Neu im Heimkino: "Königin"

Von allen Konventionen befreit

06:51 Minuten
Eine Frau mittleren Alters und ein junger Mann liegen entspannt auf einem vom Sonnenlicht beschienenen Bett.
Eine verbotene Liebe: Wie sie einzuordnen ist, überlässt "Königin" dem Publikum. © Square One Entertainment/Rolf Konow
Von Jörg Taszman · 07.05.2020
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Eine Affäre führt zu Rissen in der Fassade einer bürgerlichen Familie. Mit ihrem Erotikthriller "Königin" legt die dänisch-ägyptische Regisseurin May el-Toukhy einen vielschichtigen Film über eine starke Frau und schwache Männer vor.

Worum geht es?

Die Anwältin Anna (Trine Dyrholm) und Mutter zweier Mädchen nimmt ihre Arbeit oft mit nach Hause und kann sich nicht von ihren Fällen lösen. Eine junge Frau, die von einem Mann vergewaltigt wurde, taucht so öfter im Haus der Familie auf, sehr zum Unmut von Annas Mann Peter, einem Arzt. Aber kurz darauf muss Peter Verantwortung übernehmen und Gustav, seinen 16-jährigen Sohn aus erster Ehe, bei sich aufnehmen.
Schnell tauchen Risse in der bürgerlichen Fassade der gut betuchten Familie auf: Anna wird rebellischer, unleidlicher und fühlt sich mehr zu Gustav als zu ihrem Mann hingezogen. Beide beginnen eine leidenschaftliche Affäre...

Was ist das Besondere?

Die dänisch-ägyptische Regisseurin May el-Toukhy nimmt sich viel Zeit, um ihre Figuren zu etablieren und zu entwickeln. Gustav ist zunächst ein wütender Jugendlicher, der sich langsam in die ihm fremde Familie einlebt, wenn auch zunächst nicht ganz unfreiwillig.
Einfühlsam filmt die Regisseurin, wie sich Anna und Gustav näherkommen und sich dabei langsam von allen Konventionen befreien. In teilweise sehr drastischen und expliziten Sex- und Liebesszenen filmt sie, wie sich Anna immer tabuloser aus ihrem bürgerlichen Korsett befreit.
Im Gegensatz zu reißerischen amerikanischen Filmen wie "Fatal Attraction" erzählt May el-Toukhy von einer dominanten, starken Frau und sehr viel schwächeren Männern.

Bewertung

Über 70 Minuten ist "Königin" ein erstaunlicher und vielschichtiger Film, der es dem Zuschauer überlässt, wie er diese verbotene Liebe einordnet. Leider verlieren die Macher vor allem im Schlussdrittel ihren erzählerischen Mut, vereinfachen die Motive der Charaktere und tappen in die Falle der Überdramatisierung und moralischen Verurteilung.
Auch die drei sehr starken Hauptdarsteller können dann gegen die Drehbuchklischees nicht mehr anspielen. So wirkt ein Film, der stark beginnt, zunehmend zwiespältig.

"Königin"
Dänemark 2019
Regie: May el-Toukhy
mit Trine Dyrholm, Gustav Lindh, Magnus Krepper, u.a.
125 Minuten, FSK 16
Kaufpremiere als Video on Demand, ab 16.5. auch zum Leihen auf allen gängigen Plattformen.

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