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Sicherheit in der EU
Pläne für gemeinsame Verteidigungsunion schreiten voran

Die EU steckt in einer schwierigen Phase. Doch es soll besser werden, zumindest in der Verteidigungspolitik. Einige Staaten wollen enger zusammenrücken. Die treibenden Kräfte dahinter sind Deutschland und Frankreich.

Von Ursula Welter | 17.02.2017
    Ein "Familienfoto" der 27 Staats- und Regierungschefs in Bratislava
    Gipfeltreffen der 27 Staats- und Regierungschefs in Bratislava im September 2016. (AFP / Joe Klamar)
    Europa sortiert sich in Verteidigungs- und Sicherheitsfragen. Das Ausstiegsvotum der Briten hat der Debatte im Sommer 2016 Schwung gegeben.
    "Wir haben lange Rücksicht nehmen müssen auf Großbritannien, auch, weil Großbritannien diese Themen nicht wollte."
    Sagte Ursula von der Leyen im Juli vergangenen Jahres. Da hatte die deutsche Verteidigungsministerin gerade das Weißbuch zur Sicherheitspolitik der Bundesregierung vorgelegt.
    "Hier haben wir zum ersten mal konkrete Schritte reingeschrieben, wie wir uns den Weg zum Fernziel einer Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsunion vorstellen."
    Was in Berlin geschah, war mit Frankreich eng abgestimmt:
    "Wir werden deshalb in einer deutsch-französischen Initiative beginnen, mit allen anderen, europäischen Mitgliedstaaten darüber zu reden, wer in einer ständigen, strukturierten Zusammenarbeit, verlässlich, konsequent und auf Dauer zusammenarbeiten möchte."
    Am vierten Oktober fuhr die Limousine der deutschen Verteidigungsministerin vor dem französischen Verteidigungsministerium vor, zusammen mit ihrem Amtskollegen Jean-Yves le Drian nahm von der Leyen eine Ehrung entgegen: Eine Auszeichnung für "Couragierte Politik und europäisches Engagement".
    "Uns eint vor allem die deutsch-französische Freundschaft und das gemeinsame politische Arbeiten für Europa."
    "Diese Auszeichnung stärkt uns, das ist die Belohnung für unser permanentes, stures, pragmatisches Arbeiten, damit das Europa der Verteidigung vorankommt."
    Sagte Jean-Yves le Drian, der französische Verteidigungsminister. Im September, beim Gipfeltreffen in Bratislava, folgten die EU-Staaten als Ganzes den deutsch-französischen Impulsgebern: Ja, dem Bereich Verteidigung müsse eine neue Dynamik verliehen werden, hieß es im Herbst; im Dezember folgte ein Europäischer Rat, der im Beisein des NATO-Generalsekretärs, Jens Stoltenberg, festhielt:
    "Jeder Mitgliedsstaat besitzt eine eigene Armee. Hier ist die europäische Zusammenarbeit sinnvoll und notwendig. Der Europäische Rat hat klar betont, dass diese Zusammenarbeit intensiviert werden soll. Es wurde auch über die Möglichkeit gesprochen, ein gemeinsames Hauptquartier zu schaffen."
    Bessere Verzahnung von EU und Nato-Fähigkeiten
    Zivil und militärisch soll mehr gemeinsam gemacht werden. Bessere Verzahnung von EU und Nato-Fähigkeiten, eine solide Grundlage für EU-Militärmissionen und bessere Zusammenarbeit der europäischen Rüstungsindustrie - das ist die Absicht. Von einer europäischen Armee ist nicht die Rede, die deutsch-französische Initiative setzt auf machbare Schritte, jenseits von Vertragsänderungen, für die alle Staaten ins Boot geholt werden müssten.
    "Jedem Mitgliedsstaat muss die Mitarbeit in einem neuen Feld offen stehen."
    Jeder kann, aber nicht jeder muss mitmachen, beschrieb Angela Merkel ihr "Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten" Anfang Februar bei einem Besuch in Warschau. Da hatte der Vorsitzende der Regierungspartei PIS, Jaroslaw Kaszynski, gerade die Idee einer "atomaren" Supermacht Europa ins Gespräch gebracht.
    Dieser Vorschlag, so sagte der deutsche Außenminister, Sigmar Gabriel, nun in einem Gespräch mit der FAZ, dieser Vorschlag einer nuklearen Streitmacht Europas sei "weit weg von jeder Wirklichkeit". Aber, so Gabriel:
    "Streichen Sie doch mal das Wort ‚nuklear‘! Dass in Polen ernsthaft darüber nachgedacht wird, Europas Verteidigungsfähigkeiten zu stärken, zeigt die dramatische Veränderung der Lage und ja, macht mir Mut." Formulierte der frisch gebackene Bundesaußenminister im Zeitungsinterview kurz vor der Sicherheitskonferenz in München.
    Erste Gehversuche der Europäischen Verteidigungs- und Sicherheitsunion
    Die Europäische Verteidigungsunion werde kommen, da ist sich der langjährige Europaabgeordnete und Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit sicher. Im Zeitzeugen-Gespräch des Deutschlandfunk sagte er, Trump und Putin seien die "Väter" dieser EVU, die sich am Horizont abzeichnet - Trump, der die Europäer zu mehr Engagement in der NATO drängt, Putin, der für Unsicherheit an der Ostflanke sorgt:
    "Wie auch immer: Wie die Welt heute ist und wir wissen, wie gefährlich die Welt ist, braucht Europa eine europäische Sicherheitsordnung, und zu dieser europäischen Sicherheitsordnung gehört eine europäische Armee."
    Sagt Daniel Cohn-Bendit, der in Frankreich und Deutschland zuhause ist. Dieser große Wurf, den der Grünen-Politiker da skizziert, steht allerdings nicht auf der Tagesordnung. Die Bundesverteidigungsministerin skizzierte in dieser Woche in Brüssel die ersten Gehversuche der Europäischen Verteidigungs- und Sicherheitsunion:
    "Mit den Franzosen wird es darum gehen, den geschützten, taktischen Lufttransport aufzubauen, mit den Niederländern eine Tankerflotte, bei den Norwegern geht es um U-Boote, nicht nur den Einkauf, sondern auch die Ausbildung für die Besatzung, das sind Beispiele dafür, wie die europäische Sicherheitsunion von unten wächst, stärker wird, stabiler wird und wie wir ein stabiler Pfeiler in der NATO sein können."