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Serie: Hidden Champions
Mit der Antriebswelle zum Welterfolg

Das Kürzel IFA stand in der DDR für "Industrieverband Fahrzeugbau". Der ist längst Geschichte. Die meisten Betriebe haben die Wende nicht überlebt - außer einem Zulieferer in Haldensleben in Sachsen-Anhalt: Der heißt noch immer IFA, baut millionenfach Gelenkwellen und ist damit die Nummer eins in Europa und den USA.

Von Christoph Richter | 28.09.2015
    Autos und Lkw fahren auf der A2 bei Helmstedt (Niedersachsen) im Sonnenuntergang.
    Bei der Firma IFA Rotorion werden jährlich vier Millionen Gelenk- und Antriebswellen hergestellt, die in fast allen großen Automarken zu finden sind. (imago stock & people)
    Gerade werden die Kugeln in den Rollenausgleich eingepresst, so heißt dieser tubusartige Zylinder, eine teleskopähnliche Gelenkwelle, die Verbindung zwischen Getriebe und Rad, die sich bei einem Unfall selbstständig zusammen schiebt und damit nicht in den Fahrgastraum gelangt, erläutert Unternehmenssprecherin Berit Lenze von IFA Rotorion.
    "Wir sind in Europa Marktführer, wir sind auch in den USA für PKW Marktführer. Da sind wir sehr stark."
    Aggressiver Auftritt hat geholfen
    Der in Düsseldorf und Paris studierte Betriebswirtschaftler Felix von Nathusius - rote Krawatte, graue Flanellhose - ist der Geschäftsführer des Unternehmens. Sprössling alten Industrieadels, der seit dem 18. Jahrhundert in der Börde ansässig ist. Nur 40 Jahre - also zu DDR-Zeiten - war die Familie weg, vor den Sowjets geflohen. Seit 1992 sind die von Nathusius zurück. Und haben den ostdeutschen LKW-Zulieferbetrieb IFA Haldensleben - einen Teil des DDR-Kombinats Industrieverband Fahrzeugbau - von der Treuhand aufgekauft. Mit 80 Mitarbeitern haben die neuen Besitzer damals angefangen. Renaissance nennt es Geschäftsführer von Nathusius.
    "Wir sind außerordentlich aggressiv aufgetreten und außerordentlich optimistisch an den Markt gegangen. Wir waren der flexibelste Marktteilnehmer. Also wir haben immer Ja gesagt. Egal zu welchem Preis, egal zu welcher Herausforderung. Wir haben immer Ja gesagt, Nein wurde nicht akzeptiert. Am Ende des Tages haben wir immer Lösungen gefunden."
    Die ersten zehn Jahre waren auch die Schwierigsten, weil sie Banken und Geldgeber überzeugen musste, ergänzt von Nathusius noch. Jetzt aber sind die Auftragsbücher voll.
    Volle Auftragsbücher
    Das Unternehmen macht einen Umsatz von etwa 500 Millionen Euro. Felix von Nathusius der 2009 die Unternehmensführung von seinem Vater übernahm, spricht da aber lieber von einer halben Milliarde Euro, klingt besser sagt er. Er sieht das Unternehmen als Underdog, der aus der Provinz kommt. Der Umsatz soll sich in den nächsten Jahren verdreifachen.
    "Also wir bauen Werke in anderen Kontinenten auf. Wir haben einen Standort der sehr ähnlich wie der in Haldensleben ist, in Charleston, South Carolina. Bedienen von dort unsere deutschen und amerikanischen Kunden. Aber die amerikanischen Kunden sind größer als unsere deutschen Kunden mittlerweile. Wir liefern da von Kanada bis Mexiko, Venezuela, Brasilien. Wir haben seit letztem Jahr einen Fertigungsstandort in China, in Schanghai. Dort auch schon mehr als 100 Mitarbeiter, die auch dasselbe tun, was wir hier auch machen."
    Aber das Herz pocht in Haldensleben, 20 Kilometer nördlich von Magdeburg.
    "Hier sind wir ein großer Fisch in einem kleinen Tümpel."
    Fast wie ein wildes Tier den man in einen Käfig gesteckt hat - baut ein zackiger Roboter Gelenkwellen zusammen. In einem Schweißcontainer, der aussieht wie ein Stück eines ICE werden die Antriebswellen mit den Gelenken verschweißt. Nebenan stehen Mitarbeiter - wie in einem Science-Fiction-Film - in weißen Handschuhen an einer Werkbank.
    "Kein Fett. Muss ja alles sauber sein. Ich überprüf die Gelenke, ob alles in Ordnung ist."
    Innovation hat oberste Priorität
    Vor sechs Jahren hat IFA aus Sachsen-Anhalt den Gelenkwellen-Hersteller Rotorion aus Friedrichshafen am Bodensee übernommen, weshalb sich das Unternehmen heute auch IFA-Rotorion nennt.
    2.200 Mitarbeiter und 100 Auszubildende beschäftige IFA Rotorion weltweit, heißt es. Innovation, Innovation, Innovation: Das sei der Dreiklang erzählt von Nathusius noch. Und um zu zeigen, zu welche Spitzenleistungen die Ingenieure in Haldensleben fähig seien, haben sie neben einer - allerdings nicht serienreifen, aber voll funktionsfähigen - Antriebswelle aus dem Naturstoff Hanf, eine zwei Kilogramm schwere Karbonwelle - die weltweit leichteste Antriebswelle - entwickelt.
    "Wir wollen das führende Industrieunternehmen werden in den Neuen Bundesländern. Mit seinen Wurzeln hier in der Börde, in Haldensleben, im Speckgürtel von Magdeburg."