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Sensor für die Speiseröhre

Medizin.- Fällt das Schlucken schwer, rücken Ärzte dem Hals bislang meist mit schwerem Gerät zu Leibe: Dicke Katheter werden dem Patienten eingeführt. Diese unangenehme Behandlung könnte bald Geschichte sein.

Von Hartmut Schade | 12.08.2009
    "Wir haben hier einen Prototyp. Das sieht eigentlich aus wie ein normaler Silikonschlauch."
    Ein weißer Kunststoffschlauch von Stricknadelstärke liegt zusammengerollt in einem Karton vor Martin Becker. Vorsichtig entrollt ihn der Jenaer Physiker.

    "So, jetzt sieht man hier am anderen Ende...genau, hier sieht man ein Stück Faser rauskommen. Die Kollegen haben sehr gut gearbeitet, die Faser kommt genau in der Mitte des Katheters raus."

    Man muss schon genau hinschauen, um die Glasfaser, die dünner als ein Haar ist, zu sehen. Darin befinden sich im Zentimeterabstand Sensoren, die auf Druck reagieren. Sie bilden das Herzstück des Speiseröhrenkatheters. Dieser wird bis zum Mageneingang eingeführt. So lässt sich verfolgen, was in der rund 30 Zentimeter langen Speiseröhre passiert, schluckt man das Essen hinunter.
    "Dieser Vorgang dauert etwa 20 bis 30 Sekunden und hat einen ganz bestimmten Ablauf, wie der funktionieren soll. Und dieser Ablauf, der ist eigentlich wichtig für die Mediziner, weil man daraus eine Menge von Krankheiten auch diagnostizieren kann. Das kann also von normalem Sodbrennen bis zum Speiseröhrenkrebs reichen."

    Heutige Speiseröhrenkatheter sind relativ dick und haben nur wenige Sensoren. Um ein lückenloses Bild der Speiseröhre zu bekommen, müssen die Ärzte den Katheter hin und herschieben, während die Patienten immer wieder schlucken. Eine unangenehme Prozedur. Die Jenaer Physiker wollen einen Katheter entwickeln, der dünner ist und ein lückenloses Bild von Schluckvorgang liefert. Mit einem Ultraviolett-Laser schreiben die Jenaer Physiker sogenannte Faser-Bragg-Gitter in die Glasfaser. Jedes einzelne Gitter besteht aus mehreren Tausend hintereinander liegenden Scheiben, die alle exakt den gleichen Abstand voneinander haben. Jedes Gitter reflektiert das Licht einer bestimmten Wellenlänge, sagt Diplomphysiker Manfred

    "Man ist in der Lage, mit kleinen, miniaturisierten Spektrometern diese Wellenlänge sehr genau zu messen und insbesondere auch Veränderungen dann dieser Wellenlänge sehr hochaufgelöst auswerten zu können."

    Die Jenaer schicken Licht aus dem Nahinfrarotbereich in den Schlauch und messen die Veränderungen des zurückkommenden Lichtes. Jedes der Gitter wirft Licht einer ganz bestimmten Wellenlänge zurück. Schluckt man, dann drücken die Speiseröhrenmuskeln auf den Silikonschlauch, und die Position der Scheiben in der Glasfaser ändert sich, erläutert Dr. Martin Becker.

    "Der Abstand zieht sich ein bisschen auseinander und dementsprechend ändert sich auch das Licht, das hier zurückreflektiert wird. Dann ändert sich eine einzige der zurückreflektierten Wellenlängen."

    Da bekannt ist, welches Gitter in jedem einzelnen Sensor welche Wellenlänge zurückwirft, lässt sich exakt feststellen, wo in der Speiseröhre gerade die Muskeln aktiv sind und vor allem, mit welcher Kraft. Manfred Rothhardt:

    "Und krankhafte Veränderungen spiegeln sich dann auch in Veränderungen dieses Vorganges und der damit verbundenen Druckverteilungen wider. Und der Arzt kann das, wenn der gesamte Vorgang visualisiert wird, anhand dieser Visualisierung dieses komplexen Schluckvorganges sehen, ob es krankhafte Veränderungen gibt."

    Zehn mal pro Sekunde messen die Jenaer Wissenschaftler die Wellenlänge, registrieren so jede Änderung. Mit dieser zeitlichen Auflösung sind die Ärzte zufrieden. Handlungsbedarf besteht bei der räumlichen Auflösung. Noch befinden sich zwischen den Sensoren -technologisch bedingt - knapp einen Zentimeter große Lücken. Hier wünschen sich die Mediziner eine wirklich lückenlose Überwachung der Speiseröhre.