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Selbsternannter Glaubenskrieger

Am 6. November 1632 nach dem julianischen Kalender fiel der Schwedenkönig Gustav II. Adolf in der Schlacht bei Lützen. Sein früher Tod, der Monarch war erst 38 Jahre alt, ließ den "Glaubenskrieger in evangelischer Sache" zwar rasch zum Idol der Protestanten werden, in Wirklichkeit aber hatte der junge, ehrgeizige und machthungrige Mann nur einem einzigen Ziel gedient: seinem Traum vom großschwedischen Reich mit der absoluten Herrschaft über die Ostsee.

Von Klaus Kühnel | 06.11.2007
    "Die Schweden sind gekommen, haben alles mitgenommen,
    haben' s Fenster eingeschlagen, haben' s Blei davongetragen,
    haben Kugeln draus gegossen und die Bauern erschossen."

    So sangen die Kinder während des 30-jährigen Krieges - falls sie dazu noch Zeit hatten, denn die evangelisch gesinnten Soldaten mit der fremden Sprache fackelten nicht lange, wenn es galt, Beute zu machen oder einem Besiegten Mores zu lehren. Sie unterschieden sich darin nicht von den katholischen Truppen des Kaisers. Beide kannten keine Gnade, wenn es galt, für den rechten Glauben zu streiten. Dabei hatte Jacob Fabricius, der Haus-, Hof- und Feldprediger Gustav Adolfs, noch im April 1632 die Soldaten der Krone zur Mäßigung aufgerufen, indem er ihnen vorhielt:

    "Es ist nicht billig oder christlich, die Menschen falschen Glaubens abzuschlachten, zu töten oder auszurotten, einzig ihres falschen Glaubens und ihrer falschen Lehre wegen."

    Gustav Adolf, selbsternannter "Glaubenskrieger in evangelischer Sache", glaubte nicht nur an Gott, sondern auch an sich selbst und träumte davon, das eigentlich unbedeutende Schweden zu einer Großmacht von europäischem Rang zu entwickeln. Als sein Vater am 9. November 1611 starb, war der Sohn zwar erst 17 Jahre und nicht einmal volljährig, aber trotzdem bestieg er als Gustav II. Adolf den Thron Schwedens, reformierte hastig Heer, Finanzen, Rechtspflege und Verwaltung, zog durch neue Privilegien den Adel auf seine Seite und gewann nebenbei drei Kriege: gegen Dänemark, gegen Russland, gegen Polen. All diese Kämpfe dienten seinem erklärten Ziel: Schweden sollte Großmacht werden und über die Ostsee herrschen, was Gustav Adolf auf die Formel brachte:

    "Dominium Maris Baltici."

    Deshalb kam es dem Schweden mehr als gelegen, dass die kaiserlichen Truppen seinen evangelischen Glaubensgenossen im Heiligen Römischen Reich eine Niederlage nach der anderen zufügten. So konnte er für sie zum Retter in der Not werden, aber erst als die protestantischen Fürsten am Boden lagen, griff er in den Kampf ein. Mit Ross und Reitern landete er am 5. Juli 1630 auf der Insel Usedom, fand aber so recht keine Verbündeten, denn die protestantischen Fürsten von Brandenburg und Sachsen waren neutral, wollten es auch bleiben und waren über die brutale Kriegsführung der Schweden entsetzt. Als der kaiserliche General Tilly jedoch die evangelische Stadt Magdeburg erobert und in Schutt und Asche gelegt hatte, gaben die Fürsten ihre Vorbehalte auf und ließen sich zu einem Bündnis mit Gustav Adolf bewegen. Plötzlich, nach 13 Jahren der Niederlagen, siegten die evangelischen Heere am 17. September 1631 bei Breitenfeld in der Nähe von Leipzig. Der Jubel auf protestantischer Seite war ungeheuer:

    "Gustav Adolf, Christ und Held, rettete bei Breitengfeld Glaubensfreiheit für die Welt!"

    Was die Jubler nicht wussten: Gustav Adolf hatte inzwischen auch einen heimlichen Verbündeten gewonnen: das katholische Frankreich. Nun scheint sich das Blatt zu wenden: Die Schweden dringen bis nach Bayern vor, schlagen Tilly am Lech, besetzen Nürnberg, werden jedoch von dem kaiserlichen Feldherrn Wallenstein nach Sachsen zurückgedrängt. Hier wird nach dem alten Kalender am 6. November 1632 bei Lützen eine entscheidende Schlacht geschlagen. Es gibt weder einen eindeutigen Gewinner noch einen deutlichen Verlierer, aber Gustav Adolf fällt im dichtesten Kampfgewimmel.

    "Der König aber wehrt sich und löst beide Pistolen auf seinen Feind, indem wird er mit etlichen Schüssen getroffen, also dass er vom Pferd gesunken, bleibt aber im Stegreif hängen, während das Pferd flieht. Interim sind die Reiter neben ihm her, stechen und schießen auf ihn ein, also dass er elf Schuss und Stich gehabt. Als die Nacht anbrach, und der Schlacht ein Ende setzte, wich Wallenstein. Erst am nächsten Morgen suchten und fanden die Schweden den Leichnam ihres Königs, ausgezogen, im Hemde und von Pferden zertreten und so entstellt, dass er kaum zu erkennen war, brachten ihn vom Felde und ließen ihn balsamieren."

    In stiller Trauer wird der tote "Löwe aus dem Norden" nach Stockholm gebracht und in der Riddarholmskirche beigesetzt. Sein Grabmal erhält die Inschrift:

    "In Bedrängnis begann er / Frömmigkeit liebte er / Die Feinde unterwarf er / Das Reich mehrte er / Die Schweden erhob er / Geknechtete befreite er / Sterbend siegte er."

    Das entsprach zwar nicht ganz der Wahrheit, aber da Schweden am Ende des Dreißigjährigen Krieges zu den Siegermächten zählte, erfüllte sich, wenn auch nur für 60 Jahre, der Traum Gustav Adolfs von einem großschwedischen Reich, das die Ostsee beherrschte.