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Senioren haben Angst vor dem Internet

Posten, twittern, mailen: Gefühlt ist jeder in Deutschland ständig online. Doch der Eindruck täuscht, wie eine aktuelle Studie der Initiative D21 belegt. Rund 16 Millionen Deutsche sind demnach dauerhaft offline - viele von ihnen Frauen über 50 und Senioren.

Von Philip Banse | 22.04.2013
    Lassen Sie uns über beides sprechen. Die "Initiative D21"hat eine repräsentative Umfrage unter knapp 4000 Menschen in Deutschland gemacht mit dem Ziel, erstmals einen Digitalisierungs-Index zu erstellen: Von Null bis 100 Punkte – alle online, alle nutzen Webdienste, alle haben Zugang zum Netz. Deutschland landet bei 51,2 Punkten, sagt Robert Wieland, Chef vom Meinungsforschungsinstitut TNS Infratest, das sei eher mittelmäßig:

    "Die zentralen Ergebnisse sind, dass wir bei der Digitalisierung in Deutschland ein bisschen auf der Stelle treten. Wir sehen, dass der Anteil an Onlinern nur um 0,9 Prozent angestiegen ist. Und jede zweite Frau über 50 ist im Internet noch nicht angekommen."

    Die Zahl der Leute, die das Netz nutzen, wächst also kaum; über 16 Millionen Menschen in Deutschland nutzen das Internet gar nicht. Allein die Hälfte aller Frauen über 50 ist komplett offline. Dafür sehen die Meinungsforscher zwei Gründe: Infrastruktur und Bildung.

    Fangen wir mit der Infrastruktur an. An vielen Orten ist es immer noch schwer, einen schnellen Internetzugang zu bekommen. Es gibt zwar ein Gesetz, das sogenannte Universaldienste festlegt, zu denen jeder Bürger Zugang haben muss. Dazu zählt das Telefon, auch ein Telefonbuch aus Papier muss jeder bekommen – Internetzugang dagegen ist immer noch kein Universaldienst, den jeder haben können muss. Wann das kommt, weiß auch Meinungsforscher Wieland nicht:

    "Da stellen Sie eine gute Frage. Schauen wir mal über den großen Teich, schauen wir mal nach Asien oder Australien – da passiert in diesem Bereich viel, viel mehr."

    Wichtiger als die Infrastruktur, sagt der Meinungsforscher, sei Bildung. Oft bestünde überhaupt keine Nachfrage nach schnellen Internetanschlüssen, weil viele Bürger gar nicht wüssten, warum sie Internet nutzen sollten:

    "Wir reden schon seit fünf, zehn Jahren, dass man das Thema Bildung, Medienkunde in die Schule mit aufnehmen muss. Dies ist nicht erfolgt. Wir reden seit Langem davon, dass ältere Leute nicht abgeholt werden von der Gesellschaft. Hier muss man Zugang schaffen. Es geht ganz stark darum, dass man auch einen Bewusstseinswandel macht. Wenn wir zum Beispiel Offliner fragen, Personen, die nicht im Internet sind, warum seid ihr eigentlich nicht im Internet? Dann gibt es zwei Gründe: Datenschutz; ich habe Angst davor. Und den zweiten Grund: Ich sehe den Nutzen gar nicht. Sie setzen sich mit dem Thema nicht auseinander, sehen nicht, welche Möglichkeiten das Internet und seine Anwendungen bieten und bekommen dadurch gar nicht mit, was sie verpassen."

    Vor allem Senioren schreckten vor dem - in ihren Augen - gefährlichen und komplizierten Internet zurück. Da sei nicht der Staat gefragt, sagt Meinungsforscher Wieland, sondern die Familie müsse einspringen:

    "Wir haben in der Studie gesehen, dass es ältere Menschen gibt, die sagen: Ich muss nicht rein, das macht ja mein Enkel, das macht mein Sohn, mein Ehemann. Nicht nur sagen, ich mache es für dich, sondern mitnehmen und die Möglichkeiten aufzeigen. Das ist eine ganz wichtige Forderung. Es beginnt im klein-klein, nicht mit einer großen Kampagne, wo der Staat von oben herab sagt, und jetzt, liebere ältere Leute, geht mal ins Internet. Sondern Abholen, Möglichkeiten aufzeigen, Hemmschwellen abbauen. Deutlichen machen, es gibt Gefahren, schutzlos sollte man nichts ins Netz gehen, aber diese Gefahren sind beherrschbar, wenn du dich damit auseinandersetzt."

    Viele Offliner wissen nicht, was sie im Internet sollen – daran ist der Staat nicht ganz unschuldig. Zwar gibt es mittlerweile einen digitalen Personalausweis. Der wurde zu Recht wegen einiger Macken kritisiert, aber für die Anmeldung bei Diensten im Internet ist er um Größenordnungen sicherer als die herkömmliche Kombination aus Benutzername und Passwort. Problem: Auch der Staat bietet kaum Dienste an, die ich mit dem neuen Personalausweise nutzen kann. Hier müsse der Staat ein besseres Vorbild sein, sagt Meinungsforscher Wieland.