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Shakespeare
Eine Spurensuche nach dem "echten" William S.

Bald ist es 450 Jahre her, dass William Shakespeare in dem kleinen mittelenglischen Stratford upon Avon zur Welt kam. Ein Besuch in seinem Geburtsort bringt allerdings nicht zwangsläufig mehr Erkenntnisse über den rätselhaften Dichter. Von Touristenführungen, vagen Vermutungen und Tränen der Rührung.

Von Jochen Spengler | 18.04.2014
    Das Denkmal für William Shakespeare im Park an der Ilm in Weimar
    Die Spurensuche nach Shakespeare hinterlässt viele Fragezeichen. (picture-alliance / dpa / Martin Schutt)
    William Shakespeare – ein geheimnisumwitterter Mann; bis heute wissen wir nicht mit Sicherheit, wie er aussah oder sein Leben exakt verlief, sagt Barbara, die Touristen durch seine Heimatstadt Stratford upon Avon führt. Andererseits:
    "Wir wissen über Shakespeare als Renaissance-Dramatiker wesentlich mehr als über viele seiner Zeitgenossen, die auch berühmt waren",
    betont Lisa Peter, Dozentin des Birthplace Trust in Stratford. So belegt das Register der Holy Trinity Church, dass William am 26. April 1564 getauft wurde. Drei Tage zuvor, am 23. April, so vermutet man, dürfte er geboren worden sein – wahrscheinlich in dem Fachwerkreihenhaus in der Henley Street, erster Stock, im kleinen dunklen Elternschlafzimmer, wo nur die Holzdielen Original sind, nicht aber die Wiege und das Elternbett.
    "Wir vermuten, dass er hier geboren wurde, weil dass hier der einzige Raum ist, den Bewunderer Shakespeares schon kurz nach seinem Tod aufgesucht haben."
    Touristen brechen in Tränen aus
    Clive Depper führt heute Touristen durch Shakespeares Elternhaus und weist sie – so sagt er - immer darauf hin, dass man keine endgültigen Beweise dafür habe, dass dieser Raum hier wirklich Shakespeares Geburtsort ist.
    "Und doch habe ich hier so viele Menschen in Tränen ausbrechen sehen, weil sie denken, dass sie in dem Zimmer stehen, in dem Shakespeare geboren wurde."
    Die Spurensuche in Stratford mit Barbara, der Stadtführerin, hinterlässt weitere Fragezeichen. Besuchte der junge William wirklich das noch erhaltene Gymnasium, wo Grammatik, Logik, Rhetorik und Latein gelehrt wurde?
    "Nun es wird vermutet, ja, wieder nur vermutet; denn sein Vater war Bürgermeister und dessen ältester Sohn durfte immer umsonst das Gymnasium besuchen, also vermuten wir's."
    Trotz seines Amts gerät Vater John, ein Handschuhmacher, in finanzielle Not, verliert Ansehen und Vermögen, was den jugendlichen Sohn stark prägt – vermutlich. Sicher belegt ist dagegen Williams Hochzeit mit der Bauerntochter Ann Hathaway im Jahr 1582.
    "Sie war 26 als sie William heiratete, damit hatte sie damals längst das Haltbarkeitsdatum für heiratsfähige Frauen überschritten. Und William war erst 18.Aber es kommt noch mehr – hier endet die Geschichte nicht."
    Denn nur sechs Monate später erblickt Susanna, das erste von drei Kindern, das Licht der Welt. 1585 werden Judith und Hamnet geboren. Vermutlich leben alle in Williams Elternhaus.
    "Doch kurz nach Geburt der Zwillinge verlässt William Stratford – man glaubt er traf fahrende Schauspieler und schloss sich ihnen an, um in London zu leben; ich finde, das war ziemlich lieblos gegenüber seiner Frau und seinen Kindern. Er ist 22 im Jahr 1586 und er verschwand. Man nennt das die verlorenen Jahre."
    Niemand weiß heute, was Shakespeare sechs Jahre lang treibt, bis er 1592 wieder auf der Bildfläche erscheint – in London. Dort spielt der 28-Jährige in einer Theatertruppe, schreibt seine Dramen, bedient sich dafür oft bereits vorhandenen Materials und gewinnt die Gunst des einfachen Volkes und der Monarchen.
    "Er predigte nicht, verkündete keine Botschaft – er erforschte den Charakter der Menschen. Sodass jede politische Richtung sich mit ihm bis heute identifizieren kann, weil ihm dieser delikate Drahtseilakt zwischen Kritik und Lob gelang – das ist sehr, sehr schwierig",
    erläutert Patrick Spottiswoode, der pädagogische Leiter des heutigen Globe Theater in London. An dessen Vorläufer war William Shakespeare finanziell beteiligt.
    Shakespeare bezahlte sich selbst
    "Er war ein sehr geschickter Geschäftsmann, der Stücke schrieb, sie an sein eigenes Theater verkaufte und sich selbst bezahlte, um sie aufzuführen. Für mich ist das kein Widerspruch. Auch heute gibt es sehr clevere Leute, die jede Menge Geld machen, und die für uns immer noch Künstler sind."
    Sein stattliches Vermögen legt Shakespeare in Stratford an, wo er ehemaligen Familienbesitz zurück kauft. Für die Familie erwirbt der Dramatiker das zweitgrößte Haus am Ort.
    Sie zog komplett im New Place ein und die Geschichte hat ein Happy End. William kommt mit 46 Jahren zurück, um ständig in Stratford zu leben und er stirbt im New Place. Und da er ein Dramatiker ist, stirbt er an seinem Geburtstag: 23. April 1616
    Die Gesamtausgabe seiner Werke erscheint sieben Jahre nach seinem Tod. Doch in der Romantik kommen erstmals Zweifel an Shakespeares Urheberschaft auf. Das idealistische Bild eines "Künstler-Genies" verträgt sich nicht mit dem eines Unternehmers, der nicht einmal die Hochschule besuchte.
    "Das kommt mir wie Snobismus vor, zu behaupten, dass ein Mann mit seiner Ausbildung dieses außerordentliche Werk nicht habe schaffen können. Warum nicht? Wir sind vollkommen überzeugt, Shakespeares Werk ist sein Werk und es wurde von einem Mann geschrieben",
    sagt Jacqui o'Hanlon von der Royal Shakespeare Company in Stratford – es ist die Ansicht der überwältigenden Mehrheit der Wissenschaftler heute.