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Selektive Farbkontrolle
Stinkwanzen mit Sonnenschutz

Stinkwanzen werden in der Landwirtschaft zum Beispiel zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt und gezüchtet. Forscher kennen und untersuchen sie seit Jahren. Trotzdem wurde nun noch ein bisher unbekanntes Detail entdeckt: Die Farbe der Wanzen ist keineswegs zufällig.

Von Lucian Haas | 24.07.2015
    Ein Glasbehälter mit Bettwanzen
    Wanzen in einem Glasbehälter (AFP / Stan Honda)
    Die Eier der räuberischen Stinkwanze 'Podisus maculiventris' haben es dem kanadischen Biologen Paul Abram von der Universität von Montreal angetan. Da ist zum einen ihre Ästhetik.
    "Es sind wunderschöne kleine Eier. Sie sind runder und kleiner als ein Reiskorn. Und sie kommen in einer breiten Farbpalette daher – von blass gelb bis dunkel-metallic braun."
    Sein tieferes Interesse als Forscher erregten die Eier allerdings erst, als Paul Abrams feststellte, dass Stinkwanzen die Färbung ihrer Eier gezielt ändern können – und zwar abhängig davon, wohin sie sie legen. Es war eine eher zufällige Entdeckung.
    "Ich war zu Besuch in einem anderen Labor. Dort nutzten die Forscher Zeitungspapier als Unterlage für die Eiablage der Wanzen. Ich bemerkte, dass die Eier auf den dunkler bedruckten Bereichen des Papiers wie beispielsweise den Kästchen von Kreuzworträtseln dunkler waren als auf den hellen."
    Paul Abrams Neugier war geweckt. Zurück in seinem eigenen Labor begann er mit einer Reihe von Experimenten. Er bot den Stinkwanzen hell wie dunkel gefärbte Unterlagen zur Eiablage an. Er setzte die schon abgelegten Eier unterschiedlichen Lichtverhältnissen aus. Er verglich auch, inwiefern sich Farbunterschiede ergeben, wenn die Eier auf einer Blattoberseite oder über Kopf an der Unterseite eines Blattes abgelegt werden. Aus der Vielzahl der dabei gemachten Beobachtungen ergab sich für ihn nur eine plausible Erklärung, woran die Stinkwanzen die Färbung ihrer Eier ausrichten.
    Kein Melanin gefunden
    "Entscheidend ist, wie hell eine Stinkwanze die Oberfläche der Eiablage wahrnimmt im Verhältnis zur Umgebung. Wenn beispielsweise eine Stinkwanze auf der Unterseite eines Blattes hockt, durch das die Sonne hindurch scheint, kommt für sie vom Blatt her mehr Licht als vom Boden. Legt sie hingegen ihre Eier auf die Blattoberseite, so erscheint der Himmel über ihr im Vergleich zur Ei-Ablagefläche viel heller, denn von der Blattoberfläche kommt nur sehr wenig Licht."
    Je dunkler die Stinkwanzen eine Oberfläche im Verhältnis zum Umgebungslicht wahrnehmen, desto mehr Farbpigmente geben sie ihren Eiern mit auf den Weg. Das macht auch Sinn. Denn die Pigmente schützen die Eier vor schädlichen UV-Strahlen. Warum die Tiere nicht grundsätzlich alle abgelegten Eier dunkler färben, darüber können Paul Abram und Kollegen bisher nur spekulieren.
    "Wir haben verschiedene Hypothesen. Eine ist, dass die Pigmentproduktion sehr energieaufwendig ist. Es könnte sich für die Wanzen lohnen, einen Teil ihrer Eier dort abzulegen, wo sie diesen Preis nicht zahlen müssen. Im Grunde nutzen sie dann das Blatt anstelle des Pigments als Sonnenschutz."
    Ihre größte Überraschung erlebten die Forscher, als sie klären wollten, mit welchem Pigment die Stinkwanzen denn ihre Eier bestücken.
    "Wir gingen fest davon aus, dass es Melanin wäre. Melanin ist im Grunde bei allen Tierarten, die wir kennen, für dunkle Färbung verantwortlich. Auch im menschlichen Haar kommt Melanin vor. Melanin schützt auch vor UV-Strahlen. Als wir aber die Ergebnisse der biochemischen Analyse erhielten, zeigten sie völlig unerwartet: keine Spur von Melanin."
    Welches Pigment die Stinkwanzen tatsächlich zum Eierfärben nutzen, ist noch ein Rätsel. Für Paul Abram aber ein Grund mehr, sich in Zukunft noch intensiver mit der faszinierenden Biologie der Stinkwanzen zu beschäftigen.