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Seltene Krankheiten
Wenn Forschung nicht lukrativ ist

In Deutschland leiden vier Millionen Menschen an einer von geschätzten 8.000 seltenen Krankheiten. Statistisch kommen damit auf jede Diagnose nur 500 Patienten. Medikamente oder anderweitige Unterstützung gibt es für die Betroffenen nur selten - aus einem simplen Grund: Die Erforschung lohnt sich finanziell nicht. Das möchte die EU ändern.

Von Mirko Smiljanic | 28.02.2016
    Ein Arzt hält Tabletten in der Hand.
    Traurige Realität: Für pharmazeutische Firmen lohnt die Entwicklung von Blockbuster-Medikamenten gegen Bluthochdruck und Diabetes, nicht aber die Entwicklung eines Nischen-Medikaments für einige wenige Patienten. (imago/STPP)
    Universitätsklinikum Essen, Station K 2 der Kinderklinik.
    "Hier auf dieser Station finden sich insbesondere Kinder mit seltenen neurologischen Erkrankungen wie zum Beispiel der kindlichen Myasthenia gravis."
    PD Dr. Corinna Grasemann, Kinderärztin und Koordinatorin des 'Essener Zentrums für seltene Erkrankungen'.
    "Hier befinden sich Patienten mit sehr seltenen Erkrankungen der Leber, die zum Teil eine Lebertransplantation hier bekommen und dann nach der Intensivtherapie hier auf der Station weiter behandelt werden."
    Helle Farben dominieren die Station, links öffnen sich breite Türen zu einem großen Aufenthaltsraum für Eltern und Kinder, die Zimmer der jungen Patienten sind - wo immer es geht - kindgerecht gestaltet.
    "Der Ole ist ein jetzt dreijähriger Junge, der eine extrem seltene Erkrankung im Knochenstoffwechsel hat, diese Erkrankung betrifft nicht ausschließlich den Knochenstoffwechsel, aber das ist der Teil der Erkrankung, der die größten Probleme macht. Er bekommt hier seine Infusionstherapie, das bekommt er zurzeit einmal monatlich und muss dann jeweils zwei bis drei Tage hier im Krankenhaus bleiben."
    Natürlich mit seiner Mutter, die den aufgeweckten Jungen in ihren Armen hält. Neugierig greift Ole nach dem Mikrofon, lacht und winkt mit den Händen – aber er sagt nichts. Das kindliche Paget-Syndrom – vermutlich gibt es weltweit nur zehn vergleichbare Fälle – beeinträchtigt nicht nur seinen Knochenstoffwechsel.
    "Ole ist zusätzlich gehörlos bedingt durch die Krankheit, wir lernen als Familie komplett die Gebärdensprache, das sind natürlich Umstellungen und Umstände, die das Ganze nicht erleichtern im Alltag, das ist manchmal sehr schwierig, auch mit dem Umfeld, dass die damit klarkommen."
    Marlies Nadermann-Peitz, Oles Mutter.
    "In der Schwangerschaft bekam ich auf einmal Wehen frühzeitig und da wurde im Ultraschall festgestellt, dass er einen gekrümmten Oberschenkelknochen hat, da ging das Ganze dann los, dass vermutet wurde, dass irgendetwas im Argen ist, vorher war mit der Schwangerschaft alles in Ordnung. Nach der Geburt wurde dann alles Mögliche in meiner heimatlichen Klinik angestellt, um herauszufinden, was er hat, aber da kamen wir irgendwann nicht zu einem Ergebnis. Er ist im Oktober geboren und bis Januar haben wir praktisch rumgedoktert, vier Monate, und er war viel am weinen, und man wusste halt nicht, warum."
    "Wir wissen nicht, wie wir die Therapien steuern sollen"
    Verzweifelt suchen Oles Eltern im Internet nach Experten für frühkindliche Knochenkrankheiten und werden schließlich am Universitätsklinikum Düsseldorf fündig.
    "Dort waren wir ein Jahr in Behandlung, und da die Ärzte dort irgendwann auch nicht mehr weiter wussten, wurde Ole auf einem Kongress vorgestellt als Fall, und da hat sich Dr. Grasemann gemeldet hier aus der Uniklinik Essen und gesagt, ich hab schon mal sowas Ähnliches gehabt, seitdem sind wir hier in Essen, seit anderthalb Jahren."
    "Die Erkrankung ist nicht gut erforscht, wir wissen nicht, wie wir die Therapien steuern sollen, das ist alles eine Reise des behandelnden Arztes mit der Familie, da muss man gemeinsam ausprobieren. Was hilft dem Kind? Welche Dosis ist für das Kind richtig? Kinder entwickeln sich, sie wachsen, dann muss man die Dosis verändern, da muss man vielleicht auch mal ein anderes Medikament – ich möchte fast mal sagen – versuchen, um zu sehen, ob das vielleicht den Knochenstoffwechsel besser kontrolliert."
    So schwierig die Situation auch sein mag, Oles Eltern können sich glücklich schätzen. Sie haben im "Essener Zentrum für seltene Erkrankungen" – eines von mittlerweile bundesweit 23 vergleichbaren Zentren – eine Diagnose für das Leiden ihres Sohnes bekommen - und mit der Diagnose den Ansatz einer Therapie. Sehr viele Patienten hören den Namen ihrer seltenen Krankheit erst nach einer jahre- bis jahrzehntelangen Odyssee durch Arztpraxen und Kliniken, viele erfahren ihn überhaupt nicht. Patienten mit seltenen Erkrankungen seien 'Waisen der Medizin', so Eva Luise Köhler, die Ehefrau des ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler, die sich seit Jahren für diese Patienten einsetzt. Ende Februar rückt der internationale Aktionstag "Rare Disease Day" die Interessen von Menschen mit seltenen Erkrankung in den Mittelpunkt.
    "Eine seltene Erkrankung ist so definiert, dass es ein Patient auf 2.000 Einwohner sein kann, also nicht mehr, eher weniger, und das heißt, fünf Betroffene bei 10.000."
    Professor Jürgen Schäfer, Leiter des Zentrums für unerkannte und seltene Erkrankungen am Universitätsklinikum Marburg.
    "Man muss wissen, die Zahl eins pro 2.000 Einwohner ist zwar sehr gering, aber die Gesamtzahl der seltenen Erkrankungen wird auf 7.000 bis 8.000 geschätzt, sodass die gesamte Gruppe der an seltenen Erkrankungen Betroffenen mit vier Millionen Menschen alleine in Deutschland relativ groß ist."
    Zum Vergleich: Die Zahl häufig auftretender Krankheiten schätzen Mediziner auf rund 30.000. Wie viele seltene Erkrankungen es tatsächlich gibt, weiß niemand, sicher ist nur, dass mit jedem Fortschritt in der Gendiagnostik immer mehr seltene Krankheiten entdeckt werden.
    "Das sind häufig angeborene genetisch bedingte Erkrankungen, man geht davon aus, dass 80 Prozent der seltenen Erkrankungen angeboren sind, häufig auch schon Erkrankungen, die im Kindes- und Jugendalter auffallen, aber es gibt auch eine ganze Reihe seltener Erkrankungen, die sich erst im Erwachsenenalter manifestieren."
    Zusammenarbeit der unterschiedlichsten Disziplinen erforderlich
    Pick-Krankheit oder Morbus Hirschsprung – Namen, die kaum jemand kennt. In Deutschland leiden vier Millionen Menschen an einer der geschätzten 8.000 seltenen Krankheiten, europaweit sind es 35 Millionen. Statistisch kommen in der Bundesrepublik auf jede Diagnose nur 500 Patienten. Weil es viele 'ultraseltene Krankheiten' gibt, sind die Zahlen aber teilweise noch geringer. Mit Ole zum Beispiel leiden nur etwa zehn Kinder am kindlichen Paget-Syndrom – weltweit. Zahlen, die deutlich machen, wie schwierig eine gute medizinische Versorgung dieser Patienten ist.
    "Die Experten für seltene Erkrankungen verteilen sich über ganz Deutschland, sie sind oft nicht gut bekannt."
    Karl Lauterbach, Professor für Gesundheitsökonomie und klinische Epidemiologie sowie stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion.
    "Daher ist es für jeden einzelnen Patienten schwierig, die richtige Behandlung zu finden. Oft dauert es Jahre, bis man mit einer seltenen Erkrankung jemanden gefunden hat, der mit der Erkrankung, an der man selbst leidet, viel Erfahrung hat."
    Niedergelassene Mediziner, die erste Anlaufstelle kranker Menschen, tun sich wegen der hohen Zahl seltener Krankheiten besonders schwer – so die Professorin Stefanie Weber, Sprecherin des Zentrums für seltene Erkrankungen am Uniklinikum Essen.
    "Weil eben alle Organsysteme im Grunde betroffen sein können, bräuchte der niedergelassene Arzt einen Überblick über diese Vielzahl von mehreren tausend verschiedenen Krankheiten, die er selber aber in seinem Praxisalttag wahrscheinlich niemals sehen wird, bis auf eben diese spezielle Situation des Einzelfalls. Das kann in der Regel auch ein niedergelassener Kollege im normalen Alltag auch nicht leisten, dafür sind wir dann die Ansprechpartner."
    Mit "wir" meint sie die 23 Zentren für seltene Erkrankungen, die mittlerweile an großen Kliniken gegründet worden sind. Dass sich ausschließlich Krankenhäuser der Maximalversorgung diesen Patienten widmen, hat logistische und finanzielle Gründe. Seltenen Krankheiten auf die Spur zu kommen erfordert multidisziplinäres Denken: Internisten und Neurologen, Kinder- und HNO-Ärzte, Dermatologen und Humangenetiker – sie alle müssen zusammenarbeiten. Universitätskliniken bieten dafür gute Voraussetzungen. Sie verfügen über eine breite Expertise, und sie verfügen über die notwendigen finanziellen Ressourcen – auch wenn für den SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach die Situation verbesserungswürdig ist.
    "Die Zentren selbst sind wenig vernetzt und die Finanzierung der Zentren ist zum Teil eine Mischfinanzierung. Das ist ganz klar, wenn ich eine seltene Krankheit behandle, dann habe ich wenige Patienten mit dieser Erkrankung, dann kann ich auch nicht so viel Einkommen mit diesen Patienten generieren, als wenn ich eine sehr häufige Krankheit behandle, von daher ist die Struktur noch nicht so gut, wie sie sein müsste."
    Arztpraxen und Kliniken verdienen zudem mit aufwendiger Apparatemedizin und operativen Eingriffen das meiste Geld, der Einsatz von Zeit dagegen entpuppt sich fast immer als unrentabel. Viel Zeit für Gespräche und das Lesen von Akten ist aber notwendig, um zum Beispiel einem 50-Jährigen zu helfen, der seit 40 Jahren an unklaren Symptomen leidet. Die Suche nach der Nadel im Heuhaufen sei mühsam und teuer, so Stefanie Weber.
    "Viele Zentren für seltene Erkrankungen haben eine unsichere Finanzierung, es gibt hier keine klaren Regelungen, wie die Zentren letztlich finanziert werden, wir haben das Glück, dass wir am Essener Zentrum für seltene Erkrankungen von unserer Fakultät hier gut unterstützt werden, dass ein großes Interesse besteht, hier auch kontinuierlich arbeiten zu können."
    Diese Probleme sind nicht neu und haben Anfang 2010 zur Gründung des Nationalen Aktionsbündnisse für Menschen mit Seltenen Erkrankungen geführt. NAMSE – so sein Kürzel – ist ein Zusammenschluss zwischen dem Bundesministerium für Gesundheit, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen – kurz ACHSE e.V., einem Dachverband für Selbsthilfegruppen – sowie 25 Spitzenverbänden des Gesundheitswesens, die sich auf dem Gebiet seltener Erkrankungen engagieren. NAMSE bündelt bestehende Initiativen, vernetzt Forscher und Ärzte und führt Informationen für Ärzte und Patienten zusammen. Seither ist vieles geschehen, den großen Wurf vermisst Eva Luise Köhler, Schirmherrin der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen, aber immer noch.
    "Früher war der Nationalplan noch gar nicht auf dem Schirm der Politiker in dieser Weise, aber jetzt ist es auf dem Schirm, und jetzt muss man dafür sorgen, dass das, was geplant ist, einfach umgesetzt wird."
    Der Aufbau neuer Zentren und die finanzielle Förderung schon bestehender seien wichtig, ebenso die Vernetzung der Zentren und eine effektivere Forschung, so Eva Luise Köhler. Wünsche und Forderungen, die viel Geld kosten. Immerhin hat Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, CDU, am 5. November 2015 in einer Rede vor dem Bundestag zum Krankenhausstrukturgesetz Hilfen in Aussicht gestellt.
    "Wir brauchen eine Weiterentwicklung der Krankenhauslandschaft durch Spezialisierung und damit Qualitätssicherung etwa in Form von Zentren für seltene Erkrankungen, die in Krankenhausnetzwerken vorgehalten werden. Diese Tätigkeiten, nicht zuletzt vieler unserer Universitätskliniken, aber auch anderer Maximalversorger oder auch Häuser, die sich besonders spezialisiert haben, werden wir durch bestimmte Zentrenzuschläge besonders fördern."
    Die Forschung muss verstärkt werden
    Am 1. Januar 2016 trat das "Krankenhausstrukturgesetz" in Kraft. Ob die in Aussicht gestellte finanzielle Förderung reicht, ist nicht sicher. Ein grundsätzliches Problem der Zentren für seltene Erkrankungen lösen Geldspritzen ohnehin nicht. Es fehlt eine stabile institutionelle Einbindung ins Gesundheitssystem – kritisiert Dr. Cornelia Zeidler, Kinderärztin an der Medizinischen Hochschule Hannover und Vorstandsvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Zentren für seltene Erkrankungen.
    "Es gibt natürlich immer die Möglichkeit, zu sagen, ja, wir sind interessiert an Innovation und neuen Dingen und wir finanzieren das vor und hoffen, dass das alles funktioniert. Oder den umgekehrten Weg zu gehen und zu sagen, wir möchten erst einmal einen Nachweis, dass das einen Mehrwert bringt für die Versorgung der Patienten mit diesen Erkrankungen und warten erst mal ab, was die Zukunft bringt. Leider hat man sich für diesen zweiten Weg so ein bisschen mehr entschieden, sodass die Zentren erst einmal in eine Vorleistung gegangen sind, und die sieht je nach Ausstattung der einzelnen Zentren, die ja in unterschiedlichen Bundesländern lokalisiert sind, natürlich auch sehr unterschiedlich aus."
    Verlässliche Planung sieht anders aus, zumal niemand weiß, wie lange die Gelder fließen. Cornelia Zeidlers Überlegungen gehen aber noch weiter: Die Kinderärztin möchte zukünftig die Zentren für seltene Erkrankungen in drei Levels einteilen – eine Idee, die schon das "Nationale Aktionsbündnis für Menschen mit Seltenen Erkrankungen" formuliert hat.
    "Die unterschiedlichen Levels geben im Prinzip Auskunft über die Spezifizierung der Zentren, also die A-Zentren sind im Prinzip übergeordnete Zentren, wo auch Patientenregister existieren, wo auch Forschung mit angesiedelt ist, das heißt, das sind Zentren, die in der Regel auch an Universitätsklinika angesiedelt sind; die B-Zentren sind dZentren, die sich um eine spezifische Erkrankung oder um eine Erkrankungsgruppe kümmern, wo also schon eine Diagnose gestellt ist und wo es darum geht, die Versorgung zu verbessern für diese seltenen Erkrankungen, und die sogenannten C-Zentren werden wahrscheinlich Schwerpunktpraxen sein, die auch wohnortnah angesiedelt sind."
    Einig sind sich alle Akteure rund um die Versorgung von Menschen mit seltenen Erkrankungen in einem Punkt: Die Forschung müsse forciert werden, drängt die Professorin Stefanie Weber, Sprecherin des Zentrums für seltene Erkrankungen am Universitätsklinikum Essen.
    "Es gibt jetzt viele Förderprogramme speziell für seltene Erkrankungen auch auf europäischer Ebene, auch Verbundnetzwerke, die gefördert werden, weil es natürlich auch schwierig ist, eine ausreichend hohe Patientenzahl zusammenzubekommen, wenn man jetzt als einzelnes Zentrum sich für eine solche Krankheit interessiert, also hier ist die Zusammenarbeit auf nationaler Ebene, aber auch auf internationaler Ebene gefordert."
    Dies betrifft aber nicht nur die Erforschung einzelner Krankheiten, dies betrifft auch die Behandlungsstrategien. Und hier gibt es ein erstaunliches Missverhältnis: Den rund 8.000 seltenen Krankheiten stehen etwa 100 Medikamente gegenüber. Dafür gibt es zwei zentrale Gründe. Zunächst einmal können Medikamente nur entwickelt werden, wenn die zugrunde liegende Krankheit verstanden ist. Für die meisten seltenen Krankheiten ist das aber nicht der Fall, es fehlt das Verständnis der genetischen und biochemischen Zusammenhänge. Aber selbst für die verstandenen seltenen Krankheiten fehlen Arzneimittel. Für pharmazeutische Firmen lohnt die Entwicklung von Blockbuster-Medikamenten gegen Bluthochdruck und Diabetes, nicht aber die Entwicklung eines Nischen-Medikamentes für einige wenige Patienten.
    "Es gibt Erkrankungen, die sind so selten, dass sie vielleicht 1 in ganz Europa oder sogar weltweit betreffen, wie will man die Forschungs- und Entwicklungskosten, die trotzdem da sind, die sind geringer als bei einer Volkskrankheit, aber Sie haben Grundkosten, die Sie aufbringen müssen, wie will man die letztendlich refinanzieren", fragt sich Dr. Andreas Reimann, Pharmazeut und Vorsitzender der "Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen". Dieses Problem hat die Europäische Union erkannt und im Jahre 2000 für die Entwicklung von 'Orhpan Drugs' – so der offizielle Name von Medikamenten gegen seltene Erkrankungen – eine Verordnung erlassen, die das finanzielle Risiko der pharmazeutischen Industrie minimiert. Dr. Siegfried Throm, Geschäftsführer der Bereiche Forschung, Entwicklung und Innovation beim Verband der forschenden Arzneimittelhersteller.
    "Der wichtigste Anreiz in dieser Verordnung ist eine zehnjährige Marktexklusivität, das heißt, wenn ich ein Orphan Drug, ein Arzneimittel gegen eine seltene Krankheit entwickelt habe, dann kann ich relativ sicher sein, dass innerhalb von zehn Jahren kein ähnliches Medikament hier zugelassen wird."
    Die immer wieder geäußerte Befürchtung, forschende Pharmakonzerne tricksen mit dem 'Slicing', können übrigens weder Siegfried Throm noch Andreas Reimann bestätigen. 'Slicing' bedeutet, dass aus häufigen Krankheiten – Krebs zum Beispiel – so lange winzige Untergruppen 'herausgeschnitten' werden, bis wie von Zauberhand eine häufige Krankheit sich in eine seltene wandelt.
    Bezogen auf die Behandlung hat der dreijährige Ole mit dem kindlichen Paget-Syndrom übrigens Glück: Gegen seine Knochenerkrankung gibt es Medikamente. Corinna Grasemann vom Essener Zentrum für seltene Erkrankungen ist zuversichtlich.
    "Das ist weltweit der Patient, der am frühesten behandelt worden ist und der bisher am besten auf die Behandlung anspricht, und alles andere ist einfach nur Spekulation. Wenn ich spekulieren möchte, dann würden wir uns alle wünschen, dass das so bleibt, dass er gut auf die Behandlung anspricht und sich weiter entwickelt. Sie haben ihn jetzt kennengelernt, er ist ein ganz bezaubernder Junge, der sehr intelligent mit uns seine Späßchen macht, und ich hoffe, dass der Knochen mitmacht und der sich weiter so gut entwickelt, wie er das die letzten zweieinhalb Jahre getan hat."