Donnerstag, 28. März 2024

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Semesterende an der Uni Hamburg
Medizinkongress blockiert den Lehrbetrieb

Für viele Studierende kommt das Semester jetzt in die heiße Phase. Sie schreiben Klausuren oder halten in Seminaren die letzten Referate. Für einige von ihnen ist an der Uni Hamburg aber das Semester schon vorbei. Die Universität hat ihre Räume anderweitig vermietet. Die Studenten sind wütend, die Hochschule schweigt.

Von Balthasar Hümbs | 14.07.2016
    Ein mit Studierenden gefüllter Hörsaal der Universität Hamburg.
    Ein mit Studierenden gefüllter Hörsaal der Universität Hamburg. (imago / Lars Berg)
    Mittags an der Uni Hamburg, Gebäude ESA West. Archäologie-Studentin Freya Steinhagen schiebt einen grauen Rolltisch in das Foyer. Sie und ihre Kommilitonen wollen mit einem Info-Tisch auf ihre Lage aufmerksam machen. "Wir sind wütend auf die Universität, da uns einfach eine Woche Universität gestrichen wurde, eine Woche Lehre."
    Grund für die Aufregung ist ein europäischer Medizin-Ökonomie-Kongress. Der findet in dieser Woche an der Universität statt. Das Problem: In gleich drei Gebäuden sind deshalb fast alle Seminarräume und Hörsäle belegt. Die Studierenden müssen draußen bleiben, Ausweichräume gibt es nicht. Weit über 100 Lehrveranstaltungen fallen einfach aus; und das mitten im Semesterfinale.
    Darauf wollen die Studierenden die ahnungslosen Kongressteilnehmer mit dem Info-Stand hinweisen. Viele von ihnen fühlen sich von der Uni-Leitung übergangen. "Unsere Forderung ist, dass man die Studierenden da mitsprechen lässt oder sei es auch nur die Lehrenden mitsprechen lässt, ob das ein Zeitraum ist, wo es adäquat ist, das zu vermieten. Dass es eben nicht die übermächtige Universität ist, die sagt: Okay, diese Woche fällt jetzt aus, wir setzten da irgend jemanden rein, der soll mal ein Ding machen."
    Geregelter Semesterabschluss nicht möglich
    Auch die Lehrenden der 15 betroffenen Studiengänge wurden nicht nach ihrer Meinung zum Kongress gefragt. Sie sind entsetzt. Öffentlich sagen möchte das allerdings niemand, zu groß ist die Angst um Forschungsgelder oder die eigene Karriere. Nur Dr. Barbara Uppenkamp, Dozentin für Kunstgeschichte, traut sich vors Mikrofon. Auch ihr Fach ist in dieser Woche weitestgehend obdachlos. "Was mich daran stört ist, dass ohne Absprache mit der Fachschaft, mit dem Fachbereich, hier die Räumlichkeiten in Anspruch genommen werden und dass dadurch die Studierenden hier in meiner Lehrveranstaltung und auch in den anderen Lehrveranstaltungen in dieser ganzen Woche, um einen geregelten Semesterabschluss gebracht worden sind."
    Schon seit langem wussten das Uni-Präsidium und das für die Raumvermietung zuständige Universitäts-Marketing von den Raumproblemen durch den Kongress. Das belegen uni-interne Schriftwechsel, die dem Deutschlandfunk vorliegen. Auch ein Schreiben betroffener Professoren änderte am Entschluss der Uni-Führung nichts. Der Kongress findet statt, auch wenn den Lehrenden niemand sagen kann, in welche Räume sie ausweichen sollen.
    Der Kongress sei wichtig für den Wissenschaftsstandort Hamburg, verkündet die Universität. Dennoch scheint die Konferenz für das Uni-Präsidium ein heikles Thema zu ein. Von Widerstand gegen den Kongress habe man nichts gewusst, heißt es, und auf mehrfache Interviewanfragen an Uni-Präsident Dieter Lenzen kommt keine Reaktion.
    "Den Finger noch mal richtig in die Wunde reindrücken"
    Dabei habe eigentlich niemand etwas gegen die Konferenz an sich, sagt AStA-Vorstand Philipp Doll. Sein Eindruck: Der Kongress hat nur das Fass zum Überlaufen gebracht. "Prekäre Finanzierung, stetig sinkende Betreuungsrelationen zwischen Lehrenden und Studierenden, dramatische bauliche Missstände, die sich sozusagen jedes Jahr vergrößern und in der Situation ist dann auch so was wie dieser Kongress noch mal, als würde man den Finger noch mal richtig in die Wunde reindrücken."
    Dagegen wehren sich die Studierenden. Sie wollen ein Zeichen setzten, damit dieser Medizin-Ökonomie-Kongress nicht zum Präzedenzfall für die Belegung ihrer Räume wird.
    Nach gut zwei Stunden schieben die Studierenden den Rolltisch wieder aus dem Foyer. Viele Menschen wollten sich nicht über ihre Lage informieren, aber trotzdem soll der Info-Tisch diese Woche noch öfter aufgebaut werden. Kunstgeschichtsstudentin Lina Schick: "Ich habe gerade gehört, dass ein paar hundert Leute hier ein- und ausgehen werden. Wir haben jetzt unsere Transparente aufgehängt, sind organisiert und gucken einfach, was weiterhin passiert."