Dienstag, 16. April 2024

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Klaviere im desolaten Zustand
"Ein ganz besonderes Instrument"

Im Städtischen Museum Braunschweig lagern Schätze des historischen Klavierbaus - doch bisher fehlte das Geld, die Instrumente zu restaurieren und auszustellen. Im DLF erklärte Museumsdirektorin Cecilia Hollberg, wie sie das Problem löste und wie schwer es ist, die richtigen Fachleute dafür zu finden.

Cecilie Hollberg im Gespräch mit Beatrix Novy | 25.12.2014
    Beatrix Novy: "Kunst auf Lager", so heißt ein Bündnis zur Erschließung und Sicherung von Museumsdepots. Mit Hilfe von Stiftungen und Förderinstitutionen soll die Sicherung, Restaurierung und Beforschung von Museumsbeständen ermöglicht werden, von denen zwischen 40 und 90 Prozent verborgen in Kellern und Depots lagern und zum Teil unter ziemlich schlechten Bedingungen. Kunst auf Lager nennen wir auch unsere Reihe, mit der wir in diesen Tagen den einzelnen Projekten nachgehen.
    Unser erster Besuch: beim Städtischen Museum Braunschweig, das eine außerordentliche Musikinstrumentensammlung hat. Braunschweig ist also ein Nest dieser Tradition der Musikinstrumente. Ein wenig hat damit sicher auch die hier ansässige Firma Grotrian-Steinweg zu tun. Instrumentenbauer, die mit dem heute unfassbaren Fleiß des aufstrebenden Bürgertums im frühen 19. Jahrhundert ihre Instrumente spielen lernten, um sie vorzuführen. Von hieraus ging ein Steinweg nach Amerika, um dort Steinway zu werden. Cecilie Hollberg ist die Museumsdirektorin, die sich in Braunschweig um diese verborgenen Schätze sorgt.
    Cecilie Hollberg: Ja. Das Städtische Museum Braunschweig hat eine lange Musikinstrumententradition. Schon im Jahr 1937 gab es tatsächlich eine Radiosendung, dass die Sammlung an Klavieren und an Musikinstrumenten am Haus doch sehr prominent ist. Wir haben hier in Braunschweig einen Schwerpunkt des Klavierbaus mit den Firmen Grotrian-Steinweg, Schimmel und anderen mehr.
    Und dann hat im Jahr 1985 die Familie Grotrian-Steinweg die historische Sammlung an das Städtische Museum gegeben, die historische Klaviersammlung, und das ist ein extremer Leckerbissen, denn das ist eine Zusammenstellung von Instrumenten, die aus New York, Dresden, Paris, Wien und anderen renommierten Orten zusammengetragen wurden.
    Novy: Die Städte, die Sie eben genannt haben, aus denen diese Klaviere zusammengekommen sind nach Braunschweig, das waren Orte in aller Welt, in die die Firma damals geliefert hat im 19. Jahrhundert und im 20. Jahrhundert?
    Hollberg: Das ist einfach eine glückliche Fügung und eine wunderbare Sammlung, die da am Ende zusammengekommen ist, mit wirklich extrem bedeutenden Instrumenten. Das merke ich auch daran, was wir an Anfragen bekommen. Das kommt aus Wien, aus Prag, aus Italien, aus Deutschland sowieso, aus den unterschiedlichsten Richtungen. Da will man dann etwas wissen über die Trompete von Herrn Ehe aus Nürnberg, oder man möchte gerne etwas wissen über die Laute von Tiefenbrucker. Das ist natürlich etwas, worauf wir sehr stolz sein können, wie auch auf diese Klaviersammlung. Deswegen liegt sie mir auch besonders am Herzen.
    "Ein ganz besonderes Instrument: Mahagoni mit Messingintarsien"
    Novy: Dann kommen wir jetzt auf das Sorgenkind, über das wir heute auch sprechen wollen, nämlich den Hammerflügel Opus 2706. Der steht hier auf meinem Zettel an oberster Stelle. Wie geht denn eine solche Restaurierung eigentlich vor sich?
    Hollberg: Ja, vielleicht gehe ich noch mal einen Schritt zurück. Wir haben diese Klaviere in einem Depot, was unzureichend ist, aber immerhin jetzt nicht mehr im Wasserwerk, wo sie 15 Jahre gelagert waren, und in diesem Depot habe ich letztes Jahr überhaupt eine Notsicherung vornehmen lassen. Da waren drei Restauratoren zwei Wochen lang Non Stop damit beschäftigt, überhaupt die Einzelteile zuzuordnen: Welches Bein gehört zu welcher Tastatur, zu welchem Notenpult. Ziel war nicht nur, dass da ein bisschen Ordnung reinkommt, sondern die sollten natürlich auch entstaubt und von Schimmelteilen befreit werden. Ziel war vor allem aber auch für mich, dass wir eine Liste haben, und diese Liste soll dann die Prioritäten ermöglichen. Wir können nicht 30 Flügel auf einen Schlag restaurieren lassen. Das wären Mittel, die weit über zwei Millionen hinausgingen. Und selbst wenn mir einer sagen würde, hier hast Du jetzt zwei Millionen, gibt es gar nicht so viele Experten zu den einzelnen Instrumenten, denn das ist schon alles sehr eng gefasst, wer sich womit auskennt. Ich brauche auch für einen Flügel jeweils einen Instrumentenrestaurator und auch einen Möbelrestaurator, der sich um die Holzoberfläche beziehungsweise auch um die Holzteile kümmert. Dann gibt es natürlich Ausschreibungen. Es wird der Markt sondiert, wen gibt es überhaupt, der so etwas kann. Das ist dann beispielsweise, dass man erst mal natürlich sowieso einschlägige Referenzen erwartet, langjährige Berufserfahrung, dann aber auch speziell Erfahrung mit der Restaurierung von historischen Klavieren bis 1840. So speziell wird es dann, weil ab 1840 die Technik sich schon deutlich verändert. Dann sollte es der Schwerpunkt Hammerflügel sein und natürlich auch Erfahrung in der Restaurierung von Klavieren von Conrad Graf. Ich habe natürlich als Sachwalterin öffentlichen Kulturguts einen ganz intensiven Auftrag, das Kulturgut zu bewahren, so viel historische Substanz wie nur möglich von diesem Instrument zu bewahren, für die Zukunft, für die Forschung, und da ist unser Flügel, wenn er auch in einem sehr schlechten Zustand ist, weil die Basswand gerissen ist - sie stand jahrelang im Wasser und obwohl diese Hölzer auf extreme Spannung gearbeitet sind, denn ein Flügel muss natürlich die Besaitung und diese ganzen heute Stahl-, früher Metallrahmen und Holzrahmen auf extreme Spannung aushalten können, und trotzdem ist die Basswand gerissen, richtig gesprengt.
    Novy: Das hört sich fast irreparabel an. Aber es lässt sich machen?
    Hollberg: Das lässt sich machen, ja. Der Restaurator - wir haben da jemanden aus Salzburg gefunden, Robert Brown, und er ist auch begeistert von diesem Instrument, weil er sagt, nahezu alles ist noch original, inklusive der Besaitung. Und das bei einem Instrument aus den 1830er-Jahren ist fast ein Wunder und das ist natürlich auch ganz bedeutend dann für die Forschung, für den Klavierbau, für die Musikexperten, die dann gucken können, was sind das für Saiten, aus welchem Material, welche Abstände haben die, welche Längen, wie sind die gedreht worden und wie sind die Schräubchen installiert. Das ist natürlich ein wirklich exzeptioneller Fund, was wir jetzt an diesem, wenn auch in einem schlechten Zustand befindlichen Flügel haben, und da wollen wir natürlich dann auch Forschung anschließen. Es handelt sich bei diesem Klavier, bei diesem Flügel sowieso um ein ganz besonderes Instrument: Mahagoni mit Messingintarsien. Das ist schon sehr, sehr wertvoll und sehr schön einfach anzusehen. Aber es ist auch eine bemerkenswerte Technik und eine Fortentwicklung durch die Anbringung von drei Pedalen. Wir haben das Forte-Pedal, das Piano-Pedal und die sogenannte Wiener Mechanik. Das ist eine Verschiebung von links nach rechts auf zwei Saiten, wodurch dann ein Pianissimo entsteht. Da können wir jetzt der Forschung, der Wissenschaft, der Musikwissenschaft etwas Schönes liefern und ich habe jetzt auch den Anspruch, diesen Flügel spielbar zu machen.
    Novy: Das war Cecilie Hollberg vom Städtischen Museum in Braunschweig in unserer Reihe "Kunst auf Lager".
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.