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Seen
Cyanobakterien und ihre Toxine

Schwimmer werden sie gut kennen: grünschmierige Schlieren, die sich an der Oberfläche vieler Seen sammeln. Das sind Cyanobakterien, die Gifte bilden. Menschen machen sie selten etwas aus - Tieren hingegen schon. Forscher versuchen herauszufinden, wofür die Bakterien die Gifte benötigen.

Von Katrin Zöfel | 04.08.2015
    Im Hochsommer sammeln sich besonders viele Cyanobakterien auf der Wasseroberfläche
    Im Hochsommer sammeln sich besonders viele Cyanobakterien auf der Wasseroberfläche (dpa/picture alliance/Stefan Sauer)
    "Das ist im Prinzip die große Frage, welche Funktion haben diese Toxine, wenn sie nicht gerade andere Leute zufällig vergiften,"
    Katharina Makower erforscht als Doktorandin an der Universität Potsdam die Biologie von Cyanobakterien. Genauer gesagt von Microcystis, einer Art, die massive Algenblüten verursachen kann und dabei Stoffe produziert, die für höhere Lebewesen giftig sind. Als gezielter Schutz gegen Fressfeinde kommen die Toxine nicht in Frage, sagt sie.
    "Weil es diese Toxine schon viel länger gibt, als irgendwelche Fraßfeinde überhaupt. Das ist eher ein Nebeneffekt, der zufällig noch mit stattfindet."
    Toxine haben eine Funktion
    Evolutionär gesehen müssen die Toxine also noch anderweitig sinnvoll sein, denn sonst hätten die Cyanobakterien sie wahrscheinlich gar nicht erst entwickelt. Elke Dittmann leitet die Forschergruppe, in der Katharina Makower arbeitet. Sie vermutet, "dass diese Toxine wahrscheinlich eine sehr, sehr wichtige Rolle spielen bei der Anpassung an die geringen Kohlendioxidmengen, die in solchen Blüten vorherrschen."
    CO², Kohlendioxid, ist für Pflanzen, Algen und Cyanobakterien ein Stoff, an dem häufig Mangel herrscht. Und das gilt besonders inmitten von einer Algenblüte, wo sich die Bakterien praktisch gegenseitig das wenige CO² streitig machen. Eigentlich müsste das allein schon dafür sorgen, dass es gar nicht erst zu solchen Blüten kommt. Doch die Cyanobakterien haben ihre Tricks.
    "Solche Blüten sind zusammengesetzt aus verschiedenen sogenannten Genotypen und dabei gibt es toxische Genotypen und nichttoxische Genotypen und der interessante Aspekt ist, dass diese toxischen und die nichttoxischen immer gemeinschaftlich auftreten."
    Die Bakterien, die das Toxin produzieren, kommen mit sehr niedrigen CO2-Werten aus, indem sie ihren Stoffwechsel zum Teil auf die Verwertung von Sauerstoff umstellen. Jene, die kein Toxin herstellen, brauchen dagegen höhere CO2-Werte im Wasser, können das Kohlendioxid dafür aber auch besonders gut nutzen, weil sie es sehr effizient aus dem Wasser aufnehmen. Innerhalb ein und derselben Art gelingt den Bakterien also eine echte Spezialisierung. Dabei spielt das Toxin eine zentrale Rolle: Es reguliert die Aktivität mehrerer Gene und einiger wichtiger Enzyme. Damit sich diese Spezialisierung auch für die Gemeinschaft lohnt, und wirklich hilft die Blüte als Ganzes in Gang zu halten, braucht es aber noch einen Trick.
    "Und zwar können die an der Oberfläche von Seen Kohlenhydrat-Ballast anlagern und sinken dadurch – durch dieses Gewicht, dass sie aufnehmen – in tiefere Regionen des Sees. Und sie besitzen Gasvesikel, die wenn diese Kohlenhydrate verbraucht sind, sie wieder nach oben bringen können.
    Cyanobakterien sind meist unbeweglich
    Eigentlich können sich Cyanobakterien nicht aktiv im Wasser bewegen, sie haben keine Flimmerhärchen oder Geißeln, mit denen sie sich antreiben könnten. Doch einige Cyanobakterienarten, die zu Algenblüten in der Lage sind, können so immerhin in der Wassersäule auf und absteigen. Diejenigen, die oben in den lichtreichen Wasserschichten kräftig Photosynthese betrieben haben, sinken quasi vollgefressen ab, während ihre ausgehungerten Kollegen von unten wieder aufsteigen. Kein Bakterium bleibt lange an einem Fleck, und auch die beiden Genotypen tauschen so immer wieder die Plätze. Unklar ist, ob und wie die beiden Spezialistengruppen ihre Bewegung koordinieren. Es zeichnet sich allerdings schon ab, dass das Toxin auch über das Wasser zwischen Bakterien als Botenstoff fungieren kann, also für Verständigung sorgt, sagt Katharina Makower.
    "Das passiert tatsächlich. Sie sind in der Lage, solche Signale zu empfangen."
    Es sind noch einige Fragen offen, aber sicher ist: Cyanobakterien sind ein Erfolgsmodell. Am Ende einer Saison findet Elke Dittmann bei ihren Probenahmen oft nur noch sie, alle anderen frei im Wasser schwebenden Algenarten sind verschwunden. Das bleibt dann solange so, bis es auch für die Cyanobakterien zu kalt wird. Im Sediment der Seen überdauern dann ein paar wenige – um im nächsten Sommer wieder zur großen Massenvermehrung auszuholen.