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Serie: Hidden Champions
Qualitätsrodler aus Thüringen

Schnee ist ihr Kerngeschäft: Das thüringische Unternehmen KHW produziert Rodelschlitten aus Kunststoff. Aus dem volkseigenen Betrieb der DDR-Zeit hat sich ein Weltmarktführer entwickelt, der derzeit an Neuheiten wie Wüstenschlitten tüftelt.

Von Henry Bernhard | 01.10.2015
    Ein Junge fährt mit einem Plastik-Bob über eine kleine Schneeschanze.
    Rodelschlitten, so ähnlich wie auf diesem Bild, sind das Kerngeschäft der KHW im thüringischen Geschwenda. (picture alliance / dpa / Felix Kästle)
    "Also hier gehen wir zunächst erst mal in das Fertigwarenlager", sagt Ralf Groteloh. Er ist der Geschäftsführer der KHW, der Kunststoff- und Holzverarbeitungswerk GmbH im thüringischen Geschwenda: "Und sie sehen: Die Lager sind voll; wir warten also auf den Winter, möglicherweise noch Schnee vor Weihnachten."
    Schnee vor Weihnachten bedeutet, dass Eltern ihren Kindern Schlitten unter den Weihnachtsbaum legen. Etwa jeder dritte Plastikschlitten in der Welt kommt aus Geschwenda. Wenn da nur nicht die schlechten Winter wären: "Also, wir hatten jetzt zwei ohne Schnee, ein dritter würde mir große Bauchschmerzen bereiten."
    In der großen Werkhalle stehen 13 Spritzgussmaschinen - jede von ihnen tonnenschwer und durch Schläuche mit dem Rohstoff, einem Plastikgranulat, versorgt.
    "Sie bekommen also das Material von außen, wird vorher getrocknet, wird eingefärbt, wird hier dann entsprechend erhitzt und mit hohem Druck in so ein Werkzeug eingebracht. Und dann ist das Teil letztendlich fertig."
    Seit mindestens zehn Jahren Weltmarktführer
    Am Ende kommt ein blauer Plastikschlitten aus der Maschine, dem noch die Bremsen fehlen. Seit den 70er Jahren werden in Geschwenda mitten im Thüringer Wald Plastikschlitten hergestellt. Seit mindestens zehn Jahren seien sie nun Weltmarktführer, meint der Vertriebschef von KHW, Götz Monecke:
    "Also, jetzt zu sagen, wir sind Weltmarktführer in dem Bereich der Popo-Rutscher, das würde ich absolut nicht sagen. Da gibt es tausend Billiganbieter. Aber wir sind sicher Weltmarktführer in dem Bereich innovative Schlitten, was diese Lenkschlitten angeht. Sagen wir mal: Weltmarktführer ab einer bestimmten Qualitätsstufe."
    Schlitten mit Bremsen, mit Lenkung, mit Federung, mit Beleuchtung oder Soundmodul. Was aber macht die Weltmarktführerqualität bei einem scheinbar einfachen Produkt aus? Geschäftsführer Ralf Groteloh:
    "Man muss zunächst einmal vernünftige Produkte haben, Qualität produzieren; und wir liefern unsere Produkte von Amerika, Japan, bis eben in die Schweiz und natürlich auch nach Deutschland."
    KHW legt Wert auf Qualität
    Für Vertriebschef Götz Monecke ist es vor allem die Qualität und Sicherheit Made in Germany: Alle Teile, auch die diversen Anbauten aus Metall, würden selbst gefertigt und auch selbst montiert. Ein Beispiel:
    "Viele Hersteller sagen dann: Wir haben eine Metallbremse. Heißt aber in deren Verständnis: Sie haben hier einen Kunststoffbremsarm, sie haben eine Kunstoffachse und haben dann hier unten teilweise nur eine kleine Metallkralle drin. Wir sagen: Wir haben eine Metallbremse; und das wird vom Beginn des Bremshebels, über die Achse, dann hinten richtig über eine Metallkralle die Bremskraft dann wirklich 1:1 dann weitergegeben."
    KHW macht einen Jahresumsatz von etwa zehn Millionen Euro; einen guten Teil davon mit Schlitten, den Rest mit Gartengeräten und Plastikspielzeug, um die teuren Maschinen rund um die Uhr auszulasten. Schon die Entwicklungskosten für einen neuen Schlitten sind enorm: Design, Marktforschung, Berechnung, Zertifizierung beim TÜV kosten um die 200.000 Euro, dazu noch Werkzeugkosten von 100- bis 250.000 Euro für die Spritzgussmaschinen.
    "Und zum Schluss kommen die lieben Chinesen und bauen es nach und verkaufen es auf dem asiatischen Markt 1:1. Nicht in der Qualität, nicht mit dem Material, aber zu günstigeren Preisen. Obwohl an der Stelle halt durch material- und Produktfehler Spielzeugrichtlinien nicht unbedingt das große Thema sind."
    Tests in Namibia-Wüste für neue Schlitten
    Bei KHW wollen sie sich weiter auf die eigene Qualität verlassen. Ein großer Plan für die nächsten Jahre ist der Wüstenschlitten, der auf Sand fahren soll:
    "Wir haben ein, zwei Designentwürfe gehabt, die sind zur Zeit in der Namibia-Wüste zum Testen."
    "Im Winterbereich wissen wir: Wie muss eine Geometrie sein? Es gibt unterschiedliche Sandverhältnisse, es gibt unterschiedliche Kornstärken; es muss ein Material sein, was dem allen entspricht, so ein guter Mittelweg - und das dauert auch ein bißchen."
    "Aber wir werden sicherlich der erste sein, der das in Serienproduktion macht und der auch die entsprechenden technischen Parameter einhält, dass das auch vernünftig funktioniert."
    Auch mit dem ersten Sandschlitten für die Sahara wären sie dann wohl wieder - Weltmarktführer.