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Serie: Blinde Liebe
Wie der Fußball die Wissenschaft nutzt

Fußball ist in unserer Gesellschaft mittlerweile allgegenwärtig. Der fünfte Teil unserer Serie "Blinde Liebe" zeigt, wie und warum der Sport auch mit wissenschaftlichen Einrichtungen kooperiert.

Von Moritz Küpper | 17.01.2016
    Neutraler Lederball - Fußball-Symbolbild
    In den Medien, in der Wirtschaft, in der Wissenschaft: Fußball ist überall. (imago)
    Ein atemberaubendes Bergpanorama. Franz Beckenbauer sitzt auf einer Bank - neben ihm ein kleiner Junge:
    "Franz, was ist eigentlich ein Goal?"
    "A Goal, das ist ein Tor. Im Englischen heißt es aber auch Ziel."
    Es ist ein Werbesport des "Camp Beckenbauers", einem Gipfeltreffen der Größen aus der internationalen Sport-Welt. Drei Mal haben sich bislang in Kitzbühl, nahe Beckenbauers Heimat, Männer wie der nun suspendierte FIFA-Boss Sepp Blatter, IOC-Chef Thomas Bach, aber auch zahlreiche weitere Funktionäre und Manager aus der Welt des Sports, vor allem aber aus dem Fußball, getroffen. Das Ziel lautet nicht weniger, als die Zukunft des Sports aktiv mitzugestalten - oder wie es Beckenbauer in dem Video sagt:
    "Im Sport, wie auch im Leben, braucht es immer ein Ziel. Eine Idee. Eine Vision."
    "Camp Beckenbauer - the future of sports."
    Wie der Fußball selbst "Themen setzt"
    Die Zukunft des Sports. Wer sich den Werbespot heute anschaut, fühlt sich allerdings eher an die Vergangenheit erinnert - angesichts der großen Affären im Weltfußball allgemein, und rund um die WM-Vergabe 2006 sowie die Schlagzeilen um die Person Beckenbauer im Speziellen. Doch das "Camp Beckenbauer" ist ein Paradebeispiel dafür, wie sich der Sport, speziell der Fußball professionalisiert, wie er selbst Themen setzen will - und wie er dafür auch wissenschaftliche Einrichtungen nutzt.
    "Wir sind sozusagen das wissenschaftliche Rückgrat vom "Camp Beckenbauer".
    Sagt Sascha Schmidt. Er ist Professor an der "WHU - Otto Beisheim School of Management", einer der betriebswirtschaftlichen Kaderschmieden des Landes. Am Standort Düsseldorf hat Schmidt das "Center for Sports and Management" aufgebaut, interessiert sich - so der Text auf der Homepage - für die "sozialen und ökonomischen Wirkungen des Spitzensports". Und ist eben auch das wissenschaftliche Rückgrat für das "Camp Beckenbauer".
    "Das bedeutet, dass wir auf der einen Seite, Themen, die beim Global Summit einmal im Jahr von weltweiten Entscheidungsträgern identifiziert werden, dass wir diese Themen vertiefen, weiterführen und dort auch eine fundierte Diskussionsgrundlage schaffen."
    "Camp Beckenbauer"
    Das "Camp Beckenbauer" ist ein Vertragspartner von Schmidt, finanziert am Institut einen eigenen Bereich mit eigenen Stellen. Wie lange das Projekt "Camp Beckenbauer" allerdings noch laufen wird, ist angesichts der aktuellen Diskussion noch nicht klar. Der Deutsche Fußball-Bund, kurz DFB, und die Deutsche Fußball-Liga, DFL, haben - so ein Bericht der Zeitung "Die Welt" - ihre finanzielle Unterstützung durch eine jährlich niedrige sechsstellige Summe auf den Prüfstand gestellt. Doch auf dem Campus Düsseldorf von Professor Schmidt gibt es noch weitere Kooperations-Projekte:
    "Wir haben die sogenannte SPOAC, die "Sport-Business-Academy", zusammen mit der DFL und mit dem DFB als Gründungspartner ins Leben gerufen."
    Gastdozenten wie DFL-Geschäftsführer Christian Seifert, DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock, Hannover 96-Boss Martin Kind oder der Nachwuchschef des Hamburger SV, Bernhard Peters, waren schon da. Das Ziel: Die Studenten für Führungsaufgaben in der Sportwelt vorzubereiten. Und Schmidts Studiengang ist dabei in guter, weil großer Gesellschaft: Der FC Schalke 04 unterhält seit jüngstem die "S04 Sportakademie", der VfL Wolfsburg bietet in seinem "VfL Sportbusiness Campus" seit dem Wintersemester einen "Bachelor of Business Administration" an und sogar der Zweitligist SpVgg Greuther Fürth betreibt den "Kleeblatt Campus". Für den Fußball hat der enge Draht zur Wissenschaft zwei Effekte: Zum einen fördert es die professionelle Ausbildung in einem Geschäft, das nunmehr einen Milliarden-Umfang hat, zum anderen sorgt es mit wissenschaftlichen Studien dafür, dass ein gesellschaftlicher Stellenwert untermauert wird - wie beispielsweise mit der Studie "Wir sind Nationalmannschaft" von Professor Schmidt aus dem Jahr 2013. Darin wird gezeigt, ...
    "..., welche gesellschaftliche Strahlkraft von der Nationalmannschaft ausgeht und welche Identifikationswerte eine Mannschaft in der Gesellschaft hinterlässt."
    Es geht aber noch konkreter: "Wachstumsmotor Bundesliga", heißt eine McKinsey-Studie, nach der die Bedeutung des professionellen Fußballs in Deutschland immer weiter zunimmt, er für 110.000 Vollzeitarbeitsplätze sorgt und jährlich 2,3 Milliarden Euro an Steuern und Abgaben gezahlt werden. Im Streit um beispielsweise die Kosten für Polizeieinsätze sind dies durchaus gute Argumente.
    Kooperationen mit Forschungseinrichtungen
    Ein weiteres Beispiel: Professor Schmidt untersuchte auch den wirtschaftlichen Effekt von Bundesliga-Vereinen auf eine Stadt an den Beispielen von Hoffenheim, Leverkusen und Wolfsburg. Ergebnis: Positiv. Doch die "Frankfurter Rundschau" bemängelt einst, dass es sich dabei um Auftragsstudien handelte. So habe Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp die wissenschaftliche Arbeit einst mit 1,5 Millionen Euro über fünf Jahre unterstützt. Ein Vorwurf, der für Schmidt nicht nachvollziehbar ist. Es sei klar, dass dafür Drittmittel fließen, ...
    "... wobei wir uns selbstverständlich vorbehalten, da jetzt inhaltlich nicht eingeschränkt zu sein. Das ist immer die notwendige Bedingung überhaupt so eine Kooperation einzugehen. Und das ist natürlich auch das, was die Auftraggeber wünschen. Wenn die sich jetzt sagen wir mal ein Ergebnis bestellen könnten, das ist ja nicht das, was man von einer Uni erwarten kann und erwarten sollte."
    Doch ähnlich wie diese Stadt-Studien sorgen Medien-Veröffentlichungen getreu dem Motto "Was bringt einem Land eine Fußball-Weltmeisterschaft?" für ein positives Grundrauschen. Gerade vor Großereignissen wie Welt- oder Europameisterschaften ist die Nachfrage nach Volkswirten wie beispielsweise Henning Vöpel, Direktor am Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut, groß. Doch Schmidt und Vöpel sind nicht alleine mit ihren Projekten:
    "Liebe Studierende, Kollegen, Freunde, Bekannte des Sportrechts, ich begrüße Sie alle recht herzlich zum 7. Kölner Sportrechtstag."
    Eine "Win-Win-Situation"
    Die Deutsche Sporthochschule in Köln. "Diskriminierung im Fußball", so das Thema der Veranstaltung. Auch hier, an der wohl renommiertesten Einrichtung des Landes, gibt es viele Kooperationen mit dem Fußball-Betrieb: Der 1. FC Köln ist Partner der Spoho, auch der niedersächsische Fußballverband. Auf Deutschlandfunk-Anfrage übermittelte die Hochschule eine Liste mit Kooperationspartnern, in nicht allen Fällen dürfen die Daten weitergegeben werden. Die Liste zeigt aber, dass der DFB beispielsweise für das Projekt "Anforderungsprofil von Trainern im Profifussball" knapp 130.000 Euro zahlt. Der Fußball und die Wissenschaft, beide haben längst erkannt, wie sie voneinander profitieren. Für Professor Schmidt von der WHU Düsseldorf, gibt es neben dieser Win-Win-Situation, aber auch gerade einen fachlichen Reiz, vor allem im Sport-Business:
    "Weil dort gibt es einfach einzigartige Daten, die man so in der Wirtschaft nicht findet. Im Sport kann ich hervorragend messen. Die individuelle Leistung eines Ballsportlers, eines Basketballspielers oder Fußballspielers, während ich die individuelle Leistung von einem Manager natürlich nicht annähernd klar definieren und messen kann. Und so kann man aber eben Themenstellungen, die wir in der Wirtschaft finden auf den Sport übertragen und den Sport damit als Experimentierfeld nutzen."
    Ein Experimentierfeld, das sich durchaus in Szene zu setzen weiß.