Karl Nagel im Interview

Verweigerung - nicht nur ein Prinzip der Punks

Punks in Muenchen, Haidhausen am Orleansplatz im Jahr 1988
Punks in Muenchen, Haidhausen am Orleansplatz im Jahr 1988 © imago stock&people / STL
Karl Nagel im Gespräch mit Moderator Max Oppel · 22.09.2017
Mit "Pogo-Anarchimus" wollten Punks einst in die Politik. APPD hieß die Partei. Aktuell kämpft keine Punkpartei um den Einzug in den Bundestag. Aber deshalb sei der Pogo-Anarchismus nicht tot, sondern habe vielleicht nur einen anderen Namen, sagt der einstige Aktivist Karl Nagel.
Karl Nagel war einmal Kanzlerkandidat, und zwar für die Anarchistische Pogo-Partei Deutschlands (APPD). Die Slogans lauteten damals "Saufen, saufen, jeden Tag nur saufen!" und "Arbeit ist Scheiße". Außerdem war Karl Nagel auch Mitinitiator der Hannoveraner Chaostage. Diese Chaostage waren Punk-Zusammenkünfte, die die Stadt in Angst und Schrecken versetzten und bundesweit für Schlagzeilen sorgten.
Um zu zeigen, was aus der APPD, dem "Pogo-Anarchimus" und der Punkbewegung wurde, betreibt Karl Nagel inzwischen das größte Punkfoto-Archiv der Welt: mit punkfoto.org. Im Deutschlandfunk Kultur begründet Nagel die Existenz und den Betrieb dieses Archivs mit der Rolle des Punks in der aktuellen Kulturgeschichte: "Punk ist eine Sache, die vierzig Jahre alt ist, und demzufolge ist es für viele Leute ein wichtiger Teil ihrer Vergangenheit. Für mich ist es eine Sache gewesen, die mein Leben gerettet und entscheidend geprägt hat." Und da es hier sicher Hunderttausende gebe, denen es ähnlich ginge, habe dieses Archiv durchaus seine Berechtigung.

Punk und ein Job - das ist kein Widerspruch

Das Archiv sei eine gute Möglichkeit für viele Leute, ihre Vergangenheit zu betrachten und auch wieder mit Leuten aus dieser Zeit Kontakt aufzunehmen. Allerdings betont Nagel durchaus auch prominent sein ganz eigenes Interesse an dem Archiv, als einem Job, den er als alter Punk auch akzeptiert. "Ich habe immer irgendwelche Jobs gemacht - meistens als Webentwickler - und damit das Ding querfinanziert, aber mittlerweile ist das Ding so groß geworden - 28.000 Fotos und eine Million Seitenaufrufe pro Monat -, dass ich das gar nicht mehr nebenbei machen kann." Und Nagel begründet seine aktuelle Werbekampagne für das Archiv ganz einfach: "Ich will einfach nur einen Job, der kein Albtraum ist."

"Arbeit ist scheiße!" finden nicht nur Punks

Und angesprochen auf seine Vergangenheit und die APPD begründet er die aktuelle Inaktivität seiner Partei damit, dass die Aktivisten eben keine Arbeit in die Partei stecken wollten und aufgrund ihrer Grundsätze auch nicht konnten: "Die meisten haben den Satz 'Arbeit ist scheiße!' schon ziemlich wortwörtlich genommen. Das ist quasi der Geburtsfehler dieser ganzen Idee." Doch dieser Drang vieler, die in der Politik ein unerreichbares und fremdes System sehen und nach einem Weg suchen, da selber einmal mitspielen zu können, der sei immer noch da bei vielen, sagte Nagel. "Einfach zu sagen: Wenn das, was die Welt mir vormacht, dieser ganze Irrsinn, mir als normal verkauft wird, dann kann ich mal die eigenen Regeln der Normalität bestimmen - das ist Pogo-Anarchismus und es ist ein Spiel, das ewig weiter geht und muss auch nicht Pogo-Anarchismus heißen." Und Nagel betont: Diese Kritik an der Arbeitswelt, wie sie von den Punks geübt wurde und wird, sei nichts, was nur Punks äußerten.
Derzeit läuft eine Crowdfunding-Kampagne um das klamme Projekt "punkfoto.org" zu retten.
Mehr zum Thema