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Science 2.0
Wie das Internet die Wissenschaft verändert

Mit dem Internet hat sich auch in der Forschung einiges verändert. In einer öffentlichen Konsultation hat die Europäische Kommission nun versucht herauszufinden, was die Digitalisierung für den internationalen Wissenschaftsbetrieb bedeutet und wo möglicherweise gesetzlicher Regulierungsbedarf besteht.

Von Anneke Meyer | 25.03.2015
    Ein Mann hält am 20.08.2014 in Neumünster (Schleswig-Holstein) seine Hand vor einen Verteilerpunkt, in dem zahlreiche Glasfaserkabel unter anderem zur Übertragung von Hochgeschwindigkeitsinternet zusammenlaufen.
    Die Europäische Kommission will sicher gehen, dass Europa den Zug nicht verpasst, so wie wir es beim Web 2.0 getan haben. (picture-alliance / dpa / Daniel Reinhardt)
    Ob Online-Meetings, File-Exchange, Open Access oder Big Data - das Internet ist Teil des wissenschaftlichen Alltags geworden. Eine erfolgreiche Entwicklung: Nie zuvor konnten so große Datenmengen gesammelt und ausgewertet werden. Nie zuvor war die wissenschaftliche Produktivität so hoch. Chancen die man nicht verspielen darf, so Jean-Claude Burgelman, Vorsitzender der Abteilung "Science policy and foresight" der Europäischen Kommission:
    "Wir wollen sicher gehen, dass Europa den Zug nicht verpasst, so wie wir es beim Web 2.0 getan haben. Die derzeitige Entwicklung ist eine Chance für mehr Transparenz, Verantwortung und stärkere Verankerung in der Gesellschaft. Es ist Teil unserer Aufgabe, das zu unterstützen - zumal Europa bei grenzüberschreitenden Prozessen durchaus Wege ebnen kann."
    Konkrete Punkte auf dem Wunschzettel der EU
    Um herauszufinden, wo Bedarf für Regulierungen auf internationaler Ebene besteht, hat die Europäische Kommission eine öffentliche Befragung durchgeführt. Daran teilnahmen knapp 500 Privatpersonen und Wissenschaftsinstitutionen. Darunter auch der Leibniz-Forschungsverbund Science 2.0, der Initiativen zur Digitalisierung der Wissenschaft in Deutschland koordiniert. Klaus Tochtermann ist Sprecher des Verbundes. Zusammen mit seinen Kollegen hat er die zahlreichen Stellungnahmen der Wissenschaftsverbände gelesen und kommt zu dem Schluss, dass es durchaus konkrete Punkte auf dem Wunschzettel an die EU gibt:
    "Wenn wir beispielsweise Dateien austauschen, dann braucht man eine Infrastruktur dafür. Das heißt, man braucht Server auf denen die Dateien abgelegt werden, man braucht Anwendungen mit denen man das tun kann und ein Großteil dieser Systeme wird aus Amerika heraus betrieben. Und da herrscht Einigkeit, dass hier ein Rechtsrahmen geschaffen werden muss, der es den Forschenden erlaubt, diese Werkzeuge anzuwenden, ohne sich eventuell Gedanken machen zu müssen, europäisches Datenschutzrecht zu verletzen."
    Deutlich weniger europäische Harmonie herrscht dagegen beim Thema Open Access, also dem freien Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen. So fordert etwa die "Organization of European Research Libraries", LIBER, dass Geldgeber die Vergabe von Fördermitteln an die Publikation in Open Access Journalen knüpfen sollten. Das Verlagshaus Elsevier Reed - ein Branchenriese - betont hingegen wenig überraschend, dass "freier Zugang" nicht "kostenfrei" bedeuten muss und hält weiterführende Spielregeln für unnötig.
    Eine strikte Richtlinie aus Brüssel wird es nicht geben
    Der dänische Wissenschaftsrat schließlich sieht in der wachsenden Zahl von Open Access Magazinen eine Gefahr durch Informationsüberfluss und sinkende Qualitätsstandards. Auch die Einschätzung zu den Chancen und Risiken "Bürgerbeteiligung" oder "Crowd Funding" gehen weit auseinander. Ganz einer Meinung sind Netzaktivisten, Verleger und Forschungsverbände immerhin dabei, wer über eventuelle Neuregelungen zu bestimmen hat - und wer nicht. So Klaus Tochtermann:
    "Dieses Thema Science2.0 ist sehr stark von den Forschenden selbst vorangetrieben und man fürchtet hier in hohem Maße dass es jetzt Regulierungen oder top-down Rahmenbedingungen geben wird, die uns das Leben erschweren."
    Dass die EU nachdem Krümmungsgrad von Bananen jetzt auch die Rahmenbedingung von wissenschaftlicher Zusammenarbeit normieren könnte, ist allerdings unwahrscheinlich. Eine strikte Richtlinie aus Brüssel soll es ebenso wenig geben, wie eine Lösung, die nicht von der wissenschaftlichen Gemeinschaft mitgetragen wird, betont Jean-Claude Burgelman. Im Gegenteil, der EU-Experte ist zuversichtlich, dass es möglich ist, einen Maßnahmenplan zu erarbeiten, der den Wünschen aller Beteiligten gerecht wird. Allerdings wird das keine leichte Aufgabe.
    "Es gibt Beispiele wo so was klappt - der Luftverkehr etwa, oder das Internet als solches. Da gibt es keinen Einzelnen der bestimmt, es ist alles durch die Interessensgruppen selbst gesteuert. Das ist möglich, aber ganz sicher nicht leicht. Es wäre einfacher zu sagen, ab heute sind alle roten Ampeln blau."
    Inwieweit die Europäische Kommission ihren hohen Ansprüchen gerecht werden kann, muss die Zukunft zeigen. Ein erster Entwurf für eine Europäische Wissenschaftsagenda mit Maßnahmen zur Förderung von Science 2.0 soll im Juni vorgelegt werden.