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Sharia-Police vorm BGH
Mit Warnwesten für Moral unter Muslimen sorgen

Ob sieben junge Muslime gegen das Uniformverbot verstoßen haben, muss der Bundesgerichtshof höchstrichterlich klären. Bekleidet mit Warnwesten waren die Angeklagten 2014 als eine Art Scharia-Polizei durch Wuppertal gelaufen. Ihr Ziel: junge Muslime davon abhalten, Spielhallen, Kneipen und Bordelle aufzusuchen.

Von Klaus Hempel | 11.01.2018
    Die Angeklagten S. und S. (stehend), Z. (beige Kapuze), Rechtsanwalt Ali Aydin und S. (graue Kapuze, vorn) warten am 09.11.2016 im Landgericht in Wuppertal (Nordrhein-Westfalen) auf den Beginn der Verhandlung. Einige der Angeklagten sollen im September 2014 in orangefarbenen Warnwesten mit der Aufschrift «Shariah Police» durch Wuppertal patrouilliert sein.
    Das Landgericht Wuppertal hatte die selbsternannten "Sharia-Polizisten" (in Kapuzen) freigesprochen. Die Bundesanwaltschaft sieht in ihrem Auftreten einen Einschüchterungsversuch. (picture alliance / dpa / Bernd Thissen)
    2014 waren die sieben Angeklagten abends in Wuppertal unterwegs. Sie wollten junge Muslime ansprechen, um sie von Glückspiel, Alkoholkonsum und Bordellbesuchen abzuhalten. Dabei trugen sie orangene Warnwesten. Auf fünf Westen waren die Worte "Sharia-Police" aufgedruckt.
    Nach dem Versammlungsgesetz ist es verboten, in der Öffentlichkeit Uniformen oder uniformähnliche Kleidung zu tragen, wenn durch das Tragen eine gemeinsame politische Gesinnung ausgedrückt werden soll. Das Landgericht Wuppertal sprach die jungen Männer frei. Begründung unter anderem: Sie wären nicht aggressiv aufgetreten, niemand hätte sich bedroht gefühlt. Die Staatsanwaltschaft legte daraufhin Revision beim Bundesgerichtshof ein.
    Assoziation mit Religionspolizei durch Westen-Aufdruck
    Nach Auffassung von Julia Stunz, Vertreterin der Bundesanwaltschaft, hat das Landgericht Wuppertal das Uniformverbot falsch ausgelegt:
    "Nach Auffassung der Bundesanwaltschaft hat das Landgericht einen zu engen, zu strengen Maßstab zugrunde gelegt. Außerdem hat es bestimmte Aspekte nicht hinreichend in den Blick genommen, insbesondere dass sich die Teilnehmer des Rundgangs mit dem Aufdruck ganz bewusst in den Zusammenhang mit der Religionspolizei, wie es sie in strengen muslimischen Staaten gibt, in Bezug gesetzt haben."
    Für eine Strafbarkeit reiche es schon aus, wenn solche Westen geeignet seien, andere einzuschüchtern. Dies sei bei Westen mit dem Aufdruck "Sharia-Police" der Fall.
    Oder waren das nur Warnwesten?
    Die Verteidiger der Angeklagten argumentierten, dass es ihren Mandanten nur darum gegangen sei, Aufmerksamkeit zu erregen. Mit Warnwesten könne man andere gar nicht einschüchtern, so Rechtsanwalt Ali Aydin.
    "Weil es ganz normale Westen sind, die schon optisch nicht den Anschein erwecken, dass es ein militantes Auftreten ist. Diese Westen hat jeder, oder sollte sie in seinem Auto haben. Hinzu kommt, dass einige Angeklagte noch nicht mal eine Aufschrift auf der Weste hatten. Und dass diejenigen, die eine Weste hatten, dies in Englisch war, und kein normal denkender Mensch der Auffassung sein könnte, dass es in Deutschland eine Scharia-Polizei gibt, von der irgendeine Gefahr ausgeht."
    Polizei: Keine Anhaltspunkte für eine Straftat
    Nun muss der BGH höchstrichterlich klären, ob das Tragen solcher Westen strafbar ist oder nicht.
    Doch selbst wenn die Richter zum Schluss kommen, dass solche Warnwesten gegen das Uniformverbot verstoßen, könnte es sein, dass die Angeklagten freigesprochen werden. Während ihres Streifzuges durch Wuppertal wurden sie von Polizisten kontrolliert. Diese sahen keine Anhaltspunkte für eine Straftat. Das könnte den Angeklagten zugutekommen. Denn wer nicht wissen kann, dass er etwas Strafbares tut, darf nicht verurteilt werden.