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Scoring in sozialen Netzen
"Man hat es nicht gerne, wenn Dritte private Daten verwenden"

Finanzwissenschaftler der TU Chemnitz haben überprüft, wie Bankkunden auf Scoring, also die automatisierte Bewertung der Kreditwürdigkeit mithilfe von Daten aus sozialen Netzwerken reagieren. Viele hätten Probleme damit, wenn Banken im Falle einer Kreditvergabe zum Beispiel auf das Facebookprofil zugreifen würden, sagte der Wirtschaftswissenschaftler Friedrich Thießen im DLF.

Friedrich Thießen im Gespräch mit Manfred Kloiber | 27.08.2016
    Man sieht einen "Gefällt mir"-Button vom sozialen Netzwerk Facebook. Darauf zu sehen ist eine Hand, die Daumen hoch zeigt.
    Facebook - Zwischen Freundschaftsnetzwerk und Selbstvermarktungsplattform (BRENDAN SMIALOWSKI / AFP)
    Manfred Kloiber: Herr Thießen, greifen die Banken bereits auf Daten aus Sozialen Netztwerken zurück?
    Friedrich Thießen: Die Banken benutzen selbstverständlich verschiedene Datenbanken, um Informationen über die Ausfallwahrscheinlichkeiten ihrer Kunden zu gewinnen, aber auf soziale Netzwerke greifen sie derzeit noch nicht zu. Das Ganze ist emotional beladen und die Banken wollen da kein neues Kritikfeld aufbauen.
    Kloiber: Sie haben Probanden gefragt, welche grundsätzliche Einstellung sie denn dazu hätten, wenn ihre Bank im Falle einer Kreditvergabe zum Beispiel auf das Facebookprofil zugreifen würde. Wie haben die Probanden geantwortet?
    Thießen: Ja wir haben den Probanden erklärt worum es geht, wozu eine solche Überprüfung ihrer Social-Media-Daten sinnvoll sein könnte und die Probanden haben das eingesehen, dass man damit vielleicht besser und leichter eine Kreditentscheidung treffen kann, aber besonders gut finden sie das nicht, sie haben darin bestimmte Fairness-Probleme.
    Kloiber: Worin bestehen die genau?
    Thießen: Die Vorbehalte bestehen eigentlich darin, dass man es nicht gerne hat, wenn Dritte private Daten verwenden und darin herumschnüffeln. Sie bestehen insbesondere auch darin, dass man es auch nicht gerne hat, wenn es zum eigenen Nachteil wird.
    Also wenn man davon einen Vorteil hat, dann ist das vielleicht noch möglich. Aber wenn man sich einem anderen gegenüber öffnet und dann hat man davon noch einen Nachteil, dass einem gesagt wird 'Ne, also mit diesen Daten, da können Sie gar keinen Kredit kriegen' - das wird als sehr sehr unfair empfunden.
    "Was ich persönlich interessant finde, ist der soziale Druck, der dadurch entsteht"
    Kloiber: Wenn man Vorteile hat, würden die Probanden anders reagieren, würden sie vielleicht mitmachen?
    Thießen: Sie umschreiben jetzt das Wort "mitmachen", also sie meinen die Profile faken, fälschen, manipulieren - also darum geht's im Prinzip. Man kann vielleicht Folgendes sagen: Die Menschen mögen das nicht. Sie wollen eigentlich Facebook als ein Freundschaftsnetzwerk, aber wenn jetzt schon Dritte eingreifen und die Daten kommerziell nutzen, dann antwortet man auch kommerziell und fängt an, seine Eintragungen zu verändern.
    Also man passt sich dem System an: Wo sich das System hin entwickelt, so entwickelt man sich auch. Was ich persönlich interessant finde, ist der soziale Druck, der dadurch entsteht. Es wird ja nicht nur meine Seite analysiert, sondern auch geguckt, mit wem ich mich verlinke, das heißt, ich habe dann Beziehungen zu Dritten und werde danach beurteilt, wie meine Freunde sich verhalten. Wenn die alle arbeitslos sind, schlägt das auf mich zurück. Umgekehrt ist das ja so: Wenn ich Freunde und Bekannte habe, dass auch bei denen in die Daten geguckt wird, und wenn ich arbeitslos bin, dann schade ich ihnen. Also da gibt es soziale Beziehungen, dass wird ein sehr enges Netz werden.
    Das gesamte Gespräch können Sie noch mindestens sechs Monate ab Sendungsdatum in unserer Mediathek nachhören.