Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Senegal vor Parlamentswahlen
Demokratie mit Hindernissen

Am 30. Juli wählen die Senegalesen ein neues Parlament. Doch die Wahlen stehen unter keinem guten Stern. Gründe dafür: Die aufgeheizte Stimmung im Wahlkampf, Mängel bei der Vergabe der Wählerausweise und eine unübersichtliche politische Landschaft mit alten Recken und einem inhaftierten Spitzenkandidaten.

Von Anne Francoise Weber | 28.07.2017
    Der senegalesische Präsident Macky Sall.
    Die Parlamentswahlen im Senegal gelten als erste Runde der Präsidentschaftswahlen. Unter anderem hofft Präsident Macky Sall auf seine Wiederwahl. (Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa)
    In der Bezirksverwaltung von Yeumbeul, einer armen Vorstadt im Osten der senegalesischen Hauptstadt Dakar, herrscht am Samstag acht Tage vor der Parlamentswahl reges Treiben. Immer wieder öffnet sich die Tür eines kleinen Büros. Ein Angestellter tritt in den überdachten Hof, in dem viele Menschen warten, und ruft Namen auf. Manche haben Glück: Ihre neue Karte, Wähler- und Personalausweis in einem, ist fertig. Doch vielen ergeht es wie Aisha Ayal.
    "Seit 14 Tagen komme ich fast jeden Tag hierher und werde immer vertröstet. Heute habe ich eine ganze Weile gewartet, jetzt soll ich am Dienstag wiederkommen. Mich wundert das."
    Der Mann, der Aisha Ayal gesagt hat, sie solle am Dienstag wiederkommen, steht neben ihr. Ali Okale ist Sicherheitsbeamter bei der Bezirksverwaltung von Yeumbeul und hat bei dem Ansturm dieser Tage alle Hände voll zu tun:
    "Die Leute sind wütend und machen Probleme. Ich versuche sie zu beruhigen, rede mit ihnen. Aber manche regen sich auf, wenn ich ihren Antragsbeleg mitnehme, um zu überprüfen, ob ihr Ausweis da ist. Es werden noch mehr Ausweise kommen. Gerade sind Leute dabei, die neuen Karten in der Stadtverwaltung zu sortieren, danach werden sie zu uns gebracht. Wir sortieren noch mal und können sie dann ausgeben."
    Ndiaye ist sich sicher, seinen Wahlkreis zu erobern
    Ein Mann mit einem imposanten Sonnenhut betritt das Gebäude, spricht mit ein paar Wartenden und mit den Angestellten in einem der Büros. Es ist Samba Demba Ndiaye, der Abgeordnete dieses Wahlkreises, Mitglied der APR-Partei des Präsidenten Macky Sall. Auch er ist nicht zufrieden:
    "Man muss zugeben, dass das eine etwas schwierige Situation ist; es fehlen einige Karten. Die Bevölkerung ist es nicht gewöhnt, sich früh genug um ihre Papiere zu kümmern, deshalb gibt es jetzt diesen Ansturm. Manche Karten sind auch noch in der Druckerei, vor allem für die Neuwähler."
    Die neuen biometrischen Personalausweise der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas sind im Senegal erst seit wenigen Monaten erhältlich. Für die Herstellung hat die Regierung einer malaysischen Firma rund 50 Milliarden Francs CFA, umgerechnet 75 Millionen Euro, gezahlt. Trotz der nun auftretenden Probleme ist sich der Abgeordnete Ndiaye, in dieser Legislaturperiode Vorsitzender des Rechtsausschusses, ziemlich sicher, seinen Wahlkreis erneut zu erobern:
    "Der Präsident hat viel in diesem Bezirk getan. Unser Hauptproblem waren Überschwemmungen. Der Präsident hat Infrastrukturmaßnahmen eingeleitet, die uns davon zum Teil befreien werden. Auf der anderen Seite gibt es soziale Verbesserungen. Die Leute hier sind arm, eine ganze Menge profitiert vom neuen Familiengeld und der kostenlosen Basiskrankenversicherung. Außerdem hat der Präsident ein Krankenhaus für uns gebaut. Aufgrund dieser Maßnahmen schließen sich die Leute seinen Idealen an."
    Der Abgeordnete Samba Demba Ndiaye 
    Der Abgeordnete Samba Demba Ndiaye (Deutschlandradio/ Anne Francoise Weber)
    Wie die meisten Senegalesen sieht Samba Demba Ndiaye die Parlamentswahl als eine Art erste Runde der Präsidentschaftswahlen, die 2019 abgehalten werden und bei denen Präsident Macky Sall noch einmal kandidieren will. Die Bilanz seiner bisher fünf Amtsjahre ist gemischt: Viele werfen ihm vor, mit seiner Sparpolitik die Bevölkerung noch weiter ins Elend zu treiben.
    Das Land liegt laut UN-Entwicklungsindex auf Platz 162 von 188. Doch einige gezielte Sozial- und Infrastrukturmaßnahmen, ein hohes Wirtschaftswachstum, neue Gas- und Erdölfunde sowie Erfolge auf internationaler Ebene, wie der Einschluss Senegals in die G20-Initiative "Compact with Africa", geben Macky Sall zumindest in der ländlichen Bevölkerung Rückhalt. Daher hat seine von Premierminister Mohamed Ben Abdallah Dionne angeführte Koalitionsliste Benno Bokk Yakaar doch gute Chancen, zumindest mit weiteren Verbündeten die neue Parlamentsmehrheit zu stellen. Das Debakel um die Verteilung der Ausweise an die rund 6,2 Millionen eingeschriebenen Wähler könnte allerdings die Lage noch mal verändern, denn die Kritik nimmt zu.
    Wachsende Kritik an der senegalesischen Regierung
    Rund 50 Journalistinnen und Journalisten stehen auf einer Dachterrasse in Parcelles Assainies, einem armen Vorort im Norden von Dakar, und singen zum Beginn der hier einberufenen Pressekonferenz die Nationalhymne. So drücken die Veranstalter von der Bürgerbewegung "Y en a marre" ihre Verbundenheit mit der Nation aus. Umso härter geht das 2011 von Rappern und Journalisten gegründete Kollektiv danach mit der Regierung ins Gericht. Es lehnt die mittlerweile angestrebte Notlösung ab, Senegalesen mit alten Ausweisen oder dem Beleg der Antragstellung wählen zu lassen. Gründungsmitglied und Rapper Thiat:
    "Wir glauben, dass das keine Lösungen sind. Wir fordern den Staat auf, die Karten zu verteilen. Man kann nicht 50 Milliarden Francs CFA Steuergelder aus dem Fenster werfen und sich dann so ungeschickt anstellen. Wir verlangen daher den Rücktritt des Innenministers. Der Staat muss endlich handeln. Wenn es nötig ist, müssen eben rund um die Uhr Angestellte in den Anlaufstellen arbeiten – die einen von 8 bis 18 Uhr, die nächsten von 19 bis 5 Uhr morgens. Das muss der Staat regeln. Das Entscheidende ist, dass die Senegalesen ihre Wählerausweise erhalten."
    Thiat
    Der senegalesische Rapper Thiat engagiert sich für mehr Demokratie in seinem Land. (Heinrich-Böll-Stiftung/Andi Weiland)
    Seit zwei Wochen mobilisiert das Kollektiv bereits Bürger im ganzen Land mit seinem Slogan in der wichtigsten Landessprache Wolof: "Sama carte! Damay voté – meine Karte her, ich wähle!". Auch deswegen forderten jetzt so viele ihre Wählerausweise ein, berichtet Projektkoordinator Aliou Sane. Und er warnt vor Gewalt am Wahltag:
    "Die Mehrheit der Senegalesen ist nicht in Parteien, übt keine Gewalt aus, bleibt einfach zuhause. Aber diese Leute können frustriert sein, dass sie ihre Bürgerpflicht am Wahltag nicht ausüben können. Es ist möglich, dass diese schweigende Kraft, die nicht wählen kann, andere daran hindern wird. Aufgrund der ungleichen Verteilung muss man nun mal sagen, dass viele Anhänger der Regierungspartei ihre Karte bekommen haben. Auf jeden Fall ist es leichter für sie als für Senegalesen, die keiner politischen Partei angehören."
    Bereits während des Wahlkampfes hat es mehrfach Zusammenstöße zwischen Anhängern verschiedener Parteien gegeben. Auch daran seien die Politiker schuld, erklärt der Rapper Thiat:
    "Man kann keinen Wahlkampf machen mit Leuten, die bis zu den Zähnen bewaffnet sind und bereit, auf die Bevölkerung zu schießen. All das sind Maßnahmen, um die Senegalesen vom Wählen abzuhalten. Dahinter steckt der Wille des Staates und einiger verantwortungsloser politischer Akteure, die wieder einmal zeigen, dass die politische Klasse hier genau überprüft werden müsste. Aber das senegalesische Volk hat all das genau registriert. Es lässt sich das nicht gefallen und wird sich nicht einschüchtern lassen."
    Die Aktivisten von "Y en a marre" wollen sich politisch von keiner Seite vereinnahmen lassen – auch nicht vom größten Kritiker der Regierung, dem ehemaligen Präsidenten Abdoulaye Wade. Der 91-Jährige, der 2012 nach zwei Amtszeiten die Präsidentschaft an Macky Sall verloren hatte, ist Anfang Juli von seinem Alterssitz in Frankreich zurückgekommen, um sich als Vorsitzender der demokratischen Partei Senegals an die Spitze der großen Oppositionskoalition Wattu Senegaal zu stellen.
    Babacar Mbaye sitzt vor einem ärmlichen Haus im Fischerort Thiaroye-sur-Mer im Großraum von Dakar. Neben ihm sitzen oder stehen ein paar gelangweilte Männer. Eine Frau wäscht Kleidung in einem Eimer. Im Hof spielen Kinder. Eine Ziege und ein paar Katzen streunen herum. Der pensionierte Lehrer Mbaye ist überzeugt davon, dass Adoulaye Wade die beste Wahl für das Land wäre, und er hat eine Erklärung dafür, warum ein Politiker, der bereits das höchste Staatsamt innehatte, sich im hohen Alter noch mal in die politische Arena begibt:
    "Ich glaube, er ist für den Senegal da; er ist Nationalist. Sein Herz ist senegalesisch, während die Herzen der anderen Politiker Französisch oder sonst was sind. Wade ist weise und alt, er braucht kein Geld, er will uns nur aus der Wirtschaftskrise retten. Und das ist eine gute Sache."
    Oppositionspolitiker Khalifa Sall sitzt derzeit im Gefängnis
    Dass kritische Stimmen behaupten, Wade sei vor allem zurückgekommen, um die Präsidentschaftskandidatur seines wegen Korruption verurteilten und im Ausland lebenden Sohnes Karim vorzubereiten, stört Babakar Mbaye nicht weiter. Es sei doch normal, sich um seine Nachkommen zu kümmern. Wade ist für ihn der Messias, bekennt der Mann mit der Ché-Guevara-Mütze.
    Aber auch ein weiterer Oppositionspolitiker hat seinen Respekt: Khalifa Sall, trotz Namensgleichheit nicht mit dem Präsidenten verwandt. Er ist Bürgermeister von Dakar, Anführer der Koalition "Manko Taxawu Senegaal" - und zurzeit im Gefängnis. Khalifa Sall wird Veruntreuung öffentlicher Gelder aus dem Stadthaushalt zur Last gelegt. Das Verfahren läuft noch. Trotz der hohen Summe von umgerechnet 2,7 Millionen Euro ist das nach Einschätzung vieler Senegalesen kein wirklich großes Verbrechen, schließlich hätten sämtliche Vorgänger Salls ähnlich verfahren und verfügten auch Minister über gut bestückte Fonds, um ihre Klientel zu unterhalten. Für den pensionierten Lehrer Babakar Mbaye jedenfalls ist die Sache klar.
    "Khalifa Sall ist sauber. Man hat ihn auf drakonische Weise ins Gefängnis gesteckt. Aber das hat Macky Sall nur aus großer Angst getan. Khalifa Sall ist sehr gut. Er ist weise, gemäßigt, weitsichtig, und vor allem tolerant. Er hat diese Eigenschaften, die Präsident Macky Sall nicht besitzt."
    Auch wenn er nicht glaubt, dass die Opposition am Sonntag die Mehrheit der Sitze gewinnt, hofft Mbaye doch darauf, dass sich die verschiedenen Oppositionskräfte unter der Führung von Ex-Präsident Abdoulaye Wade zusammentun und damit etwas bewegen werden.
    "Das neue Parlament wird nicht wie das letzte nur Beifall spenden und der Folklore dienen. Wenn Abdoulaye Wade sich mit anderen Parteien zusammenschließen und 60 Abgeordnete auf seine Seite bekommen würde, gäbe das ein gutes Gleichgewicht. Wir brauchen ein intellektuelles Parlament mit wirklichen Diskussionen."
    Wahlplakat für Khalifa Sall in Dakar, Senegal.
    Wahlplakat für Khalifa Sall in Dakar, Senegal. (Deutschlandradio/ Anne Francoise Weber)
    "Ich werde versuchen, die Regierung herauszufordern"
    Eine dieser diskussionsfreudigen Abgeordneten möchte Yayi Bayam Diouf werden. Sie wohnt ein paar Straßen weiter, in einem etwas besser situierten Teil von Thiaroye-sur-Mer. Gerade schrubbt eine Haushaltshilfe den Boden im Flur, während Yayi Bayam Diouf die neuesten Mails am Computer liest. Über ihrem Sofa hängt ein Foto, auf der sie eine Medaille für ihr soziales Engagement entgegen nimmt. Die 68-Jährige weiß genau, warum sie für die Nationalversammlung kandidiert:
    "Ich werde versuchen, die Regierung herauszufordern, wegen der Probleme der Jugend, aber auch der Migration. Schauen Sie sich das Mittelmeer an. Es ist der Friedhof junger afrikanischer Migranten. Das ist eine Schande für Europa. Es muss seine Migrationspolitik neu diskutieren mit unseren Regierungen. Diese Fragen will ich im Parlament debattieren, vor der Welt und vor unseren Regierenden."
    Yayi Bayam Diouf weiß genau, wovon sie spricht. Vor zehn Jahren hat sie ein Frauenkollektiv gegen illegale Migration gegründet. Ihr einziger Sohn war kurz zuvor zusammen mit über 160 anderen ertrunken bei dem Versuch, in einer Piroge die Kanarischen Inseln und damit Europa zu erreichen. Ihre Organisation versucht, mit Ausbildungs- und Orientierungshilfen jungen Leuten zu zeigen, dass es eben doch eine Zukunft für sie im Senegal gibt, auch wenn rund 60 Prozent der Bevölkerung jünger als 25 Jahre sind.
    Yayi Bayam Diouf liegt die Förderung junger Frauen besonders am Herzen, denn mittlerweile machen auch diese sich aus Verzweiflung oft auf den gefährlichen Weg nach Europa. Der Senegal ist eine patriarchale Gesellschaft, daran lässt Yayi Bayam Diouf keinen Zweifel, auch wenn ein Gesetz vorschreibt, dass auf allen Wahllisten abwechselnd eine Frau und ein Mann stehen.
    "Dass die Frauen zur Hälfte im Parlament und anderen Institutionen vertreten sind, ist ein erster Schritt. Aber im Präsidium und bei den Ausschüssen ist es nicht halb-halb. Da liegt das Problem. Da müssen wir kämpfen. Denn es ist nicht interessant, als Statistin dort zu sein. Alle wichtigen Entscheidungen werden im Präsidium und in den Ausschüssen getroffen. Wenn die Frauen nur da sind, um zuzuhören und zu applaudieren, dann bin ich nicht einverstanden."
    Vom Präsidenten finanzierte Kandidaten als Wahlhelfer
    Yayi Bayam Diouf steht auf dem vierten Listenplatz einer Koalition, die vom ehemaligen Innenminister Ousmane Ngom angeführt wird. Klingt nach einem aussichtsreichen Platz, doch die Liste ist nur eine von 47, die am Sonntag um die Gunst des Wählers und um 165 Abgeordnetensitze konkurrieren. So groß war die Zahl der Listen noch nie im Senegal. Mame Less Camara, einer der profiliertesten Journalisten des Landes, Dozent an der staatlichen Journalistenschule und lange Zeit Korrespondent der BBC, vermutet dahinter nicht den Ausdruck einer engagierten Zivilgesellschaft, sondern Strategie der Regierung.
    "Unter den 47 Listen sind mindestens ein Viertel oder ein Drittel direkt vom Präsidenten finanziert. Manche Kandidaten sagen ganz klar: Wählt mich, ich unterstütze den Präsidenten. Warum kandidieren sie dann nicht direkt bei ihm? Der Präsident versucht, die Spuren zu verwischen. Das erlaubt ihm, Wähler einzufangen, die sonst gezögert oder nicht gewählt hätten. Die politische Zugehörigkeit der Senegalesen funktioniert nicht auf ideologische Weise. Man entscheidet sich nicht für ein Programm oder einen politischen Führer, sondern für Leute, die man kennt. Ich stimme für meinen Nachbarn, weil ich ihn kenne, weil meine Frau mit seiner befreundet ist oder unsere Kinder Freunde sind. Deswegen ist das Wahlverhalten sehr emotional und unvorhersehbar."
    Der hohe Analphabetismus im Land verstärkt die Tendenz, Wahlkampf nur mit Menschen und nicht mit politischen Programmen zu machen. 46 Prozent der Männer, 62 Prozent der Frauen, auch knapp ein Drittel der bisherigen Abgeordneten können weder lesen noch schreiben. Auch die Tatsache, dass zum ersten Mal die Senegalesen im Ausland mit 15 eigenen Abgeordneten vertreten sein werden, hält Camara eher für ein Manöver der Regierung, die auf viele Stimmen der im Ausland etablierten Wähler hofft, schließlich komme von dort auch wesentliche finanzielle Unterstützung für den Präsidenten.
    Camara rechnet mit keiner hohen Wahlbeteiligung, trotz der soliden demokratischen Tradition im Senegal, wo 1946, also noch unter französischer Kolonialherrschaft, das allgemeine Wahlrecht eingeführt wurde. Seit der Unabhängigkeit 1960 wurde das Präsidentenamt stets friedlich weitergegeben. Es gab nie einen Putsch, was umso bemerkenswerter ist, als andere Länder der Region wie Mali oder Elfenbeinküste von politischer Instabilität geprägt sind.
    Beschäftigung mit Terrorismus
    Universität Cheikh Anta Diop in Dakar. Der Raum, der sonst für studentische Partys dient, ist voll besetzt. Die Zuhörer lauschen gespannt dem Bericht von Mohammed Maiga, einem Studenten aus Timbuktu, der erlebt hat, wie diese Stadt im benachbarten Mali 2012 für einige Monate in die Hände von Jihadisten fiel.
    "Die Leute haben nicht daran geglaubt. Der Terrorismus, die größte Sünde der Menschheit, der gewalttätige Extremismus ist Realität. Wir haben die Islamisten in der berühmtesten Stadt Malis erlebt, vor laufenden Kameras. Stigmatisierung und Diskriminierung, das haben sie gebracht. Menschen wurden gezwungen, ihre Familien zu verlassen. Menschen wurden gezwungen, Dinge zu sagen, die sie nicht sagen wollten – all das im Namen der angeblichen Scharia."
    Organisiert hat die Veranstaltung – mit Finanzierung der US-amerikanischen Botschaft - das Timbuktu-Institut, ein Thinktank, der sich die Erziehung zum Frieden zum Ziel gemacht hat. Gründer und Präsident ist der Politikwissenschaftler Bakary Sambe. Er will keinen Alarmismus verbreiten, noch sei der Senegal eine Insel der Stabilität in einem Ozean der Instabilität, sagt er, und verweist auf die mäßigende Rolle der islamischen Sufi-Bruderschaften, die im Senegal großen Einfluss haben.
    "Es stimmt, dass der Diskurs der traditionellen Bruderschaften einen Schutz gegen die jihadistische Ideologie im Senegal bildet. Dass die salafistischen und wahabitischen Bewegungen hier seit den 50er-Jahren keine großen Erfolge hatten, liegt an der Rolle der Bruderschaften bei der Sozialisierung der jungen Leute. Aber diese Bruderschaften müssen heute ihren Diskurs modernisieren, um die jungen Leute mit ihren großen spirituellen Bedürfnissen zu erreichen. Diese jungen Menschen leben zwar hier im Senegal, aber wir befinden uns in einem globalisierten Kontext, mit Zugang zum Internet, zu Youtube, Twitter und so weiter."
    Und oft sind die extremistischen Prediger in den sozialen Medien eben besser aufgestellt. Dennoch seien bisher nur zwanzig oder dreißig junge Leute aus dem Senegal nach Libyen gegangen, um dort mit den Jihadisten zu kämpfen, erzählt Sambe. Doch die Gefahr einer Radikalisierung breiterer Kreise sei in dem Land mit einer muslimischen Mehrheit von 95 Prozent nicht zu leugnen - gerade angesichts der hohen Arbeits- und Perspektivlosigkeit, die vor allem junge Menschen betrifft.
    Hoffen auf einen friedlichen Wahltag
    Aufgeheizte Stimmung im Wahlkampf, Mängel bei der Vergabe der Wählerausweise und eine unübersichtliche politische Landschaft mit alten Recken und einem inhaftierten Spitzenkandidaten. Angesichts all dessen bleibt nur zu hoffen, dass die Senegalesen ihrem Ruf als friedliches und tolerantes Volk am Wahltag und darüber hinaus treu bleiben. Verschiedene religiöse Anführer haben bereits Gebete für einen friedlichen Wahlverlauf abgehalten.