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Serie: Hidden Champions
Mit neurochirurgischem Implantat auf der Überholspur

Als Christoph Miethke mit zwei Kollegen kurz nach der Wende anfing, hat niemand damit gerechnet, dass er heute 130 Mitarbeiter beschäftigt und 14 Millionen Euro Umsatz macht. Der Medizintechnikhersteller ist mit seinem neurochirurgischen Implantat zur Behandlung von Hydrocephalus (Wasserkopf) unter den Top Drei der Welt.

Von Vanja Budde | 29.09.2015
    Die Vorbereitung sowie die Anästhesie in einem OP.
    Etwa 20.000 Ventile im Jahr verschickt die Christoph Miethke GmbH von Potsdam aus an Krankenhäuser und Gehirnchirurgen in aller Welt. (picture-alliance / dpa / Klaus Rose)
    Das neurochirurgische Ventil ist aus silbernem Titan und etwa so groß wie eine Fünf-Cent-Münze. Es wird hinter das Ohr unter die Kopfhaut implantiert und leitet über einen Katheter überschüssiges Hirnwasser ab, erklärt Michaela Funk-Neubarth von der Firma Miethke.
    "Das sind Gravitationsventile. Wenn man den Kopf mit dem Bauchraum verbindet, dann verbindet man zwei Systeme, die normal so nicht miteinander verbunden wären. Und jetzt müssen Sie sich zwei Wassergläser vorstellen, die Sie mit einem Schlauch verbinden: Der Patient steht auf, dann läuft das obere Gefäß leer. Und wenn die Hirnkammern leerlaufen, dann können die kollabieren. Das heißt, die fallen zusammen."
    Die Ventile von Miethke verhindern das mit einer innovativen Technik. Aber die soll "der Christoph" selber erklären, sagt Michaela Funk-Neubarth.
    Auf dem Weg zum Chef machen wir einen Abstecher durch die Entwicklungsabteilung: Die Firma wächst schnell: Die Serienproduktion ist schon in einen zweiten Standort in der Nähe ausgelagert, der dritte, eine ehemalige Reithalle, wird gerade saniert.
    Implantate international gefragt
    Eine Maschine schneidet Titanstangen klein, einen Gang weiter in einem sterilen, laborähnlichen Raum mit Panoramascheiben stehen Männer und Frauen in weißen Kitteln an kleinen Handpressen.
    "Und was er da jetzt macht: Er prüft die verschiedenen Druckstufen, es gibt zig Prüfprozesse zwischendrin immer mal wieder"
    Etwa 20.000 dieser Ventile im Jahr verschickt die Christoph Miethke GmbH von Potsdam aus an Krankenhäuser und Gehirnchirurgen in aller Welt, nach China zum Beispiel: Ein stark wachsender Markt. Darum war die Nähe zu Berlin mit seinen zwei Flughäfen und der Uniklinik Charité bei der Standortwahl entscheidend. Außerdem habe seine Frau mit den drei Söhnen ins grün gelegene Potsdam gewollt, sagt Christoph Miethke. Sein Vater und der Schwiegervater waren Unternehmer, er selbst wollte mit 18 noch Glasbläser werden, Töpfer oder Künstler.
    "Also ich war so ein Reparierer. Ich komme aus einer Familie mit vielen Kindern. Wir waren sieben Kinder, da ging mir das auf den Keks, dass bei uns lauter kaputte Fahrräder standen. Und einen Nachmittag habe ich alle Fahrräder repariert, weil ich das einfach nicht mehr wollte, dass die kaputt waren."
    Ein stark wachsender Markt
    Tüfteln und kleinteiliges Fummeln: Das müssen seine Mitarbeiter auch mögen. Miethke hat zwei Uhrmacher angeheuert und bildet auch selber aus. Zuletzt 14 Millionen Euro Umsatz, die Mitarbeiterzahl hat sich alle paar Jahre verdoppelt, auf inzwischen 130: Als Miethke mit zwei Kollegen kurz nach der Wende anfing, hat damit niemand gerechnet.
    "Es gab solche Produkte, aber die waren in der Funktion ganz anders und wir haben dann unsere eigene Entwicklung dagegengestellt, also gegen diese Giganten - Medtronic und Codman. Die waren eben damals schon am Start."
    Miethke will an die Spitze
    Obwohl sein Unternehmen im Vergleich zu den Branchenriesen winzig ist, zeigt sich der schlanke, braun gebrannte 55-Jährige im legeren Hemd angriffslustig: Nummer drei reicht ihm nicht: Christoph Miethke will an die Spitze.
    Schließlich könne sich nur das von ihm entwickelte Implantat an alle Lebenslagen anpassen und den je nach Körperhaltung wechselnden Wasserdruck im Kopf ausgleichen.
    "Wenn der Patient steht, muss ein Ventil anders funktionieren als im Liegen. Das haben die anderen im Wesentlichen ignoriert. Mit diesem Gedanken, im Stehen, im Liegen unterschiedliche Ventile zu haben, die sich automatisch mit der Haltung immer anpassen, haben wir es geschafft, dass wir in Deutschland definitiv Marktführer sind. Und wir sind in vielen, vielen Märkten sehr dynamisch am Wachsen, einfach aufgrund dieser Erkenntnis."
    Christoph Miethke ist in Krefeld geboren, er ging mit seiner Firma in den Osten, weil das Bedingung war: Damals wurden Gründungen in den funkelnagelneuen Bundesländern zu 85 Prozent gefördert. Doch im rot-rot regierten Brandenburg hat Miethke sich auf Anhieb gut aufgehoben gefühlt:
    "Brandenburg war so: Wer was machen will, wer aufbrechen will, der ist hier willkommen und macht einfach mit. So habe ich es wirklich erlebt."