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Serie: Krisenkeim?
Der Druck auf den britischen Immobilienmarkt wächst

In der ersten Juliwoche waren britische Zeitungen voll mit alarmierenden Schlagzeilen: Von einem "Crash" auf dem Immobilienmarkt war die Rede. Die Hauspreise seien dabei, in den Keller zu fallen. Folgt auf den Brexit die Immobilienblase?

Von Sandra Pfister | 19.07.2017
    Bunte Reihenhäuser im Londoner Stadtteil Notting Hill, aufgenommen am 16.9.2011
    Besonders der Londoner Immobilienmarkt ist in Großbritannien umkämpft. Selbst kleine Reihenhäuschen wie hier in Notting Hill kosten hier leicht mal eine Million Pfund. (imago / imagebroker)
    Wer von einer Immobilienblase auf der Insel redet, der meint vor allem London. Die Londoner Hauspreise sind im vergangenen Jahrzehnt um 68 Prozent gestiegen. Selbst 100 Quadratmeter kleine, nicht allzu schmucke Reihenhäuschen in den Außenbezirken der Stadt kosten hier leicht mal eine Million. Pfund, wohlgemerkt - also etwa 1,2 Millionen Euro.
    Ist das ein völlig von der Realität abgekoppelter Anstieg, ein Hype - das Kernelement einer Blase? Nein, sagen die meisten britischen Immobilienexperten, so auch Ashley Osborne, Leiter der Abteilung für britische Privatimmobilien beim Immobilienkonzern Colliers International.
    Es fehlt an Bauland
    "Die steigenden Preise auf dem Londoner Häusermarkt können durch ganz einfach messbare Dinge erklärt werden Hier und im ganzen Königreich steigen die Preise, weil es eine hohe Nachfrage gibt, aber wenig Angebot. Und das wird sich auch nicht so schnell ändern, das ist der Punkt."
    Mehr Wohnraum könnte es erst geben, wenn mehr Bauland ausgewiesen werde. Das aber passiert seit Mitte der 50er Jahre kaum noch, denn dazu müssten Wald- und Wiesenflächen am Stadtrand angetastet werden sagt Professor Paul Cheshire von der London School of Economics.
    "Dafür ist vor allem unser Planungssystem verantwortlich, es wird einfach kaum neues Bauland ausgewiesen, so erleben wir das seit 1952, seit die Green Belts verordnet wurden, die Grüngürtel um die Städte."
    Die Angst vor der Immobilienblase
    Doch obwohl Wohnraum knapp ist, sind im März zum ersten Mal seit zwei Jahren die Immobilienpreise gesunken. Und der Trend scheint sich zu verstetigen. Und prompt ist die Angst zurück, dass der Markt lange Zeit doch von Spekulanten künstlich aufgepumpt worden sein könnte. Als Kronzeugen zitieren viele Zeitungen den Immobilienforscher Paul Cheshire. Der fühlt sich zu Unrecht vereinnahmt.
    "Das ist eine Übertreibung. Wir bewegen uns in Richtung einer Abwärts-Korrektur, vor allem, weil die Reallöhne fallen. Sie fallen gerade ganz erheblich."
    Viele Briten haben, obwohl sie das Gleiche verdienen wie noch vor einem Jahr, de facto viel weniger in der Tasche, weil das Pfund seit dem Brexit-Votum viel weniger wert ist und zugleich die Lebenshaltungskosten steigen. Das führt dazu, dass die Preise etwas sinken. Aber noch müssten Londoner ihre Wohnungen nicht unter Wert verkaufen, sagt Ashley Osborne.
    "Was man im Moment sehen kann: Wenn potenzielle Verkäufer nicht den Preis kriegen, den sie gerne hätten, nehmen sie die Objekte einfach wieder vom Markt und sagen: Wir verkaufen lieber nicht, wir behalten unsere Immobilie erst mal, sie haben nicht so viel Druck."
    Einwanderung immer noch hoch
    Und der Brexit? Das Votum hat das Pfund geschwächt und den Markt nach unten korrigiert. Aber könnte der Austritt Großbritanniens aus der EU am Ende die Immobilienpreise ins Bodenlose stürzen lassen? Kurz nach dem Votum glaubten noch einige Bankanalysten, der Brexit könnte der "Schwarze Schwan" sein, das unerwartete und seltene Ereignis, das eine Lawine auslöst, die die Preise ins Bodenlose stürzen lässt. Davon rücken heute viele Experten ab.
    Ashley Osborne: "Die Realität ist, dass die Einwanderung ins Vereinigte Königreich, besonders nach London, hoch ist, und es wird erwartet, dass das weitergeht, egal ob harter oder weicher Brexit. Selbst, wenn niemand mehr aus Europa einwandern kann, wäre die Nachfrage nach Wohnraum von außerhalb der EU immer noch groß."
    Einer nationalen Blase am nächsten sei das Land 2013 gewesen, findet Simon Rubinsohn, Chefvolkswirt des Royal Institute of Chartered Surveyors, der Standesvereinigung der Immobiliengutachter. Damals hätten die von dem Royal Institute befragten Briten erwartet, der Wert ihrer Immobilien werde binnen fünf Jahren um 40 Prozent steigen - völlig unrealistisch.
    Ein bisschen Abkühlung
    Inzwischen erwarteten die Briten binnen fünf Jahren nur noch einen Wertzuwachs von 15 Prozent. Die Immobilienanalystin Kate Faulkner aus Nottingham warnt davor, den Crash herbeizureden. Endlich bekommt London das, was es braucht - ein bisschen Abkühlung, eine notwendige Korrektur des Immobilienmarktes.
    "Solange die Menschen Vertrauen in den Markt haben und nicht über den Sommer aufhören, Häuser zu kaufen, weil alle über einen Crash reden, werden wir einfach ein natürliches Absinken der Preise erleben - was gut ist."
    Also: Endlich bekommt der britische Immobilienmarkt, endlich bekommt vor allem Londons Häusermarkt das, was er seit langem braucht: ein bisschen Abkühlung. Dass die Preise gerade ein wenig sinken, ist eine notwendige Korrektur. Eine Blase aber gebe es hier nicht, und deshalb könne auch keine platzen.