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Seehofer in Moskau
Russische Medien begrüßen den "Gegner der Kanzlerin"

In Deutschland sorgt sie schon seit Tagen für Wirbel: Die Reise des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) nach Moskau. Vorgesehen ist unter anderem ein Treffen mit Präsident Putin. Kritiker sprechen von Anbiederung. Seehofer selbst beteuert, die Reise sei mit dem Kanzleramt abgesprochen.

Von Gesine Dornblüth | 03.02.2016
    Der Ministerpräsident von Bayern, Horst Seehofer (CSU).
    Der Ministerpräsident von Bayern, Horst Seehofer (CSU). (pa/dpa/Jensen)
    Es war schon mal ganz ähnlich. Vizekanzler Sigmar Gabriel, SPD, traf Wladimir Putin. Das war Ende Oktober. Auch Gabriel war bereits im Vorfeld, wie nun Horst Seehofer, scharf wegen der Reise nach Moskau kritisiert worden. Er mache Nebenaußenpolitik. Auch Gabriel beschwichtigte, die Reise sei mit dem Kanzleramt abgesprochen. Der Sozialdemokrat verkündete dann aber in Moskau Positionen, die ganz eindeutig nicht der offiziellen Haltung der Bundesregierung entsprachen.
    Zu den gegen Russland verhängten Sanktionen zum Beispiel sagte er, man könne sie auch schrittweise abbauen - und nicht erst, wenn alle Punkte des Minsker Abkommens erfüllt seien, sondern schon vorher. Das sei allerdings seine persönliche Meinung, so Gabriel in Moskau. Die EU hat die Sanktionen anschließend verlängert. Aber die russische politische Elite wusste: Die Bundesregierung ist sich nicht so einig, wie Merkel es gern hätte.
    Gabriel will Putin im Herbst aber auch Kritisches gesagt haben, und zwar zum Thema Syrien. Das versicherte er nach dem Treffen mit Putin im Gespräch mit deutschen Journalisten. Die russischen Luftangriffe würden die Flüchtlingsströme aus Syrien noch verstärken.
    "Ich habe ihm gesagt, jede Bombe, die da fällt, führt dazu, dass Menschen sterben und andere das Land verlassen."
    Selektive Wahrnehmung in russischen Medien
    Die russische Öffentlichkeit erreichte Gabriel damit nicht. Die russischen Fernsehnachrichten brachten nur Putins Position zu Syrien und zeigten einen Vizekanzler, der Putin zuhörte.
    Mit Horst Seehofer kommt nun ein Ministerpräsident nach Moskau, der in den russischen Medien als Gegner der Kanzlerin dargestellt wird. Ihre aus seiner Sicht verfehlte Flüchtlingspolitik ist ein ständiges Thema im staatsnahen Fernsehen. Es stellt Flüchtlinge als eine Bedrohung für Europa dar und verbreitet auch nachweislich erfundene Geschichten, wie die der Vergewaltigung einer 13-jährigen Russlanddeutschen in Berlin-Marzahn.
    Russische Medien suggerieren, in Deutschland sei es verboten, Merkels Flüchtlingspolitik zu kritisieren. Und Seehofer wird als Stimme der Vernunft dargestellt. Als der bayerische Ministerpräsident Merkel kürzlich ein Ultimatum stellte und wegen der offenen Grenzen mit einer Verfassungsklage drohte, verbreitete der einflussreiche russische Außenpolitiker Aleksej Puschkow das per Twitter weiter. Und er fügte hinzu, in ihrer "liberalen Besessenheit" könne Merkel sowohl Schengen als auch die Koalition zerstören.
    Seehofers Besuch vorab instrumentalisiert
    Der Staatssender "Rossija 24" instrumentalisierte Seehofers Moskau-Besuch schon im Vorfeld. Er berichtete über den Besuch des ukrainischen Staatspräsidenten, Petro Poroschenko, Anfang der Woche in Berlin. Poroschenko hatte gefordert, die Sanktionen gegen Russland aufrechtzuerhalten. Dazu der Reporter:
    "Das beeindruckt kaum noch jemanden, auch nicht die engsten Vertrauten Merkels. Der Premierminister Bayerns kommt nach Moskau und hat keine Hemmungen, das Ziel seiner Reise herauszustellen."
    Es folgte ein Ausschnitt aus einem ZDF-Interview, in dem Seehofer allerdings lediglich sagt, es gäbe ein Interesse, die Sanktionen aufzuheben, sobald das Minsker Abkommen vollständig umgesetzt sei – und das wiederum ist auch Merkels Meinung. Also – viel Wind um nichts?
    Präsident Putin hat gestern noch mit der Bundeskanzlerin telefoniert. Beide hätten unterstrichen, dass es zur Umsetzung des Minsker Abkommens keine Alternative gäbe, hieß es anschließend in einer Erklärung des Kreml. Das Telefonat kam, heißt es aus Berlin, auf Putins Wunsch zustande. Seine Ansprechpartner heißen Merkel und Steinmeier.