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Seismologie
Unter der Eifel brodelt es

Es muss nicht Island oder Italien sein: Auch die Eifel ist ein Vulkangebiet. Derzeit ist es dort ruhig. Aus der Sicht von Geologen ist die Ruhe allerdings trügerisch: Tief unter der Eifel rumort und bebt es.

Von Karl Urban | 24.09.2014
    Über Nebelschwaden geht die Sonne am Montagmorgen (23.07.2007) über Üxheim in der Vulkaneifel an der Landesgrenze von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz auf.
    Trügerische Ruhe: Ein nebliger Morgen in der Vulkaneifel (picture alliance / dpa / Gero Breloer)
    Vor 12.900 Jahren kommt es in der Osteifel zur Katastrophe. Magma steigt aus dem tiefen Erdinneren auf, mitten hinein in eine dicke Grundwasserschicht. Das Wasser dehnt sich explosionsartig aus - und es folgt einer der schwersten vulkanischen Ausbrüche in Europas geologischer Geschichte, bei dem die Asche bis nach Südschweden geschleudert wird. Im Krater dieses Ausbruchs liegt heute der Laacher See zwischen Koblenz und Bonn. Nur vereinzelt empor sprudelnde Gasbläschen erinnern daran, dass der Vulkan zwar ruhig, aber längst nicht erloschen ist.
    "Der Eifel-Vulkanismus ist noch aktiv. Die letzten Eruptionen liegen zwar 11.- bis 12.000 Jahre zurück. Aber es gibt immer noch vulkanische Gase, die austreten. Wir sehen neuerdings auch eine leichte seismische Aktivität. Man weiß eben von solchen Vulkanfeldern, dass sie sich über mehrere Zehntausend Jahre entwickeln. Und von daher sind wir wahrscheinlich eher in der Mitte einer größeren Eruptionsphase als am Ende."
    Joachim Ritter ist Seismologe am Karlsruher Institut für Technologie. Er untersucht die Erdbeben, die unter den Vulkanen der Eifel stattfinden. Fast immer sind die Erschütterungen so schwach, dass nur hochgenaue Messgeräte sie überhaupt registrieren können. Es sind sogenannte tektonische Beben: Also Erschütterungen, die lediglich mit Spannungen in der Erdkruste zu tun haben und die selten tiefer als 20 Kilometer entstehen. Denn nur in dieser flachen Tiefe kann das Gestein brechen. Im September 2013 allerdings registrierten Seismologen unter der Eifel eine extrem schwache Erschütterung. Es ist das tiefste Erdbeben, das jemals unter Deutschland gemessen wurde.
    "Tief heißt: Sie waren unterhalb der Kruste, wo wir normalerweise die Erdbeben haben. Jetzt wurden hier auf einmal Tiefen von 40 Kilometern für zwei ganz schwache Erdbeben bestimmt."
    Beben 40 Kilometer tief
    Die zwei Erschütterungsherde lagen fast doppelt so tief wie gewöhnliche Erdbeben. Hier aber dürfte es gar nicht beben. Denn das Gestein kann hier nicht mehr spröde zerbrechen wie ein Tonkrug, der zu Boden fällt. Das Gestein ist heiß und müsste so weich und biegsam sein wie Brotteig.
    "In dieser Tiefe, 40 Kilometer, haben wir Temperaturen von über 900 Grad unter der Eifel. Diese große Temperatur bedingt eigentlich, dass sich das Material eher duktil verformt und nicht mehr ein Sprödbruch ist. Das heißt, wir brauchen jetzt einen anderen Mechanismus, um diese Beben zu erklären."
    Und dieser Mechanismus hängt vermutlich mit dem letzten großen Ausbruch des Laacher-See-Vulkans zusammen.
    "Wenn man weiß, dass es in der Eifel Vulkanismus gibt, heißt das auch, dass es dort im Mantel große Schmelzmengen gibt. Die haben wir auch nachgewiesen. Die Frage ist jetzt, ob sich da eventuell im Moment irgendwelche Schmelzen bewegen und dadurch zum Beispiel kleinste Erschütterungen auslösen."
    Das Magma unter der Eifel scheint also unterwegs zu sein - allerdings in sicherer Tiefe. Joachim Ritter will sich nun die Bewegung des Magmas mit mehreren Kollegen genauer ansehen. Dafür bauen sie ein Netz von neuen Messstationen auf: Zwölf mobile Seismometer sind bereits auf dem Weg, von Erdbebenforschern aus Karlsruhe, Potsdam und Mainz. Die Geräte sind weit genauer als das gewöhnliche seismische Messnetz in der Eifel. Damit wollen die Forscher in den nächsten zwei Jahren noch mehr Tiefenbeben aufspüren, um die derzeit ruhenden Vulkane besser verstehen zu können. Joachim Ritter:
    "Wir haben es hier wirklich mit Prozessen zu tun, wo man in tausend, zehntausend oder sogar noch mehr Jahren rechnen muss. Wenn ich jetzt sage, es wird dort wieder einen Ausbruch geben, beziehe ich mich also auf die nächsten zehn- bis zwanzigtausend Jahre."