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Sichere Energieversorgung

Wind, Wasser oder Sonne sind wankelmütige Energiequellen. Mal bläst der Wind zum Beispiel stark und kann viel Strom liefert, dann herrscht aber tagelang Flaute. Für diese Situation sind die Stromnetze in Europa nicht optimal ausgelegt. Wie sich das ändern lässt, haben in Brüssel 350 Experten aus Politik, Industrie und Umweltverbänden auf der ersten Konferenz zur Stromnetz-Zuverlässigkeit diskutiert.

Von Ralph Ahrens | 09.01.2009
    Die EU hat die Energiewende eingeläutet, als Ende Dezember das Energie- und Klimapaket verabschiedet wurde. Sonne, Wind und Biomasse und andere erneuerbare Energiequellen sollen in elf Jahren mindestens ein Fünftel der benötigten Energie liefern. Bei Strom soll es sogar mehr als 30 Prozent sein. Das freut den grünen Europaabgeordneten Claude Turmes. Er hatte das Energie- und Klimapaket mit ausgehandelt.

    " Wir werden die Stromproduktion in Europa umbauen von großen Atom- und Kohlekraftwerken hin zu dezentraler Produktion über Solar, Biogas, Kraft-Wärme-Kopplung, die quasi vor Ort ist. Gaskraftwerke, die auch vor Ort sind. Und dann eben einige Windkapazitäten und Solarkapazitäten, die weiter weg sind. "

    Geplant sind etwa Windparks in der Nord- und der Ostsee und auch Solaranlagen in Südeuropa und Nordafrika. Diese neuen Energiezentren können mit dem bestehenden Stromnetz verknüpft werden, stellen die Betreiber der Stromnetze aber vor neue Aufgaben. Etwa Klaus Kleinekorte. Er ist Geschäftsführer von RWE Transport Strom, dem Betreiber der Übertragungsnetze des Stromkonzerns RWE.

    " Da ist natürlich die Windenergie, weil sie halt nicht vorhersehbar für uns als Systembetreiber die Energieform, die die größte Herausforderung technisch für uns darstellt. "

    Vor allem dann, wenn - wie zurzeit - kaum ein Wind weht:

    " In Deutschland haben wir inzwischen nahezu 24.000 MW installierte Windleistung. Und im Augenblick heute bei dieser kalten inversen Wetterlage eine maximale Einspeisung von vielleicht 300, 500 MW. Das heißt, das ist nichts im Vergleich zur installierten Leistung. Aber genau zu dieser Zeit benötigen wir viel Strom und genau dafür benötige ich jetzt noch mal den gesamten Kraftwerkspark, damit ich nicht die Verbraucher abschalten muss. "

    Rein technisch sei die anstehende Energiewende für die Stromnetze machbar. Zwei Beispiele: Intelligente Netzsteuerungslösungen helfen, eine große Zahl dezentraler Erzeuger wie Wind- und Photovoltaikanlagen ins Stromnetz zu integrieren. Gleichstromkabel können unterirdisch über weite Entfernungen Strom übertragen. Und ein EU-weites Stromnetz sei notwendig, um etwa windstille Zeiten ausgleichen zu können, meint Stephan Singer vom Umweltverband WWF.

    " Wir müssen dem Windstrom von dem Meer von Irland verbinden mit dem Windstrom auf dem Meer vor Frankreich mit dem Solarstrom aus Italien und eventuell sogar aus Nordafrika - durch ein vernünftiges internationales koordiniertes Lastenmanagement. "

    Um den Strom nach Bedarf zwischen EU-Staaten hin- und hertransportiert zu können, müssen aber veraltete Trassen erneuert und neue Leitungen gebaut oder verlegt werden. So könnte es sinnvoll sein, mit überschüssiger Windenergie von der Nordsee Pumpspeicher-Kraftwerke in den Alpen zu betreiben. Der WWF unterstützt diese anstehende Modernisierung. Stephan Singer.

    " Wir brauchen Investitionen in Infrastrukturmaßnahmen. Auch in so was dröges wie Netze. Die unterstützt der WWF, wenn sie für gute Sachen sind, wenn sie für erneuerbare Energie sind, die CO2 einsparen, die das Klimas retten, für Solarenergie, wenn sie Jobs bringen, die lokale Entwicklung bringen, dann unterstützen wir das natürlich. "

    Auch die Netzbetreiber wie RWE Transport Strom wollen das Stromnetz modernisieren und sich dabei auch untereinander abstimmen. Doch, so Klaus Kleinkorte:

    " Die Herausforderungen, die damit verbunden sind, sind nicht zum Nullpreis zu bekommen. Dies ist wiederum etwas, wo die Politik sich scheut, dies offen zuzugeben. "

    Die Anpassung des Stromnetzes an die Energiewende wird also Geld kosten. Wie viel? Das mag niemand abzuschätzen. Doch es ist eine vernünftige Investition in die Zukunft. Claude Turmes:

    " Wir sind hier nicht in einer historisch einmaligen Situation. Wir reproduzieren das, was wir in den 60er und 70er Jahren gemacht haben. "