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Schwulenwitze als politische Botschaften

In über 100 Ländern lacht das Fernsehpublikum über den dusseligen Kraftwerksangestellten Homer und seine Familie. Neben der eigentlichen Handlung gibt es viele versteckte politische Botschaften. Ein Kölner Autor hat nun das Thema Homosexualität bei den Simpsons analysiert.

Von Carsten Janke | 27.06.2013
    "- Augenblick, ich frag mal nach. Ist hier Amanda Dermichknutscht? Wo ist denn bloß Amanda Dermichknutscht?
    - Vielleicht sind seine Ansprüche zu hoch?"

    Die Telefonstreiche von Bart Simpson sind legendär. Der rotzfreche Sohn der Simpsons-Familie ruft in der Kneipe an und fragt nach Amanda Dermichknutscht oder Markes von Hinten. Solche Schwulenwitze gibt es bei den Simpsons jede Menge.

    "- Lass uns runterklettern!
    - Gut, aber ohne uns dabei anzufassen, das wär schwul.
    - Was bedeutet schwul?
    - Ähm, das bedeutet, dass du mal ängstlich warst. Es aber jetzt nicht mehr bist.
    - Ich bin schwul, Daddy, ich bin schwuhul."

    Dieser etwas infantile Humor hat einen ernst zu nehmenden Hintergrund, behauptet zumindest Erwin in het Panhuis. Er ist Bibliothekar und Buchautor und hat sich mit Homosexualität bei den Simpsons beschäftigt:

    "Ich hab vor einigen Jahren festgestellt, dass sich bei den Simpsons nicht nur sehr sehr oft schwul-lesbische Szenen finden, Andeutungen finden, sondern, dass das auch ein sehr sehr intelligenter Humor ist."

    Er hat sie sogar gezählt. Mehr als 490 schwul-lesbische Szenen hat Panhuis bei den Simpsons gefunden. Da gibt es also mehr als die plumpen Schwulenwitze von Homer:

    "Drei kleine Worte: Ich – bin – schwul."

    Es gibt homosexuelle Figuren bei den Simpsons, wie Patty, die lesbische Schwägerin oder Smithers, den schwulen Assistenten des Chefs von Homer Simpson. Sogar Homers Stammkneipe hat im englischen Original einen schwulen Namen. "Flaming Mos" bedeutet soviel wie "tuntiger Homosexueller". Hat der Autor Panhuis da ein bisschen zu viel Mühe in die Suche nach homosexuellen Anspielungen gesteckt? Mitnichten. Es scheint eher, als hätten die Macher der Zeichentrickserie jede Menge Spaß gehabt, subversive homosexuelle Andeutungen in der Serie unterzubringen:

    "Im Amerikanischen gibt es viele sexuelle Anspielungen, die sich auf Lebensmittel konzentrieren. Jedenfalls wurde diese Anspielung übersetzt mit "extralange Nussstangen"."

    Panhuis hat 500 Folgen der Serie untersucht, den Spielfilm und die DVD-Kommentare und dabei zum Beispiel herausgefunden, dass Gewaltdarstellungen für das amerikanische Publikum weniger ein Problem sind als die gleichberechtigte Darstellung von Homosexualität.

    ""Au lass das!"

    Erstaunlich ist, dass die Simpsons beim erzkonservativen Fernsehsender Fox laufen.

    "Es gibt da im Prinzip nur eine vernünftige Erklärung: Dass sich der Sender Fox so ein linksliberales Aushängeschildchen im Unterhaltungsbereich zugelegt hat, damit es nach außen hin pluralistisch erscheint, während der gesamte ernst zunehmende Nachrichtenbereich nach wie vor konservativ ist."

    Deswegen schreibt Panhuis in seinem Buch "Hinter den schwulen Lachern – Homosexualität bei den Simpsons" den Machern der Serie auch eine Pionierrolle zu:

    "Sie haben für viele andere Zeichentrickserien, die danach kamen, Standards gesetzt und ich glaube, sie wollten auch immer Vorreiter sein. Also ich kann mich erinnern, eine Folge nur über die Homo-Ehe. Februar 2005 … Viele der anderen Zeichentrickserien haben ebenfalls Folgen über die Homo-Ehe gemacht, aber später. Also Barack Obama setzt sich mittlerweile nicht nur für eingetragene Lebenspartnerschaften, sondern auch für die gleichberechtigte Homo-Ehe ein. So und da ist noch sehr viel Potenzial."

    Fragt sich, welche Tabus die Simpsons-Macher als Nächstes untergraben werden.

    Erwin in het Panhuis: "Hinter den schwulen Lachern – Homosexualität bei den Simspsons" Verlag des Archivs der Jugendkulturen, Berlin