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Serbien und die Flüchtlinge
Europäischer als mancher EU-Staat

Während Ungarn kilometerlange Zäune baut, Slowenien Züge mit Flüchtlingen an der Grenze stoppt und Kroatien mit der Situation total überfordert ist, holt sich Serbien für seine Flüchtlingspolitik Lob an jeder Ecke ab. Wie konnte ein Nicht-EU-Land die EU so in den Schatten stellen?

Von Rayna Breuer | 24.09.2015
    Ein Flüchtling schaut am 15.09.2015 vor dem geschlossenen Grenzübergang nach Ungarn bei Horgos in Serbien durch den Grenzzaun.
    Mit deutscher Hilfe baut Serbien zusätzliche Notunterkünfte an den Grenzen. (picture alliance / dpa / Gregor Fischer)
    Ahmed versucht zu beruhigen. Er warte bis die Grenze nach Kroatien geöffnet wird, es gehe ihm gut, erklärt er seinem Vater in Syrien. Ahmed ist mit seinem Cousin nach Europa gekommen – über das Mittelmeer nach Griechenland, dann Mazedonien und nun Serbien. 3.000 Euro hat er bis jetzt gezahlt. Nun will er weiter. Über die Brücke nach Kroatien.
    Doch heute bleibt die Grenze zwischen dem serbischen Bezdan und dem kroatischen Batina für alle gesperrt. Die Hitze ist an diesem Nachmittag unerträglich - über 35 Grad sind es. Einige suchen Abkühlung in der Donau, andere haben Zelte auf der Brücke aufgebaut. Serbische Hilfskräfte verteilen Wasser und bieten erste Hilfe. Auf die wichtige Frage, wie es für die Flüchtlinge weitergeht, haben aber auch sie keine Antwort. Polizisten in voller Montur, drei Einsatzwagen der kroatischen Polizei und ein Bulldozer - made in Germany – versperren die Weiterreise.
    Serbien liegt auf der sogenannten Balkanroute. Täglich kommen circa 3.500 Menschen ins Land. Serbien zeigt sich offen und hilfsbereit, es präsentiert sich europäischer als manch anderer EU-Staat:
    "Wir sind sehr organisiert. Sie sehen, was in unserem Nachbarland Kroatien passiert. Circa 10.000 Flüchtlinge sind bis dato gekommen und Kroatien hat den Ausnahmezustand erklärt. Wir hingegen haben 100.000 Flüchtlinge registriert und haben nicht den Ausnahmezustand erklärt, wir schließen nicht unsere Grenzen, wir wollen es niemandem aufbürden", sagt der serbische Minister für Arbeit und Soziales, Alexandar Vulin, bei einem Besuch des Durchganglagers in Kanjiza, nahe der serbisch-ungarischen Grenze. Seit Monaten geben serbische Behörden und viele freiwillige Helfer ihr Bestes, um Flüchtlinge zu versorgen.
    Mit deutscher Hilfe baut Serbien zusätzliche Notunterkünfte an den Grenzen – mit Heizungen, Sanitäranlagen und Internetanschluss. Intensive Vorbereitungen auf den kommenden Winter. Serbien, der Krisenmanager Europas? Dabei ist das Land nicht einmal EU-Mitglied. Jetzt ist die Europäische Union am Zug.
    "Wir sind nicht Teil der EU. Das wissen Sie. Dublin-II gilt nicht für uns. Wenn sich ein EU-Land entscheidet, die Flüchtlinge zurückzuschicken, dann nicht zu uns, sie müssen in ein anderes EU-Land gehen. Wir sind nicht in der EU," macht Alexandar Vulin klar. Nicht klar ist, wie es für Ahmed heute weiter geht.
    Am Nachmittag kommen mehrere Busse aus Serbien. Fünf Euro kostet es pro Person, Kinder fahren kostenlos. Man wolle die chaotischen Zustände, wie wir sie in Kroatien in den vergangenen Tagen gesehen haben, vermeiden, sagt ein serbischer Sanitätshelfer. Ahmed packt seine Sachen und steigt ein. Heute wird er noch einmal in Serbien übernachten müssen. Doch morgen will er weiterziehen, er hat noch einen weiten Weg vor sich.
    "Germany, Germany"
    Deutschland, Ahmeds Traum, ist noch 620 Kilometer Fußmarsch von hier entfernt.