Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Sensation auf Schienen

Der deutsche Ingenieur Franz Kruckenberg konstruierte nach dem Ersten Weltkrieg eine futuristisch aussehende Schnellbahn, die als Schienenzeppelin weltberühmt wurde. Vor 75 Jahren stellte er auf der Strecke Hamburg-Berlin einen Geschwindigkeitsrekord von 230 Stundenkilometern auf. Doch im Dauerbetrieb bewährte sich der Zug nicht.

Von Jürgen Bräunlein | 21.06.2006
    Franz Friedrich Kruckenberg machte schon früh Karriere. 1882 in Schleswig-Holstein als Spross einer alten Hamburger Kaufmannsfamilie geboren, studierte er Schiffbau. Noch vor dem Ersten Weltkrieg war der diplomierte Ingenieur ein gefragter Mann. Er konstruierte Kampfflugzeuge, vor allem aber Luftschiffe wie den Zeppelin, die damals als ästhetische Gipfelleistung des Flugverkehrs galten. Kruckenberg misstraute den Luftschiffen allerdings, weil sie mit hochexplosiver Wasserstoff-Füllung betrieben wurden. Auch hielt er den Einsatz von Flugzeugen über kurze und mittlere Strecken auf Dauer für unrentabel. Mit beiden Einschätzungen lag er richtig:

    "Ganz unmittelbar und sehr eindrucksvoll lernte ich die Schwächen der Luftfahrt kennen, verlor vollständig den Glauben an die Zukunft der Luftschiffe und erkannte, dass das Flugzeug vorerst nicht das volkstümliche Schnellverkehrsmittel für jedermann werden könne."

    Nach dem Ersten Weltkrieg gab Kruckenberg den Luftschiffbau auf und eröffnete in Heidelberg ein Konstruktionsbüro.

    "Es entstand eines Tages vor mir das Bild des geführten Flügels. Darunter ist ein Transportmittel zu verstehen, bei dem ein Propeller getriebener Stromlinienkörper an einer Schiene geführt wird."

    Mitte der 20er Jahre entwarf Kruckenberg auf dem Papier eine Hängeschnellbahn, die bis zu 360 Stundenkilometer fahren sollte. Wie besessen arbeitete er an der Realisation - vergeblich. Das Kapital von 40 Millionen Reichsmark konnte nicht aufgebracht werden. Soviel war notwendig, weil man eine spezielle Versuchsflugbahn hätte bauen müssen. Kruckenberg übertrug sein Konzept auf das bestehende Eisenbahnnetz.

    "Schon damals kündigte sich die Konkurrenz zwischen Straße und Schiene an. Und die vom Wetter nicht abhängige Schnellfahrt ist das Hauptmittel durch das die Eisenbahn im Personenverkehr konkurrenzfähig bleibt."

    Franz Kruckenberg, der Visionär, wollte einen Superzug über die Gleise schicken. Im Sommer 1929 war es soweit, die Zeitgenossen staunten: ein Triebwagen in Stromlinienform und mit Propellerantrieb. 25 Meter lang und nur 20 Tonnen schwer. Die Fenster sind durchlaufend, Trittbretter, Haltestangen und Türgriffe unter die glatte Außenhaut verlegt, der Propeller besteht aus einer einfachen Stahlwelle mit luftschraubenförmigem Holzkreuz - ein futuristischer Anblick, für den man gleich den passenden Namen fand. Schienenzeppelin, weil der Zug an das gleichnamige Luftschiff erinnerte.

    Über ein Jahr lang wurde der Schienenzeppelin auf der Strecke Berlin-Hamburg erprobt, dort wo die Reichsbahn seit Jahren schon Testfahrten durchführte. Die Strecke ist ideal: kaum Steigungen, keine engen Kurven. Am 21. Juni 1931 zischte der Zug mit Franz Kruckenberg am Steuer mit 230 Stundenkilometern durch die Landschaft. Damit war der Schienenzeppelin der schnellste Zug der Welt, auch wenn während der Fahrt einige Kühe über die Schienen liefen.

    Kruckenbergs "Schienenzepp", wie er liebevoll genannt wurde, kam über die Testfahrt nicht hinaus.

    "Nicht wegen schlechter Bewährung - man behauptete damals, dass der Propellerstrom Schotterstein in die Luft schleudere, das wurde durch Vorführungsfahrten eindeutig widerlegt -, sondern wegen der kleinen Durchschnittsgeschwindigkeit und den dabei vorhandenen kleinen Wirkungsgrad der Luftschraube musste schließlich der Propellerantrieb verlassen werden."
    Und auch, weil die Breitspur-Sondergleise, die man für den täglichen Betrieb benötigt hätte, zu teuer waren. Stattdessen setzte die Reichsbahn wenig später konventionelle Schnelltriebwagen ein, die so genannten Fliegenden Hamburger. Der Geschwindigkeitsrekord des "Schienenzepps" bestand aber noch bis 1955.

    Franz Kruckenbergs Idee vom Super-Schnellzug ist heute aktueller denn je. Um für den Personenverkehr attraktiv zu bleiben, setzt die Deutsche Bahn vermehrt auf Hochgeschwindigkeitszüge. Seit Dezember 2004 fährt der ICE zwischen Berlin und Hamburg in einer Rekordzeit von 90 Minuten, das sind nur 7 Minuten weniger als der Schienenzeppelin.