Freitag, 29. März 2024

Archiv


Sehen in der dritten Dimension

Mit 25 Spielen aus Südafrika, den X Games und NBA-Berichten läutet der Sportsender ESPN in den USA die Ära des neuen Fern-Sehens ein.

Von Jürgen Kalwa | 03.04.2010
    Es ist noch nicht so lange her, da riskierte der französische Regisseur Jean-Jacques Annaud seinen Ruf und sehr viel Geld im Rahmen eines verwegenen Projekts.

    Ein kurzer Kino-Film über einen Flugpionier, der in den 30er-Jahren über den Anden abgestürzt war. Das Vorhaben lebte weniger von der Story als von Annauds Begeisterung für ein unerforschtes Medium. 3D. Die perfekte Simulation des räumlichen Sehens.

    Das Projekt wurde zu einem einzigen Abenteuer. Die riesige doppeläugige IMAX-Kamera, von der es damals nur ein Exemplar auf der Welt gab, versagte regelmäßig den Dienst.
    Bei der Premiere fiel die Resonanz zwiespältig aus. Den Film selbst mochte sie durchaus, schrieb die Kritikerin der "New York Times". Die Frage, ob 3D die Zukunft sei, wolle sie gar nicht erst diskutieren. "Natürlich nicht, zumindest nicht, solange diese Brillengestelle nicht bequemer werden.”

    Das alles passierte 1995. Und fühlt sich doch bereits wie die Steinzeit im 3D-Geschäft an. Es gibt mehr 3D-taugliche Kinos denn je. Mehr 3D-Hollywood-Produktionen wie etwa der Kassenerfolg "Avatar”, der in gleich in 2 und in 3D gedreht wurde. Auch die nächste Entwicklung zeichnet sich in den USA ab. Sie bringt die dritte Dimension in die Wohnzimmer. Gleich zwei Programmanbieter – 3D-Pionier Sony-IMAX und der Sportsender ESPN wollen 3-D Fernsehen übers Kabelnetz einspeisen. Chuck Pagano, Executive Vice President for Technology bei ESPN:

    "Ob wir wollen oder nicht: Das kommt. Die Geräteindustrie hat damit angefangen. Wir reagieren nur."

    Die Premiere ist für die Fußball-Weltmeisterschaft vorgesehen. Der Sportsender ESPN, eine Tochterfirma des Disney-Konzerns, wird vom 11. Juni an 25 Spiele auf einem eigenen Kabelkanal ausstrahlen. Und zwar live. Was eine ziemliche Herausforderung ist. Der Programmplan bis zum Jahresende sieht noch 60 Termine vor: darunter Übertragungen von den "X Games", einem Event mit Nervenkitzel für die Skateboard-Generation, und Spiele aus der der Basketball-Liga NBA. Pagano möchte allerdings die Erwartungen an die Resultate nicht zu hoch schrauben.

    "Es ist noch kein lohnendes Geschäft. Ich nenne es ein Projekt, bei dem wir herausfinden, wie die wissenschaftlichen Prinzipien funktionieren. Wir wissen inzwischen, dass man nicht alles genauso aufnehmen kann wie mit einer 2D-Kamera. Der Blick von oben im Stadion hinunter auf das Spielfeld ist in 3D genauso langweilig wie in 2D.”"

    Dort wo 3D Sport um eine Dimension faszinierender darstellen kann, geht es um die Verbildlichung von Tiefe und Struktur. Pagano sah neulich Aufnahmen von einem Profi-Golfturnier und war begeistert:

    ""Die Bilder haben mich gefangengenommen. Das sah frisch aus. Man sah plötzlich die Geometrie des Platzes ganz plastisch, die Hügel und die Böschungen. Das siehst du in 2D nicht."

    Die 3D-Entwickler marschieren an jeder Front mit Sieben-Meilen-Stiefeln voran. Bei den Fernsehapparaten, die seit wenigen Tagen in den USA in den Handel kommen oder bei den DVD-Abspielgeräten, für die sich vor allem die Entwickler von Videospielen interessieren. Für das Jahresende angekündigt ist bereits ein nur sechs Pfund schwerer steroskopischer Camcorder mit zwei Linsen für den ambitionierten Amateur. Die Videokamera wird stattliche 21.000 Dollar kosten. Wohin die Reise geht, lässt sich bereits erkennen. Die Industrie arbeitet an Bildschirmen, die 3D zeigen, für die man keine zweifarbigen Spezialbrillen mehr braucht.