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Sicherheit für den Papst
Secret Service im Vatikan

Papst Franziskus reist Ende September in die Vereinigten Staaten. Auch dort wird er aus dem Terminkalender ausbrechen, was Personenschützer nervös macht. Da die Amerikaner nichts anbrennen lassen wollen, sind jetzt schon Männer in Rom, die normalerweise den US-Präsidenten beschützen, und studieren den Papst und seine Gepflogenheiten.

Von Thomas Migge | 11.08.2015
    Papst Franziskus grüßt Menschen auf dem Petersplatz im Rom von seinem Papamobil aus.
    Wenn der Papst mit seinem Papa Mobil durch die Straßen einer Stadt fährt, kommen Sicherheitskräfte zum Einsatz (afp / Filippo Monteforte)
    "So sehe ich die Kirche: eine Mutter, der das Wohl ihrer Kinder am Herzen liegt, die bereit ist ihr Leben für Ihre Kinder zu geben".
    So Papst Franziskus bei einer seiner jüngsten Generalaudienzen auf dem Petersplatz in Rom. Der Papst spricht vor zehntausenden Menschen, die trotz der brütenden Hitze unter freiem Himmel ausharren. Um die Sicherheit solcher Großveranstaltungen kümmern sich, nicht weit entfernt vom Papst, einige Männer, Mitglieder der vatikanischen Gendarmerie. Seit Juni stehen dort aber auch einige extrem breit und hoch gebaute Männer mit Bürstenhaarschnitt – in einem Stil, wie er in Italien nicht üblich ist. Es sind US-Amerikaner, Mitglieder des United States Secret Service, kurz: USSS – also Personenschützer des US-Präsidenten. Das enthüllte vor kurzem die italienische Tageszeitung "Corriere della sera". Die USSS-Männer haben die Aufgabe, so will die Zeitung erfahren haben, das Verhalten von Papst Franziskus auch im Alltag zu studieren. Ein Verhalten, das für einen Papst ganz und gar ungewöhnlich ist, sagt Sandro Magister. Der römische Vatikanexperte arbeitet für das Wochenmagazin "l'Espresso":
    "Franziskus ist schon ein außergewöhnlicher Typ. Sein Verhalten ist anders als das seiner Vorgänger: Er verhält sich von Moment zu Moment, unvorhersehbar, und verblüfft damit sehr".
    Dass Franziskus sich nicht immer ans protokollarische Prozedere hält, davon kann Domenico Giani ein Lied singen. Immer wieder unterbricht der Papst festgelegte Programme und fügt Programmpunkte auch im letzten Moment hinzu, sagt der Chef der vatikanischen Polizei, Gendarmeria Vaticana genannt. Seine Mitarbeiter seien darauf nur selten vorbereitet, so Domenico Giani:
    "Jeder Besuch dieses Papstes erfordert viel Aufwand, vor allem in der konkreten operativen Phase. Nicht nur für uns von der Gendarmerie, sondern für alle beteiligten Sicherheitskräfte. Der Papst konzentriert viele Termine auf nur wenige Stunden, was für ihn wie für uns anstrengend ist".
    Mit wem sie es da zu tun haben, das studieren nun auch die Amerikaner vor Ort. Mit einem Papst nämlich, der sich nichts vorschreiben lässt. Ein Grauen für Sicherheitsbeamte. Auch für Joseph Clancy, den US-Präsident Barack Obama im vergangenen Februar zum neuen Chef des United States Secret Service ernannt hat – und der, sicherlich nicht zufällig, im Juli mehrere Woche in Rom war.Sein Besuch fügt sich ins Bild jener Medienberichte, wonach die US-Reise des Papstes im September zusammen mit den amerikanischen Personenschützern vorbereitet wird. Thomas Rosica ist Ordensmann, Kanadier und Mitarbeiter des vatikanischen Presseamtes:
    "Wir haben es hier mit hoch spezialisierten Sicherheitsleuten zu tun, die ihn ständig begleiten und beobachten. Sie passen sich seinen Bewegungen an und werden ihr Bestes tun, um in allen Situationen richtig zu reagieren."
    Die Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Secret Service geht offenbar auf Domenico Giani zurück, den Chef der vatikanischen Gendarmerie. Sie ist während päpstlicher Visiten außerhalb des Kirchenstaates für die Sicherheit des Papstes verantwortlich – und eben nicht die Schweizer Garde, die Leibwache des Papstes. Domenico Giani war Mitglied des italienischen Geheimdienstes SISDE, bevor er in den Vatikan, sozusagen ins Ausland, wechselte. Dort organisierte er die Gendarmerie neu und wurde 2006 deren Generalinspekteur. In nur sechs Jahren brachte er alle Sicherheitseinheiten des Vatikans unter seine Kontrolle: den päpstlichen Zivilschutz, die Feuerwehr und die Gendarmerie. Er arbeitet eng mit den Spezialeinheiten der italienischen Carabinieri zusammen – und wahrscheinlich auch, denn die Beziehungen wird er nicht aufgegeben haben, mit dem italienischen Geheimdienst.
    Giani ist es auch zu verdanken, dass die vatikanische Gendarmerie das internationale Protokoll zur Strafverfolgung von Interpol unterzeichnet hat. Unter seiner Führung wurde auch eine so genannte Anti-Sabotage-Einheit gegründet – und auch die GIR, die "Gruppo Intervento Rapido", die "Schnelle Eingreiftruppe". Es ist eine Untergruppe der päpstlichen Gendarmerie für nicht näher definierte Sondereinsätze zum Schutz des Papstes.
    Wenn der Papst mit seinem Papa Mobil durch die Straßen einer Stadt fährt und ihm tausende von Menschen zujubeln, kommen die gesamten Sicherheitskräfte der Gendarmerie zum Einsatz, um mögliche Attentate zu verhindern. Um die vatikanische Sicherheitspolitik zu optimieren, hat Gendarmerie-Chef Domenico Giani in den Kellern des Papstpalastes auch ein hochmodernes Computerzentrum eingerichtet. Damit ist es möglich, Festnetz- und Mobil-Telefone im Vatikan abzuhören und Internetverbindungen zu kontrollieren. Ob auch dies auf einer Zusammenarbeit mit amerikanischen Sicherheitsbehörden basiert, ist nicht bekannt.