept entwickelt, bei dem die Solarzellen nicht auf Hausdächern oder in der Wüste montiert werden, sondern auf Wasseroberflächen schwimmen.

Von Helga Rietz | 04.11.2011
    "Hier sehen Sie einen kleinen Pool, so eine Art Planschbecken für Kinder. Das darauf ist unser Solarmodul – auffällig sind die zwei langen Spiegel, die auf dem Wasser schwimmen","

    sagt Yossi Fisher, Chef und Gründer der israelischen Firma Solaris Synergy. Er hatte die ungewöhnliche Idee, Solarzellen zu Wasser zu lassen, anstatt sie auf Hausdächern oder in der Wüste zu montieren. Büros und Entwicklungslabors der Firma befinden sich in Jerusalem, aber die Webcam erlaubt einen Blick ins Kibbuz Ketura im Süden des Landes, wo gerade der Prototyp der schwimmenden Solarmodule erprobt wird.

    ""Wir bauen keine großen Paneele mit Solarzellen, sondern arbeiten statt dessen mit konzentriertem Sonnenlicht: Wir bündeln die Strahlung von der Sonne mit Spiegelrinnen auf eine Linie, und an dieser Fokuslinie haben wir einen Streifen Solarzellen, die nach unten schauen. Die Sonne fällt auf die Spiegel und wird dann von den Spiegeln auf die Solarzellen gebündelt."

    Dadurch kommen die Module aus Jerusalem mit sehr wenig lichtaktivem Material aus. Solaranlagen mit vergleichbarer Leistung brauchen 20 Mal mehr Silizium. Und weil die Spiegelrinnen viel billiger sind als Siliziumkristalle, sind die schwimmenden Module besonders günstig. Die Idee ist nicht neu, wurde aber bisher kaum verfolgt, denn das Konzept vom gebündelten Sonnenlicht hat leider einen Haken: Unter der intensiven Sonneneinstrahlung erhitzen sich die Solarzellen; das senkt deren Effizienz und sie erzeugen nur noch sehr wenig Strom. Das lässt sich zwar umgehen, indem man auf Solarzellen aus Germanium oder Galliumarsenid anstelle von Silizium ausweicht. Allerdings kosten diese ein Vielfaches der herkömmlichen Solarzellen – so dass der Preisvorteil aus der Einsparung von Material dahin schmilzt.

    Deshalb erzeugen die meisten Sonnenkraftwerke, die Strahlung mit Spiegeln und Linsen bündeln, die Elektrizität nicht über Solarzellen, sondern thermisch – also indem von der Sonne erhitztes Wasser eine Turbine antreibt. Genau dort setzt Yossi Fishers Idee an: bei seinen Solarmodulen dient das Wasser, auf dem die Module schwimmen, gleichzeitig zur Kühlung. Dazu wird – in einem geschlossenen Kreislauf - kaltes Wasser über die Solarzellen geleitet. Dabei erhitzt es sich auf etwa 30 Grad Celsius und verdampft, weil der Druck im Kühlkreislauf niedriger ist als in der Atmosphäre. In einem Rohrsystem gelangen die warmen Dämpfe unter die Wasseroberfläche, dort kühlen sie ab und kondensieren wieder zu flüssigem Wasser. Eine kleine Pumpe genügt, um diesen Kreislauf aufrecht zu erhalten. Damit die von den Spiegeln gebündelte Strahlung den ganzen Tag über auf die Solarzellen trifft, müssen die Module dem Gang der Sonne über den Himmel folgen. Auch dabei erwies sich das Wasser als vorteilhaft: ein schwimmendes Objekt zu drehen, kostet nur sehr wenig Kraft. Fisher:

    "Wir folgen nicht der Höhe der Sonne über dem Horizont, sondern nur dem Azimut. Dafür reicht es, das Modul wie ein Karussell zu drehen. Das ist technisch sehr einfach: ein kleiner Motor, ein Algorithmus, und das ganze Kraftwerk dreht sich der Sonne entgegen."

    Aus den relativ kleinen Modulen aus jeweils zwei Spiegelrinnen und einem Streifen Solarzellen lassen sich schwimmende Kraftwerke beliebiger Größe zusammenbauen, erklärt Yossi Fisher. Dazu werden die Module mosaikartig nebeneinander gesetzt – und zwar auf einer gemeinsamen, kreisrunden Plattform, so dass sich alle Module gemeinsam zur Sonne ausrichten. Zur Zeit bauen die Ingenieure von Solaris Synergy die ersten Kraftwerke zusammen, die Durchmesser von 20 bis 50 Metern haben sollen.

    Die schwimmenden Solarmodule aus Jerusalem sind in erster Linie für industriell genutzte Wasserbecken gedacht - Staubecken, Kühlwasserreservoirs von Fabriken und Kraftwerken, oder Aquädukte. Flächen also, die keinen landschaftlichen Wert für Anwohner oder Touristen haben, und die ohnehin schon über die notwendige Infrastruktur verfügen, zum Beispiel einen Anschluss ans Stromnetz und gut ausgebildete Techniker. Fisher:

    "Und überraschenderweise verbessert sich durch die Abdeckung mit Solarzellen auch die Wasserqualität in den Becken, weil weniger Wasser verdampft und weniger Algen wachsen."

    Einfache Kühlung, günstige Materialien und eine verbesserte Wasserqualität sind also die Vorteile der schwimmenden Solarzellen. Nur – gibt es in einem so trockenen Land wie Israel überhaupt genug Wasserflächen, die man zur Stromerzeugung nutzen kann? Ja, sagt Yossi Fisher, es gibt viel mehr industrielle Wasserbecken, als man denkt:

    "In Israel gibt es allein rund 400 Reservoirs, die den Wasserversorgern gehören. Mit diesen Flächen könnte man Hunderte Gigawatt Elektrizität mit schwimmenden Sonnenkraftwerken erzeugen."

    Außerdem wird in Israel viel Abwasser in der Landwirtschaft recycelt, und dafür in offenen Becken zwischengelagert. Auch diese Reservoirs kommen für die Stromproduktion in Frage. In Südfrankreich und in Israel werden in diesem Herbst die ersten Module von Solaris Synergy installiert, für Anfang 2012 ist ein Projekt in Kalifornien in Planung. Für die beteiligten Firmen lohnt sich die Zweitnutzung der Wasserbecken, sagt Yossi Fisher, schließlich erzeugt ein schwimmendes Solarkraftwerk bis zu 100 Watt elektrische Leistung pro Quadratmeter:

    "Zum Beispiel ist Mekorot, der größte Wasserversorger Israels, zugleich der größte Stromverbraucher in Israel. Deshalb ist es für diese Firma ein großer Vorteil, wenn sie mit ihren Wasserreservoirs auch noch Strom erzeugen können."