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Sendereihe "Mission Erde"
Teil 1: Der Wetterbericht von übermorgen

Die Meteorologie vertraut auf die Arbeit von Wettersatelliten. Gut 30 sind derzeit im All aktiv. Manche haben den Überblick, denn sie fliegen auf weit entfernten Bahnen, andere gleiten tiefer - dafür aber mit mehr Sinn fürs Detail.

Von Karl Urban | 03.02.2014
    Egal, ob der Meteorologe im Fernsehen oder die Smartphone-App in der Hosentasche: Die Wettervorhersage vertraut auf die Arbeit von Satelliten. Schon 1960, in den Jugendtagen der Raumfahrt, startete der erste Wettersatellit TIROS-1 aus den USA ins All. Das war gerade drei Jahre nach dem Flug von Sputnik-1. Europas erster MeteoSat folgte 1977. Das Wettergeschehen aus dem All zu beobachten, war seinerzeit recht naheliegend, erinnert sich Hartmut Grassl.
    "Das ist nicht einfach. Aber es ist die erste unmittelbare Anwendung."
    Der Physiker und Meteorologe hat die ersten Wettersatelliten Europas von Anfang an verfolgt – und ärgerte sich damals über ihren begrenzten Nutzen.
    "In allen anderen Bereichen war die Erdbeobachtung in den ersten zwei Jahrzehnten, nachdem man Satelliten auch in Europa in den Weltraum bringen konnte, im Wesentlichen – und das habe ich damals beklagt – die Produktion von schönen Kalenderblättern. Und da waren keine harten Zahlen dran."
    Harte Zahlen wie Lufttemperatur oder Windstärke – das lieferten damals nur Messstationen am Boden und Wetterballons. Für einen Meteorologen von heute sind Satelliten dagegen ein unersetzbares Werkzeug geworden.
    "Unter anderem nutzen wir die Wettersatelliten auch, um die aktuelle Wettersituation zu beurteilen. Wenn wir zum Beispiel eine Gewitterlage haben, müssen wir natürlich schauen, wie sich die einzelnen Gewitterzellen entwickeln."
    Marcus Beyer vom Deutschen Wetterdienst in Offenbach vertraut zwar weiter auch auf Wetterstationen und Ballons. Aber solche direkten Messdaten gibt es eben nicht überall.
    "Zum Beispiel fehlen sie recht häufig über den Ozeanen oder auch in einigen Kontinenten wie Afrika. Da ist das Ganze recht dünn."
    Trotzdem muss das Computermodell des Deutschen Wetterdienstes zuerst mit dem aktuellen globalen Wetter gefüttert werden – um zuverlässige Vorhersagen möglich zu machen.
    "Und da helfen uns die Satellitendaten, indem sie ein flächiges Bild der aktuellen Wettersituation liefern."
    Gut 30 Wettersatelliten zwei verschiedener Typen sind heute im All aktiv. Die hochfliegenden geostationären umkreisen die Erde exakt so schnell wie sie sich selbst dreht. Diese Satelliten stehen immer über dem gleichen Kontinent und können alle fünf Minuten neue Bilder liefern. Ihr Nachteil: sie kreisen 36.000 Kilometer über der Erde – zu hoch, um jedes Detail zu erkennen. Deshalb verfügt Europa seit 2006 auch über die viel tiefer fliegenden MetOp-Satelliten. Und die nehmen Wind und Wolken sehr genau ins Visier.
    "Die haben eine ganze Menge Instrumente an Bord, die die Atmosphäre sondieren. Und die Informationen gehen direkt in die Vorhersagemodelle, nutzen die für die Datenassimilation - und dadurch wird die Vorhersage deutlich verbessert."
    Eine verlässliche Neun-Tage-Vorhersage rückt immer näher
    Jörg Asmus verfeinert beim Deutschen Wetterdienst die Vorhersagen. Diese Computermodelle sind dank der Wetterdaten aus dem All tatsächlich besser geworden, sagt der Meteorologe – das beweist die Statistik.
    "Wenn man mal vergleicht, wie die Vorhersage vor 10 oder 20 Jahren war – ich habe vor 25 Jahren beim Wetterdienst angefangen. Ich kann das jetzt nicht in Prozenten sagen: Aber vor 20 Jahren konnte man vielleicht so drei oder vier Tage in die Zukunft gucken und heute relativ verlässlich bis zu einer Woche."
    Verlässlich heißt in diesem Fall aber auch: Eine Restunsicherheit wird es beim Wetter immer geben – dafür bewegen sich die Luftmassen zu chaotisch. Einen Teil dieser Unsicherheit wollen Meteorologen und Raumfahrtingenieure allerdings noch verringern. Der Betreiber der europäischen Wettersatelliten EumetSat lässt derzeit tieffliegende Wettersatelliten der nächsten Generation entwickeln, die im kommenden Jahrzehnt starten könnten. Und die dürften erstmals besonders kritische Bereiche des Wettergeschehens erspähen können: wo Niederschläge ihren Anfang nehmen.
    "Wir haben ein Instrument an Bord, das nennt sich Mikrowellen- und Icecloud Imager: Im Mikrowellenbereich kann ich in die Wolken hineinsehen, was ich bei den meisten sondierenden Instrumenten nicht machen kann. Ich kann nur bis zur Wolke schauen. Dann ist Schluss. Mit den Mikrowelleninstrumenten schaue ich in die Wolke hinein."
    Die Modelle beim Deutschen Wetterdienst könnten dadurch nochmal etwas genauer werden.
    "Ich kann vielleicht nochmal ein oder zwei Tage weiter in die Zukunft gucken."
    Die Neun-Tage-Vorhersage wird dann vielleicht genauso zuverlässig sein wie der Wetterbericht der nächsten sieben Tage von heute, der in knapp 50 Prozent aller Fälle stimmt. Im privaten Alltag dürfte der Nutzen von Vorhersagen über neun Tage aber begrenzt sein, räumt Jörg Asmus vom Deutschen Wetterdienst ein:
    "Aber alle die, die langfristig planen müssen – Energieversorger oder Straßenmeistereien, die ihre Leute einsetzen müssen – die bekommen ein oder zwei Tage mehr Reserve, um irgendwelche Planungen zu machen. Dafür ist es auch wichtig, dass wir bei EumetSat viel Geld dafür ausgeben, die Satelliten der nächsten Generation nochmal ein Stück zu verbessern."
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