Nationaltheater Gent

Milo Rau entscheidet sich für "Theater der Zukunft"

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Milo Rau geht als neuer Intendant an das Nationaltheater in Gent © International Institute of Political Murder
Milo Rau im Gespräch mit Andrea Gerk  · 27.04.2017
Der Theatermacher Milo Rau wird Intendant des Nationaltheaters im belgischen Gent. Da es freie Szene und Ensembletheater verbinde, sieht der Regisseur dort ein "Theater der Zukunft".
"Das ist ein System, dass das Modell der freien Szene und das Modell des Ensembletheaters ineinander überblendet", sagte der Theatermacher Milo Rau im Deutschlandfunk Kultur über das Nationaltheater im belgischen Gent, dessen Intendanz er in der Spielzeit 2018/19 übernehmen wird. Für ihn, der jahrelang in der freien Theaterszene mit zahlreichen erfolgreichen Produktionen aktiv war, sei diese Kombination besonders attraktiv. "Es hat vier Bühnen, es hat auch ein Ensemble, es ist aber sehr stark auch ein Tourtheater." Es handele sich in Gent gewissermaßen um das "Stadttheater der Zukunft".

Mehr Gastspiele geplant

Rau sagte, er wolle die Schlagzahl der Gastspiele noch weiter erhöhen. Schon jetzt sei das Genter Haus in dieser Saison mit 400 Gastspielen in 163 verschiedenen Städten in 23 Ländern gewesen. "Das ist eine ganz andere Menge, als man von deutschen Stadttheatern kennt." Er wolle versuchen, in diesem internationalen Theaterbetrieb noch stärker zu werden.

Absage in Zürich

Das Nationaltheater Gent ist das größte Ensembletheater im flämisch-sprachigen Raum. Es wurde zuletzt vom niederländischen Regisseur Johan Simons geleitet. Rau zog wegen der Zusage in Gent seine Kandidatur für das Schauspielhaus Zürich zurück. Dort sind noch die deutschen Regisseure Sebastian Nübling und Nicolas Stemann im Rennen. (gem)

Das Interview im Wortlaut:
Andrea Gerk: Herr Rau, man assoziiert Sie eher mit der internationalen freien Szene, sie haben in Brüssel, Berlin, Zürich oder Moskau inszeniert, was reizt Sie daran, nun an einem festen Ort zu arbeiten?
Rau: Das ist ja das Nationaltheater Gent und das ist ein Modell, dass die freie Szene und das Ensembletheater ineinander überblendet. Es gibt vier Bühnen und ein Ensemble, es ist aber auch sehr stark ein Tourtheater, das einlädt und das alle Modelle ermöglicht. Das ist gewissermaßen das Stadttheater der Zukunft und das ist auch der Grund, warum mich das so interessiert hat.
Gerk: Sie haben ja auch immer international gearbeitet, werden Sie das in Gent auch machen?
Rau: Ja, also Gent hat in dieser Saison, ich glaube: 163 Gastspiele in 23 Ländern gemacht, das ist eine ganz andere Menge als man sie von deutschen Stadttheatern kennt, das ist fast schon ein Tourtheater und diese Schlagzahl werde ich noch erhöhen. Das ist auch einer der Gründe, dass wir versuchen, in diesem internationalen Theaterbetrieb noch stärker zu werden.
Gerk: Sie waren auch als Intendant für das Schauspielhaus Zürich im Gespräch, warum sind Sie da abgesprungen, das klingt ja auch nach einer interessanten Aufgabe…
Rau: Das ist sicher auch eine interessante Aufgabe, ich muss auch zugeben, dass ich da sehr lange gerungen habe – es ist nur, dass das belgische System, dass die freie Szene und das Stadttheaterensemble ineinander überblendet mir ein Stück näher ist. Das ist halt genau das, was ich machen will. Das hat den Ausschlag gegeben, davon abgesehen, dass ich schon sehr lange hier im belgisch-niederländisch-französisch-westdeutschen Raum, ich wohne ja auch in Köln, arbeite, und das auch von der Lage her ideal für mich ist.
Gerk: Gent hat auch ein sehr interessantes Opernprogramm. Ist das eine Stadt, in der man etwas machen kann, was woanders nicht unbedingt möglich ist?
Rau: Ja, unbedingt! Also der ganze Raum hier, ich denke an die flämische Bewegung, wie das in den Achtzigerjahren hieß, also so eine Performancekunst-Bewegung ist im Kommen und da ist Gent natürlich im Zentrum. Es gibt die Oper, es gibt Campo, wo ich "Five Easy Pieces" gemacht habe, das ist auch in Gent. Also es gibt wahnsinnig viel in der Region, es ist auch gleich neben Brüssel, eine andere, unglaublich interessante Stadt im Performancekunst-Bereich, also es ist wirklich eine pulsierende Metropole.
Gerk: Und für jemanden wie Sie, der so politisch denkt, doch ganz besonders, oder?
Rau: Ja, es ist im Herzen des europäischen Projekts und andererseits ist natürlich Belgien von jeher eine seltsame Nation, eine sehr multikulturelle Nation, es gibt hier ja fast nur noch Minderheiten, es ist eine wahnsinnig diverse Lebenswirklichkeit und das ist schon etwas, was in der Schweiz oder in Deutschland auf viel leisere Weise abläuft. Und mich interessiert Diversität.
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