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Selbstreinigend und kratzfest
Stabile Lotus-Schicht entdeckt

Im Fachjournal "Science" präsentiert ein chinesisch-britisches Forscherteam nun ein Material, das sowohl wasserabweisend als auch selbstreinigend ist – und dennoch stabil auf einer Oberfläche haftet. Anregen ließen sich die Wissenschaftler durch Mutter Natur, genauer gesagt durch die wundersamen Fähigkeiten einer Pflanze.

Von Frank Grotelüschen | 06.03.2015
    Eine Lotusblume blüht am Samstag (19.08.2006) in einem Wasserbecken im Botanischen-Garten in Bochum.
    Die Lotuspflanze gilt als das natürliche Vorbild für wasserabweisende und selbstreinigende Materialien. (picture-alliance/ dpa / Horst Ossinger)
    Ihre Blätter sind tellergroß, schwimmen auf Teichen und Seen und werden auch bei Dauerregen nie so richtig nass: Seit jeher gilt die Lotuspflanze als das natürliche Vorbild für wasserabweisende und selbstreinigende Materialien. Folgerichtig sprechen Fachleute wie Ivan Parkin vom University College London vom Lotuseffekt.
    "Gerät Wasser auf das Blatt, bildet es kleine runde Tröpfchen. Und diese Tröpfchen perlen dann einfach vom Blatt ab. Bei diesem Abperlen reißen die Tropfen Schmutz mit sich, und auch Viren und Bakterien. Und damit reinigt sich die Oberfläche des Lotusblatts von selbst."
    Zwei Gründe stecken hinter dieser wundersamen Fähigkeit: Zum einen besteht die Oberfläche aus wachsähnlichen Molekülen. Und die sind im Gegensatz zu Wasser komplett unpolar, weshalb sich beide nicht besonders mögen. Zum anderen sind die Oberflächenmoleküle des Lotusblatts aber auch zu nanometerkleinen Noppen geformt. Diese Noppen begrenzen die Kontaktfläche zwischen Tropfen und Schicht auf ein Minimum – was den wasserabweisenden Effekt zusätzlich verstärkt. Zwar wurden in Vergangenheit schon oft Beschichtungen entwickelt, die nach dem Lotuseffekt funktionieren. Aber:
    "Die selbstreinigenden Oberflächen, die man bisher hergestellt hatte, waren nicht gerade stabil. Meist lassen sie sich ziemlich leicht abkratzen. Unsere Oberfläche dagegen ist viel widerstandsfähiger. Man kann mit Schmirgelpapier auf ihre herumreiben, und sie funktioniert trotzdem noch."
    Schicht ist stabil und haltbar
    Als Grundierung verwenden Parkin und seine Kollegen einen Flüssigkleber zum Aufsprühen. Auf diese Kleberschicht bringen sie spezielle Nanoteilchen auf – Titandioxid, überzogen mit einer dünnen wachsartigen Schicht. Es entsteht eine Struktur aus Nano-Noppen, auf der kein Wassertropfen Fuß fassen kann. Als Beweis präsentiert die Forschergruppe ein beeindruckendes Zeitlupen-Video: Wassertropfen, wie Gewehrsalven auf eine Schicht geschossen, werden dort nicht wie üblich zu Pfannkuchen zusammengedrückt, sondern springen zurück wie winzige Gummibälle. Doch das ist noch nicht alles:
    Unsere Beschichtung ist nicht nur wasserabweisend, sondern mag auch kein Öl. Und das bedeutet, dass sich auch kein Öl- und Fettfilme auf unserer Beschichtung bilden können. Und das ist ziemlich ungewöhnlich."
    Potenzial für einen riesigen Markt
    Und warum ist die Schicht so stabil und haltbar? Nun – versucht man sie per Schmirgelpapier oder Fingernagel zu malträtieren, können die Titanteilchen einfach ein Stückchen in die weiche Kleberschicht eintauchen und sich dadurch unter der mechanischen Belastung wegducken.
    "Es sind viele Anwendungen denkbar: Als Schutzfarbe gegen Schimmelbewuchs. Für selbstreinigendes Glas. Als Beschichtung gegen das Beschlagen von Spiegeln und Brillen. Und natürlich für wetterfeste Bekleidung – potenziell ein riesiger Markt."
    Klingt vielversprechend, auch und gerade für die Industrie. Bleibt also die Frage: Wann könnte es das Ganze zu kaufen geben?
    "Die Markteinführung könnte schon bald kommen, um ehrlich zu sein. Wir müssen noch zeigen, dass man das Material auch in großen Mengen herstellen kann. Im Moment sind wir nur in der Lage, eine Fläche von der Größe einer Badezimmerkachel zu beschichten. Und nun müssen wir herausfinden, wie man auch größere Flächen behandeln kann. Doch wir sind ziemlich optimistisch, dass aus der Sache was wird."