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Serbien
Belgrads besonderes Verhältnis zu Moskau

Serbien ist seit Langem ein Verbündeter Russlands. Doch mit dem anvisierten EU-Beitritt steht das Land in vielen Fragen im Zwiespalt, so auch bei den Russland-Sanktionen im Ukraine-Konflikt. Die Führung in Belgrad bekräftigt aber, sich nicht nur auf eine Seite schlagen zu wollen.

Von Karla Engelhard | 19.11.2014
    Russlands Präsident Wladimir Putin (m.) mit dem serbischen Präsidenten Tomislav Nikolic (r.) in Belgrad.
    Russlands Präsident Wladimir Putin (m.) mit dem serbischen Präsidenten Tomislav Nikolic (r.) in Belgrad. (picture-alliance / dpa/Srdjan Suki)
    Im Oktober verlieh der serbische Staatspräsident Tomislav Nikolic dem russischen Präsidenten Wladimir Putin den höchsten Orden des serbischen Staates – für "hervorragende Verdienste bei der Entwicklung und Festigung friedliebender Zusammenarbeit und freundschaftlicher Beziehungen". Nikolic sprach aus diesem Anlass Russisch:
    "Lieber Bruder Wladimir, das serbische Volk ist stolz, dass Du den höchsten Orden Serbiens trägst."
    Ein sichtlich entspannter Wladimir Putin bedankte sich bescheiden:
    "Liebe Freunde, ich möchte mich sehr herzlich bedanken. Doch ich glaube nicht, dass ich etwas vollbracht habe, was die Verleihung des höchsten serbischen Ordens rechtfertigt, aber ich verstehe die Auszeichnung als Ausdruck der Achtung und der Liebe des serbischen Volkes gegenüber Russland und dem russischen Volk. Serbien ist für Russland auch in Zukunft der größte Verbündete und engsten Verwandten."
    Serbien betreibt Sowohl-als-auch-Politik
    Aus Sicht des Kreml sind in Südosteuropa Bulgarien und Serbien besonders wichtig, Länder, die traditionell gute Beziehungen zu Moskau pflegen. Doch andererseits auch Länder, die bereits, wie Bulgarien, in der Europäischen Union sind oder auf dem Weg dorthin, wie Serbien. Als EU-Kandidat ist Serbien verpflichtet, die Außenpolitik der Union zu übernehmen und damit auch die Sanktionen gegen Russland. Doch Sanktionen gegen Russland lehnt Belgrad ab und betreibt lieber eine Sowohl-als-auch-Politik, die der serbische Außenminister Ivica Dacic auch offiziell propagiert:
    "Serbien will EU-Mitglied werden. Das ist unser nationales und staatliches Interesse. Aber Serbien will und wird niemals gegen Russland sein. Unsere EU-Mitgliedschaft wird keineswegs unsere Verbindungen mit Russland schwächen oder gar abbrechen. Ich habe das auch nie als eine Entweder-oder-Frage begriffen, entweder Russland oder die EU. Wir wollen gute Beziehungen sowohl zur EU als auch die Fortsetzung unserer guten Beziehungen zu Russland. Warum sollte man von Serbien fordern, sich zu entscheiden, wenn andere europäische Länder noch viel engere wirtschaftliche Kontakte zu Russland haben."
    Von 2007 bis 2013 hat Serbien Russland Waren für gut vier Milliarde Euro geliefert, aber für fast 33 Milliarden Euro in die Europäische Union. Investitionen aus den EU-Ländern überstiegen die aus Russland um fast das Vierfache. Belgrad biss in den vergangenen Jahren bei Putin auf Granit, mit der Bitte um billige Milliardenkredite oder bei der zollfreien Einfuhr für in Serbien produzierte Fiat-Autos, den größten Exportartikel des Landes.
    Vucic traf bereits mehrere Entscheidungen, die auf wenig Sympathie in Moskau treffen: Im September kündigte Serbien an mit der NATO einen "individuellen Partnerschaft-Aktionsplan" zu unterzeichnen, die Vorstufe zu einer möglichen NATO-Mitgliedschaft. Kurze Zeit darauf erlaubte Vucic in Belgrad eine Schwulen- und Lesbenparade und ließ sich von rund 7000 Polizisten und Sondereinheiten sichern. Und das, obwohl die sehr einflussreiche orthodoxe Kirche wie in Russland gegen Homosexualität als angebliche Krankheit wettert.
    Streitpunkt South-Stream-Pipeline
    Im Zentrum des russischen Interesses in Serbien steht die Erdgas-Pipeline South-Stream, mit der Putin die Ukraine umgehen will. Im Nachbarland Bulgarien, wo die Pipeline nach ihrem Weg durch das Schwarze Meer ihren Landweg nach Europa beginnen soll, ist das Projekt auf Druck der EU bereits eingefroren. Nach Lesart Brüssels widerspricht es EU-Recht. Serbien will South-Stream bauen, Russland verspricht Geld und Einfluss für Belgrad in der Region – als Transitland nach Europa. Moskau übe keinen Druck auf Belgrad aus, betont der serbische Außenminister Ivica Dacic in Zeitungsinterviews im Westen. Der serbische Historiker und derzeitige serbische Botschafter in Moskau Slavenko Terzic erklärt das russisch-serbische Sonderverhältnis so:
    "Es gibt eine historische Analogie. Wenn sich Russland in einer tiefen Krise befindet, dann steht es auch um die Serben schlecht. Wenn Russland sich erholt, geht es auch uns Serben besser..."