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Seniorprofs am Vorlesungspult

Sie haben über Jahrzehnte gelehrt bis zur Emeritierung, doch zum alten Eisen gehören sie noch lange nicht. Die Humboldt-Universität hat jetzt 13 Senior-Professoren gebeten, Erstsemester mit zu unterrichten. Die Universität profitiert von der Unterstützung, und die Studis sowieso.

Von Philip Banse | 27.12.2011
    "Wir haben gedacht, dass gerade für die Studieneingangsphase es sehr hilfreich ist, wenn wir erfahrene Leute da haben, sodass die Studierenden auch gleich zu Beginn Professoren und Professorinnen kennenlernen, die schon ganz sinnlich von Gewicht sind."

    Mit dieser augenzwinkernden Anspielung erklärt der Vizepräsident der Humboldt-Universität Berlin, Michael Kämper-van den Boogaart, warum die HU 13 Seniorprofessoren eingestellt hat. 13 emeritierte Hochschullehrer sollen Erstsemester unterrichten, an ihrer Erfahrung teilhaben lassen. Die Verträge gelten stets für ein Jahr. Fünf Jahre lang soll dieses Programm fortgesetzt werden. Insgesamt kosten die reaktivierten Professoren dann 1,3 Millionen Euro. Das Geld stammt aus dem Qualitätspakt Lehre, mit dem der Staat die Lehre an den Hochschulen verbessern will. Für neun Semesterwochenstunden bekommen die pensionierten Profs rund 20.000 pro Jahr, also rund 1600 Euro pro Monat zusätzlich zur Pension. Geld sei aber nicht die zentrale Motivation für ein Jahr wieder an die Uni zu gehen, sagt Jürgen Schläger, seit zwei Jahren emeritierter Professor für englische Literatur:

    "Die Motivation war den Kontakt nicht zu verlieren mit den jungen Leuten. Das ist ja das, was den Reiz dieses Berufs ausmacht, dass man zwar selber älter wird, aber immer wieder mit neun Generationen interessanter junger Menschen zu tun hat."

    Seniorprofessor Schläger hat nur eine halbe Stelle, 4,5 Semesterwochenstunden. Er hat 35 Jahre englische Literatur unterrichtet und sieht sich jetzt als Berater, Springer, Ausputzer:

    "Wenn es zum Beispiel eine Vorlesung gibt, die sehr intensiv und kondensiert ist, über die Geschichte der englischen Literatur. Das ist natürlich auch schön für die Studierenden, wenn der Lehrende mal wechselt. Meine Spezialität ist immer englische Literatur des 18. Jahrhunderts gewesen, das mache ich dann. Da springe ich dann ein, entlaste die Kollegen und Kolleginnen, die hier noch voll im Geschirr sind, und mache dazu noch Angebote in Betreuung."

    Dass er dem wissenschaftlichen Nachwuchs Geld und Raum wegnimmt, dieses Gefühl hat Seniorprofessor Jürgen Schläger nicht:

    "Wenn ich das Gefühl hätte, ich würde irgendjemand irgendwas wegnehmen und nicht etwas tun, was vielleicht andere so nicht tun können, dann würde ich das auch nicht machen."

    Die Seniorprofessoren seien grundsätzlich keine schlechte Sache, sagt Sascha Watermann, Referent für Lehre und Studium am Referentinnenrat der Humboldt Universität, besser bekannt als AStA. Der Studierendenvertreter hat viel Gutes gehört von Kommilitonen, die Kurse bei Seniorprofessoren besucht haben, Gelassenheit und Erfahrung kamen gut an. Das sei jedoch nur die eine Seite:

    "Es gibt auch den anderen Fall, dass Professorinnen in ihrem Institut einfach nur angesehen sind und es jetzt darum geht, ihnen noch so ein Ehrenband mitzugeben, sich weiter mit dem Professorinnen-Titel schmücken zu können. Seniorprofessor wird ja häufig als Auszeichnung empfunden, als Zeichen, man ist so unentbehrlich, dass die Uni einen noch länger zur Verfügung haben will. Wenn das dann Personen sind, die vielleicht vor zehn Jahren ihre Lehre neu konzipiert haben und seitdem nach dem gleichen Konzept arbeiten, dann nützt auch der tiefere Einblick in die Disziplin nicht mehr, wenn der nicht weitergegeben wird."

    Studierendenvertreter Watermann fordert daher, dass die Seniorprofessoren strenger ausgewählt werden müssten. Die Uni-Leitung teilt diese Kritik. Vizepräsident Kämper-van den Boogaart kündigt an, die Einstellungskriterien für Senior-Profs strenger zu gestalten:

    "Im Moment hat es uns ausgereicht, wenn das Institut das Bekenntnis abgibt, dass die in ersten beiden Semestern in den Bachelor-Studiengängen eingesetzt werden. Und da denke ich, dass wir uns auch noch etwas pfiffigere Begründungen vorstellen können."