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Seismologie
Erdbebenrisiko am Lake Oroville

Erst kürzlich drohte der Staudamm des Lake Oroville wegen der hohen Wassermassen zu brechen. Nun warnen Seismologen vor einer neuen Gefahr. Sie befürchten, dass unter dem Stausee ein induziertes, also menschgemachtes Erdbeben entstehen könnte.

Von Karl Urban | 21.02.2017
    Große Wasser-Massen fließen über einen beschädigten Überlauf-Kanal aus dem Oroville-Stausee.
    Die Wassermassen am Lake Oroville haben das Erdbebenrisiko ansteigen lassen. (JOSH EDELSON / AFP)
    Anfang Februar steigt der Pegel von Lake Oroville im Norden Kaliforniens rapide an. Zeitweise fließen über fünf Millionen Liter pro Sekunde in den Stausee, weit mehr als über die Wasserturbinen abgeführt werden kann. Zwar öffnen Ingenieure den für solche Fälle vorgesehenen Überlauf. Doch dessen betoniertes Bett nimmt Schaden und das Wasser spült seitlich immer mehr Gestein fort.
    Zum ersten Mal in den letzten 50 Jahren wird das Wasser nun stattdessen über einen Notüberlauf geleitet, der aber nicht betoniert und noch anfälliger gegenüber Erosion ist. Da nicht auszuschließen ist, dass die ganze Dammstruktur unterspült wird, werden stromabwärts vorsorglich 180.000 Menschen evakuiert. Das Wasser ist aber nur eine Gefahr, die derzeit vom Lake Oroville ausgeht.
    "In letzter Zeit gab es in den USA zwar nicht viele von Stauseen induzierte Erdbeben. Aber die Überwachung ist uns wichtig, sowohl aus wissenschaftlicher Sicht als auch wegen der Gefahren, die daraus erwachsen können"
    Lake Oroville ist ein Sorgenkind der Seismologen
    Justin Rubinstein beschäftigt sich beim Erdbebendienst US Geological Survey mit den induzierten, also menschgemachten Erdbeben. Und unter den tausenden und überwiegend unauffälligen Stauseen der USA ist ausgerechnet Lake Oroville ein Sorgenkind der Seismologen.
    "Der Oroville-Damm wurde ab 1967 zum ersten Mal gefüllt. Die ersten Erdbeben wurden 1975 registriert, darunter eines der Magnitude 5,7. Das war zwar gut acht Jahre später, aber in einer Zeit, als sich der Pegel des Sees sehr stark änderte."
    Weltweit sind induzierte Erdbeben bis heute ein seltenes und schwer zu erforschendes Phänomen. Denn ob der Mensch ein Beben ausgelöst hat oder ob die Erde sowieso natürlicherweise gebebt hätte, ist selten genau zu sagen. Anerkannt sind aber zwei Mechanismen, wie ein abwechselnd schnell gefüllter und entleerter Stausee das Gestein tief darunter beeinflussen kann.
    "Wenn Sie große Wassermassen anhäufen, ändert sich die Belastung auf das Gestein darunter. Zusätzlich ist das Bett eines Stausees nie völlig dicht und ein Teil des Wassers sickert ins Gestein darunter. Wenn sich nun der Stausee füllt, steigt der Porendruck in den Verwerfungen im Gestein – und wenn dann der Druck wieder nachlässt, weil der Pegel sinkt, entsteht eine Situation, die die Entstehung von Erdbeben begünstigt."
    Forscher sind nach starkem Regen nervös
    Zwar war die Erde rund um Lake Oroville die letzten zwei Jahrzehnte ruhig. Aber durch eine anhaltende Dürre war der See noch Anfang Januar nur halb gefüllt – und lief nun innerhalb weniger Wochen randvoll, was die Forscher nervös macht. Denn schon die letzte Bebenserie vor 40 Jahren begann, nachdem das Reservoir in rascher Folge gefüllt und wieder entleert worden war. Diese Erfahrung war Grund genug für die Seismologen, jetzt aktiv zu werden.
    "Viele der Seismometer in der Gegend sind schon etwas älter. Wir strengen uns jetzt an, sie entweder zeitweise technisch aufzurüsten oder zumindest die Datenübertragung zu reparieren, die bei den schweren Regenfällen während des letzten Monats Schaden genommen hat. Dadurch waren einige Stationen ausgefallen."
    Ob ein stärkeres Erdbeben wie das von 1975 ernsthafte Auswirkungen auf den Damm hätte, gilt als unwahrscheinlich, immerhin treten Erdstöße in dieser Gegend Kaliforniens ohnehin immer wieder auf. Aber für Seismologen war der rapide gefüllte Oroville-Stausee ein Warnsignal, neben einer möglichen Überflutung auch das Erdbebenrisiko nicht aus den Augen zu verlieren.