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Seuchen

Viele Forscher fürchten, dass der Klimawandel die Gesundheit des Menschen akut durch Seuchen gefährden wird, die mit den steigenden Temperaturen immer weiter gen Norden wandern. Wie groß diese Gefahr ist, untersuchen Mediziner aus den USA und Norwegen.

Von Monika Seynsche | 13.11.2013
    Anophelesmücken lieben es warm und feucht. In den Bergen Äthiopiens war es bislang zu kalt für die Überträger der Malaria. Aber das ändere sich zurzeit, sagt Svein Gunnar Gundersen von der norwegischen Universität von Agder. Der Professor für Internationale Gesundheit erforscht seit vielen Jahren, wie der Klimawandel die Ausbreitung von Infektionskrankheiten beeinflusst:

    "Wir sehen, dass die Malaria die großen Städte Ostafrikas erreicht, wie etwa Addis Abeba, auf über 2000 Meter Höhe. Dort oben hat es seit Menschengedenken keine Malaria gegeben. Aber jetzt tritt die Krankheit in den tiefer gelegenen Stadtteilen schon auf - zumindest in manchen Jahren."

    Und zwar in besonders warmen und regenreichen Jahren, in denen die gestiegenen Temperaturen den Mücken ein Überleben selbst in großen Höhen sichern. Den aktuellen Klimaprognosen zufolge werden in Zukunft noch wesentlich größere Gebiete Afrikas, Südostasiens und Lateinamerikas optimale Lebensbedingungen für Anophelesmücken bieten können. Und auch das Dengue-Fieber und andere von Parasiten übertragene Infektionskrankheiten breiteten sich im Zuge des Klimawandels weiter aus, sagt Aaron Bernstein von der Harvard School of Public Health in Boston.

    In seiner Heimat Neuengland wanderten Zecken immer weiter nach Norden bis nach Kanada hinein, die eine bakterielle Erkrankung namens Lyme-Borreliose übertrügen. Trotzdem ist Aaron Bernstein davon überzeugt, dass die Ausbreitung der Infektionskrankheiten nicht das größte gesundheitliche Problem im Zuge des Klimawandels darstellen wird:

    "Wenn wir uns solche von Parasiten übertragenen Krankheiten und den Klimawandel anschauen, sollten wir eines bedenken: Obwohl sich das Klima in den vergangenen 40, 50 Jahren schon deutlich verändert hat, treten Malaria, Dengue usw. heute nicht häufiger auf als damals, eher im Gegenteil. Es ist eben nicht nur das Klima, dass die Ausbreitung dieser Krankheiten beeinflusst."

    Durch den Einsatz von Präventionsmaßnahmen und wirkungsvollen Medikamenten ließe sich die Zahl der Erkrankungen reduzieren und der Effekt der Erderwärmung ausbremsen, sagt Aaron Bernstein. Seiner Ansicht nach wird der Klimawandel in ganz anderen Bereichen wesentlich größere Gesundheitsprobleme verursachen, als bei den Infektionskrankheiten:

    "Ich halte die Frage für viel beunruhigender, wie der Klimawandel unsere Fähigkeit beeinflussen wird, in weiten Teilen der Erde Nahrungsmittel zu produzieren. Und ich mache mir Sorgen um die Küstenregionen, die unter dem Meeresspiegelanstieg und häufigeren Stürmen leiden werden. Diese Probleme treten heute schon zutage. Und wenn Menschen gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen, geht das immer auf Kosten ihrer Gesundheit."

    Sie leiden häufiger unter Mangelernährung, unzureichender Hygiene und werden so anfälliger für Krankheiten. Dazu kämen Dürren und Überflutungen, fürchtet der Forscher, die im Zuge des Klimawandels häufiger werden dürften. Missernten und Hungersnöte könnten die Folge sein, warnt Bernstein:

    "Es gibt noch weitere Probleme. Genauso wie sich menschliche Infektionskrankheiten durch den Klimawandeln ausbreiten, können auch Pflanzenschädlinge in Regionen wandern, die bislang zu kalt für sie waren."

    Auch das wäre schlecht für die Landwirtschaft, für die Versorgung der Weltbevölkerung mit Lebensmitteln und damit für ihre Gesundheit. Die Folgen - so fürchten Aaron Bernstein und Svein Gunnar Gundersen - werden in erster Linie in den armen Ländern spürbar werden.