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Shell-Rheinland-Raffinerie
Das Leck und seine Folgen

Zwischen Köln und Bonn liegt die größte Raffinerie Deutschlands, die Shell Rheinland Raffinerie. Im Februar 2012 wurde bekannt, dass hier durch ein Leck in einer Pipeline über Wochen hinweg 846 Tonnen Kerosin in den Untergrund gelaufen waren. Seitdem wird versucht, den Schaden zu beheben.

Von Monika Seynsche | 30.04.2014
    Eine behandschuhte Hand hält eine Flasche mit einer durchsichtigen und einer gelben Flüssigkeit in die Kamera. Im Hintergrund Werksgelände einer Raffinerie.
    Flasche mit Wasser und Kerosin aus dem Untergrund-See in Köln-Wesseling. (dpa/picture alliance/Oliver Berg)
    Es sieht aus wie eine ganz normale Baustelle. Der Seitenstreifen der Straße ist abgesperrt, ein Bagger steht auf dem aufgewühlten Erdreich, daneben ein grauer Container.
    "Sie sehen hier die Situation im Bereich des Schadenszentrums, ist ja 'ne verkehrstechnisch anspruchsvolle Situation."
    Michael Schubert arbeitet bei der Firma Alenco, die von Shell mit der Sanierung des Schadens beauftragt wurde. Über 1 Million Liter Kerosin sind hier im Februar 2012 versickert und haben das Erdreich verseucht. Der größte Teil des Kerosins steckt bis heute im Boden und hat sich auf den Grundwasserleiter gelegt. Es konnte nicht einfach ausgegraben werden. Dafür hätten ganze Straßen verlegt werden müssen. Stattdessen versuche man, das Kerosin aus dem Boden herauszupumpen, sagt der Umweltschutzmanager der Rheinland Raffinerie, Frank Beyer.
    "Wir haben insgesamt vier Sanierungsbrunnen errichtet, die sind in der Art Doppelbohrverfahren ausgebildet, das heißt, in sehr großer Tiefe, in ca 20 Metern fördern wir Grundwasser in mengen von bis zu 100, 120 m³ pro Stunde, dadurch wird ein Absenktrichter an der Grundwasseroberfläche erzeugt, und in diesem Absenktrichter läuft das aufschwimmende Kerosin gravitativ dem Sanierungsbrunnen zu und wird dort über eine zweite, separierte Phasenrückgewinnungspumpe zurückgepumpt und aufgefangen."
    210.000 Liter Kerosin bislang geborgen
    210.000 Liter, also etwa ein Fünftel der ausgelaufenen Menge konnte so bislang geborgen werden. Frank-Dieter Kopinke hält diese Brunnen für eine durchaus sinnvolle Sofortmaßnahme. Sie könnten das Problem allerdings nicht komplett lösen, sagt der Professor für Technische Umweltchemie am Helmholtz-Zentrum in Leipzig.
    "Es wird immer schwerer, freie Kerosinphase zurückzuholen, das ist am Anfang noch ein recht effizienter Prozess, es wird mit der Zeit immer langsamer gehen und man kann definitiv ausschließen, dass es gelingt, das Gros des Kerosins zurückzuholen."
    Denn das meiste Kerosin heftet sich wie in einem Schwamm an die Bodenpartikel und steckt fest. Darüber ist sich auch die Firma Shell im Klaren. Immerhin hofft sie, mit den durch die Brunnen erzeugten Absenktrichtern eine weitere Ausbreitung des Kerosins zu verhindern. Frank-Dieter Kopinke hat Zweifel, ob das funktioniert.
    "Diese Absenkbrunnen funktionieren unter definierten Verhältnissen, ich wäre nicht sicher, dass bei einem sehr großen Schwankungsbereich des Grundwassers, wie er bei einem Starkwasserereignis oder gar einem Rheinhochwasser eintreten könnte, zuverlässig die Ausbreitung des Kerosinschadens verhindert werden kann damit."
    Natürlicher Abbau
    Shell versucht zurzeit, auch den natürlichen Abbau von Kerosin im Boden zu fördern.
    "Wir gehen jetzt zu einer dieser Anlagen, da drüben sehen sie den Container, da findet eine Bodenluftabsaugmaßnahme statt im Bereich des Schadenszentrums."
    Michael Schubert von der Firma Alenco ist zuständig für die sogenannte biologische Sanierungsphase. Direkt um das Leck herum saugen er und seine Kollegen mit der Bodenluft die leicht flüchtigen Bestandteile des Kerosins ab. Durch den so erzeugten Unterdruck strömt dann auf natürlichem Weg sauerstoffreiche Luft von der Oberfläche nach unten und verbessert die Lebensbedingungen der Mikroorganismen, die Kerosin abbauen können. Aber Michael Schubert möchte noch einen Schritt weitergehen.
    Auf einer Wiese, etwa 50 Meter vom Leck entfernt, wird in diesen Tagen ein neuer Sanierungsversuch aufgebaut.
    "Ja, wir stehen hier vor dem Horizontalbohrgerät. Sie sehen hier das Bohrgestänge, das schon ein Stück weit in den Untergrund hineinragt. Wir haben hier die Absicht einen Horizontalbrunnen zu errichten, und zwar soll in einer Tiefe von 12 Metern unterhalb des Kerosins ein Horizontalbrunnen verlegt werden über den dann Luft in den Untergrund geblasen wird. Diese Luft enthält Luftsauerstoff, Sauerstoff fehlt hier im Grundwasser ist aber erforderlich für einen effizienten Schadstoffabbau wir bringen diesen Sauerstoff durch die Lufteinblasung dann also wieder an Ort und Stelle und ermöglichen es, den Mikroorganismen die Kerosinbestandteile abzubauen."
    Auch dieses Verfahren hält der Umweltchemiker Frank-Dieter Kopinke für sinnvoll. Aber auch damit werde es nicht gelingen, das gesamte ausgelaufene Kerosin jemals wieder aus dem Erdreich und dem Grundwasserleiter, dem sogenannten Aquifer herauszubekommen.
    "Ich glaube, dass trotz umfangreicher Sanierungsarbeiten der ursprüngliche naturbelassene Zustand dieses Aquifers nicht wieder herzustellen ist. Sondern dass auch in langen Zeiträumen, wir können dabei durchaus auch an einhundert Jahre denken, der Aquifer sich an dieses anthropogen geprägte Ereignis erinnern wird, und dort Zustände herrschen, die dem natürlichen Ambiente nicht gleichzusetzen sind."