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Schwimmunterricht
Vielen Kindern fehlt die Praxis

Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) schlägt Alarm: Viele Kinder können nicht mehr richtig schwimmen. Einer der Gründe: Der Schwimmunterricht in den Schulen kommt zu kurz. Das kann lebensgefährliche Folgen haben.

Von Moritz Börner | 13.08.2016
    Kinder spielen am 20.05.2014 im Freibad Prinzenbad in Berlin unter pilzförmigen Brunnen.
    Immer mehr Schwimmbäder machen zu. Die Folge: Vielen Kindern fehlt die Schwimmpraxis. (picture alliance / dpa / Hauke-Christian Dittrich)
    "Wen haben wir denn heute da, den Jonas, dann die Laura, Ben?"
    Ferienschwimmkurs in einem Düsseldorfer Hallenbad. Die sechs Kinder zwischen sieben und neun Jahren stehen im Nichtschwimmerbereich. Schwimmlehrer Björn Gohr fängt mit einer einfachen Übung an:
    "So nebeneinander aufstellen! Aufgabe, zur Leine rüber laufen, prima, laufen, so zurück, los geht's!"
    Die Übung dient der Wassergewöhnung, heißt, die Kinder sollen erst einmal lernen, wie sich Wasser anfühlt. Das ist nötig, weil die meisten schon länger nicht mehr geschwommen sind, so wie diese Neunjährige:
    "Ich geh halt nicht so oft schwimmen, wenn schon denn schon geh ich dann immer mit meiner Oma schwimmen."
    Obwohl sie mit dem Element Wasser nicht ganz so vertraut sind, haben die Kinder sichtlich Spaß:
    "Gut, ich find's gut, ich finde er erklärt es auch gut! Dass man im Wasser ist, ich liebe es, das macht halt Spaß zu schwimmen."
    Steigende Nachfrage nach Ferienkursen
    Björn Gohr gibt mehrere Kurse am Tag, und die sind immer voll. Dass die Nachfrage nach Schwimmkursen jetzt in den Ferien so groß ist, liegt auch daran, dass der Schwimmunterricht in den Schulen zu kurz kommt, glaubt er. Schon seit längerem beobachtet er, dass die Kinder immer schlechter schwimmen können:
    "Man kriegt immer wieder mit, dass der Schulunterricht doch relativ viel ausfällt, somit sind die Kinder, die hier ankommen, auch relativ schlecht ausgebildet. Es ist auf jeden Fall schlechter geworden, auch rein motorisch, sind die Kinder wesentlich schlechter geworden als früher, viele sind gar nicht mehr in der Lage, die Füße anzuwinkeln und zu strecken."
    Das bestätigt auch die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft. Am Ende der Grundschulzeit schwimmt gerade einmal jedes zweite Kind sicher. War es vor wenigen Jahren noch selbstverständlich, dass Kinder einen Freischwimmer hatten, haben viele inzwischen nur noch das Seepferdchen. Und das kann lebensgefährlich sein, sagt Michael Grohe von der DLRG:
    "Die Gefahr, dass die Kinder, wenn sie nicht schwimmen können, nicht beaufsichtigt sind, da in Lebensgefahr geraten, die ist relativ groß!"
    Kaum Chancen zum Üben
    Einer der Hauptgründe für den fehlenden Schwimmunterricht ist das deutschlandweite Schwimmbadsterben. Auf den Sparlisten der oftmals klammen Kommunen rangieren die Bäder ganz weit oben: Laut DLRG wurde von den rund 7700 Bädern, die es vor 15 Jahren gab, mehr als jedes Zehnte geschlossen, besonders stark betroffen sind Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.
    "Wenn ich vor Ort kein Schwimmbad habe, dann kann ich so viel Schwimmunterricht in den Plänen stehen haben wie ich will, aber dann habe ich nicht die Möglichkeit, diesen Unterricht zu erteilen. "
    Rein formell wird in den Schulen zwar weiterhin genauso viel Unterricht angeboten wie früher, aber die Schulkinder müssen deutlich weitere Anfahrtswege zu den Schwimmbädern auf sich nehmen. Auch die Eltern der Kinder des Düsseldorfer Schwimmkurses beobachten das:
    "Es ist halt auch ein Zeitproblem, bis die Kinder da ankommen, die haben wenig Zeit im Wasser, die sind mit dem Bus gefahren, bis man hier ankommt mit Kindern, das ist schon ein langer Weg. / Wir wohnen in Büderich, Meerbusch, und jetzt wir haben kein Schwimmbad da, und das ist schlimm."
    Konsequenz: Es fehlt an Praxis. Schwimmlehrer Björn Gohr muss immer wieder feststellen, dass die Kinder sich zwar planschend über Wasser halten können. Wie man längere Strecken am Stück geradeaus schwimmt, das muss er ihnen erst zeigen:
    "Lange Beine! So einmal auf den Bauch, sehr schön, Arme an die Seite, so hinlegen und strampeln, jawohl, lange Beine, unter Wasser, sehr gut!"
    Es fehlt an Schwimmlehrern
    Ein weiteres Problem ist der Lehrermangel, nicht alle Stellen können adäquat besetzt werden, außerdem benötigen Lehrer seit ein paar Jahren einen Rettungsschwimmer – Abzeichen für den Schwimmunterricht. Und das haben bei Weitem nicht alle Sportlehrer. Auch deswegen fällt Unterricht aus, beschwert sich ein Vater:
    "Es ist auch anscheinend ein bisschen knapp wegen der Lehrer, weil es weniger Lehrer gibt, es wäre also schön, wenn es ein bisschen mehr angeboten würde."
    Immerhin: Die Kinder aus Björn Gohrs Schwimmkurs lernen in diesem Sommer Übung für Übung, im Wasser sicher zu schwimmen:
    "Wer ist das zweite Mal dran? So bleibt bitte in der Reihenfolge, los geht's! Arme an die Seite, hinlegen, und los geht's! Wer war schon dreimal dran? So, lassen wir's dabei, kommen wir alle hier vorne hin, hier vorne an die Wand, so nebeneinander aufstellen!"
    Zwei Wochen dauert der Kurs, der insgesamt 34,50 Euro kostet. Am Ende können die Kinder eine Prüfung für ein Schwimmabzeichen absolvieren, zum Beispiel den Freischwimmer. Die siebenjährige Mantra freut sich schon, den Nichtschwimmerbereich bald verlassen zu dürfen:
    "Gut, dass man üben kann, und wenn man zu dem Urlaub geht, auf dem Meer schwimmen kann und dann nicht sinkt!"