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Science Slams
Banale oder clevere Wissenschaftskommunikation?

Wissenschaft muss nicht trocken und langweilig sein: Science Slams bringen Forschungsthemen unterhaltsam verpackt auf die Bühne und begeistern ein wachsendes Publikum. Doch in den Erfolg mischt sich inzwischen auch Kritik.

Von Claudia Euen | 14.07.2015
    Besucher der Amerika-Gedenkbibliothek in Berlin sitzen zwischen Bücherregalen.
    Forscher profitieren mitunter selbst davon, ihr Forschungsprojekt vereinfacht und in kurzer Zeit zu erklären. (dpa / picture alliance / Tim Brakemeier)
    Die Leopoldina in Halle ist einer der ältesten Wissenschaftsakademien der Welt. Ihr prunkvoller Saal mit hohen Säulen und glänzendem Parkett ist fast bis zum letzten Platz gefüllt. Auf der Bühne steht der junge Physiker André Lampe und zeigt Bilder von Grundschulkindern in einem Klassenzimmer.
    "Wie kann ich ein anderes Kind verstehen, wenn die anderen nicht die Fresse halten. Meine Lösung ist Alkohol. Gut da kann man jetzt sagen, Alkohol ist keine Lösung, sondern ein Destillat, aber wir wollen uns nicht über Fachbegriffe streiten."
    Zehn Minuten für die Vorstellung der Forschung
    Ein unkonventioneller Ton für die alt-ehrwürdige Leopoldina. Heute geht es nicht um exakteste und bisweilen über-komplizierte Formulierungen. Beim Science Slam sollen Wissenschaftler in zehn Minuten eigene Forschung auf den Punkt bringen - um einem Laienpublikum Einblicke in die Welt der Universität ermöglichen.
    "Ich mag Kinder wirklich sehr. Ich mache auch keine Versuche mit Kindern, ich mache eigentlich Fluoreszenzmikroskopie. Aber die Bilder sind nicht so schön. Hier hab ich mal so ein Bild mitgebracht, das hier sind HFF-Zellen, daran mache ich Forschung, HFF steht kurz für human foreskin fibroblasts – ja, das sind Vorhautzellen, die wachsen nicht nur hervorragend auf einem Penis, die wachsen auch wundervoll in der Petrischale."
    Eigentlich baut André Lampe an Mikroskopen, die immer kleinere Teile sichtbar machen. Für den Doktorand aus Berlin ist der Slam eine ideale Übung, seine Arbeit in einfache Worte zu fassen und den Mechanismus dahinter selbst besser zu verstehen. Seit mittlerweile neun Jahren bieten immer mehr Universitäten und externe Organisatoren diese Art der Wissenschaftskommunikation an. Die Resonanz ist riesig. Viele sind begeistert von dieser Mischung aus Unterhaltung und Wissen, wie auch Zuschauern und Studentin Alin Schneider.
    "Ich finde es super und auch richtig wichtig, weil ich finde das kommt immer noch zu kurz, wenn man Kinder fragt, wenn die an bekannten Persönlichkeiten kennen, dann kommen da irgendwelche Stars, Musiker, Filmleute, aber niemand kennt die Wissenschaftler. Das ist so ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft und trägt soviel dazu bei, dass wir irgendwie vorankommen."
    Kritik an den Slams aus Wissenschaftskreisen
    Mittlerweile aber kommt Kritik an den Slams aus Wissenschaftskreisen selbst. In Print- und Onlinemedien wird über deren Sinnhaftigkeit diskutiert. Zu banal seien die Vorträge, "echte" Wissenschaft könne nicht in zehn Minuten transportiert werden und sollte sie auch nicht. Cornelius Courts ist forensischer Genetiker an der Universität Bonn und teilt diese Generalkritik keinesfalls. Er mag die Elfenbeinturm-Mentalität nicht und befürwortet die Balance zwischen Bildung und Wissenschaft, die auch mal witzig sein darf. Aber: Der Science-Blog-Schreiber erkennt durchaus eine Gefahr für die Slams.
    "Ich sehe einen Trend zur Verflachung des Science Slam. Es gibt einen Trend dazu immer weniger eigene Forschung zu besprechen und immer mehr Gags und Witze und Bildwitze und Katzenbilder und so was zu bringen, weil die tatsächlich vom Publikum honoriert werden. Slams, die mehr davon enthalten werden tendenziell besser bewertet, als die vielleicht etwas ernsteren oder etwas weniger lustigen oder mit etwas komplizierteren Themen besetzen Slams."
    Courts stört sich im Wettbewerbsgedanken. Weil am Ende eines jeden Slams das Publikum den besten Vortrag kürt, würden viele Slammer mehr Gags und weniger Inhalt einbauen. Er plädiert für eine Qualitätskontrolle. Für den Physiker André Lampe aber ginge das ein Schritt zu weit. Er will dem Publikum vertrauen, auch weil Universitäten noch immer zu sehr im eigenen Saft schwimmen. Er fühlt sich geradewegs verpflichtet, seine Ergebnisse der Außenwelt präsentieren.
    "Das waren jetzt wieder 50 oder 100.000 Euro aus Steuermitteln, guckt mal, was wir Geiles daraus gebaut haben und wo man das überall anwenden kann und was das bringt. Ein Stück weit Danke zu sagen, cool, ich hab Steuergelder gekriegt und konnte daraus eine Diplom und dann Doktorarbeit machen, aber wir nehmen das nicht einfach nur und das fällt dann irgendwo runter und wir machen tolle Konferenzreisen, nee, wir bauen damit Sachen und entwickeln neue Dinge."