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Serien-Summit in Köln
Trends und Tendenzen in der Serienlandschaft

Serien erfreuen sich großer Beliebtheit in Deutschland. In der Produktion sind sie allerdings kostenintensiv. Oft lohnen sich deswegen Koproduktionen mit anderen Ländern. Auf dem "Großen Serien-Summit" in Köln wurden solche Produktionen vorgestellt, unter anderem das deutsch-schwedische Projekt "Modus", das ab Herbst im ZDF laufen wird.

Von Simone Schlosser | 02.05.2016
    Während den Dreharbeiten zu einem Film schlägt ein Mann die berühmte Klappe
    Deutschland kommt auf den Geschmack der Serien-Koproduktionen (imago stock&people)
    "Aktuell ist in Europa eine sehr gute Zeit für Serien: Die Zuschauer wollen anspruchsvolle Eigenproduktionen, und die Film- und Fernsehindustrie folgt diesem Trend."
    Francesco Capurro ist Leiter des Forums für Koproduktionen bei der "Séries Mania". Europas größtem und renommiertesten Festival für Fernseh- und Webserien. In diesem Jahr wurden dort mehr als fünfzig Produktionen aus fast zwanzig Ländern vorgestellt:
    "Eine gute Serie zeichnet sich dadurch aus, dass sie ihr Publikum an sich bindet. Die Zuschauer möchten in eine andere Welt abtauchen, in der sie möglichst lange bleiben können. Außerdem müssen Serien heutzutage eine filmische Qualität aufweisen. Das gilt für die Ästhetik genauso wie für den Cast."
    Eine Million Euro pro Folge
    Doch die hohen Qualitätsansprüche haben ihren Preis: Im Schnitt kostet eine Folge einer in Europa produzierten Serie eine Million Euro. Fernsehsender sind deshalb zunehmend auf eine internationale Auswertung angewiesen. Dementsprechend ist die Bedeutung von Koproduktionen in den vergangenen Jahren gestiegen:
    Auf dem "Serien-Summit" wurden gleich mehrere Gemeinschaftsproduktionen vorgestellt. Darunter auch das deutsch-schwedische Projekt "Modus", das ab Herbst im ZDF zu sehen sein wird. Eine "Nordic Noir Serie" mit einem sogenannten Twist, einem speziellen Dreh: Im Mittelpunkt steht nicht die Ermittlungsarbeit, sondern die Psychologie der Hauptfiguren. Sandra Harms von der schwedischen Firma Miso Film ist eine der Produzenten:
    "Die Zuschauer brauchen immer etwas Neues. Deshalb haben wir dieses Drama-Element hinzugefügt. Eine moderne Serie zeichnet sich heutzutage dadurch aus, dass sie gesellschaftliche Zusammenhänge thematisiert. Wir machen das, indem wir zum Beispiel das Konzept Familie hinterfragen. Die Serie geht offen mit Homosexualität um. Aber auch mit der Einsamkeit von Menschen ohne Familie."
    Weg von klassischer Tätersuche
    Ohne eine solche Erweiterung klassischer Erzählmuster, kein Erfolg beim Publikum: Auch das ist ein Ergebnis des Serien-Summits. Krimis und Thriller sind seit Jahren die beliebtesten Genres, aber mittlerweile fordern die Zuschauer mehr als eine klassische Tätersuche. Eines der interessantesten Projekte ist die belgische Serie "Beau Séjour", die auf der "Séries Mania" mit dem Publikumspreis geehrt wurde. Ein 19-jähriges Mädchen sucht nach ihrem eigenen Mörder. Pieter Van Huyck hat die Serie produziert:
    "Weltweit werden so viele Serien produziert. Wenn man da auffallen möchte, braucht man schon eine besondere Idee oder einen speziellen Twist für ein bestehendes Genre. Das ist heutzutage das Wichtigste, um Erfolg zu haben."
    Hinzu kommt der Grundsatz: je lokaler, desto globaler. International erfolgreiche Serien haben in der Regel einen deutlichen kulturellen Hintergrund. Das haben auch die Macher von "Beau Séjour" verinnerlicht: Die Serie ist eng verwurzelt im flämischen Teil von Belgien:
    "Die Zuschauer möchten Figuren, die glaubhaft sind. Figuren, mit denen sie sich identifizieren können. Aber diese Glaubhaftigkeit findet man nur auf lokaler Ebene. Das haben wir in unserer Serie versucht: Wir haben viel vor Ort geschrieben und gedreht. Das ist vermutlich ein Grund für unseren Erfolg."
    Belgische Serienindustrie
    Ein anderer sind die Produktionsbedingungen in Belgien. In den vergangenen Jahren hat die Regierung dort verschiedene Fördermöglichkeiten für Fernsehserien ins Leben gerufen. Unter Experten gilt die aufstrebende belgische Serienindustrie längst als "next big thing".
    "Dadurch, dass hier so viel produziert wird, können sich unsere Talente entwickeln. Denn sie müssen nicht jahrelang auf den nächsten Auftrag warten. Unser Team war noch relativ jung. Aber trotzdem schon sehr erfahren."
    Von solchen Arbeitsbedingungen können Kreative in Deutschland nur träumen. Abgesehen von einzelnen Projekten wie "Weinberg" oder "Deutschland 83" lässt der Serienboom hierzulande noch immer auf sich warten. Ein Grund dafür ist die fehlende Investitionsbereitschaft der Fernsehsender meint die Produzentin Sabine de Mardt:
    "Was definitiv nicht da ist bei den Free-TV-Sendern, ist die nötige Finanzierung für Autoren. Deshalb muss man da wirklich investieren und ins Risiko gehen. Weil man kann nur eine Qualität erreichen, wenn man da lange dran arbeitet, und auch quasi nach einem amerikanischen Modell ein Projekt immer wieder infrage stellt. Da muss man einfach die finanziellen Möglichkeiten dazu haben."
    "Nordic Noir" in Deutschland
    Ein Problem, das sich zum Beispiel durch Koproduktionen lösen ließe. Peter Nadermann zeigt mit seiner Produktionsfirma Nadconfilm schon seit Jahren wie es geht. Mit Serien wie "The Team" oder aktuell "Modus" hat er "Nordic Noir" nach Deutschland gebracht. Doch auf dem genügsamen deutschen Fernsehmarkt fehlt oftmals die Bereitschaft zu europäischen Gemeinschaftsprojekten:
    "Das ist natürlich sehr ineffektiv, wenn die deutschen Sender ihre Programme im Wesentlichen alleine bezahlen müssen. Und das Interesse an deutschen Programmen ist sehr groß international. Ich merke das immer, wenn ich im Ausland unterwegs bin, dass meine Partner unglaublich interessiert sind, und eigentlich mehr von Deutschland sehen wollen."
    Die Spionageserie "Deutschland 83" lief in den USA und Großbritannien sogar erfolgreicher als in Deutschland. Und der NSU-Dreiteiler "Mitten in Deutschland", der im Ausland als "German History X" vertrieben wird, wurde auf der "Séries Mania" gerade mit dem Bloggerpeis ausgezeichnet. Alles nur eine Frage der Zeit meint Francesco Capurro:
    "Wir alle blicken nach Deutschland, und warten darauf, dass der Riese erwacht. Jeder wartet auf die große deutsche Serie. Aber ich bin mir sicher, dass die bald kommt."