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Sicherheit und Vernetzung
Digitalisierung der Energiewende droht zu scheitern

Mit der Digitalisierung der Energiewende droht wieder ein anspruchsvolles Großprojekt zu scheitern. Das liegt zum einen daran, dass die Sicherheit der geplanten intelligenten Stromzähler weiter ungeklärt ist. Aber auch weitere wichtige IT-Projekte kommen im Augenblick nicht voran.

Von Peter Welchering | 10.02.2018
    Ein Autofahrer steckt einen Ladestecker einer E-Mobilität-Zapfsäule in ein batteriebetriebenes Fahrzeug.
    Wenn immer mehr Fahrzeuge mit Strom fahren, muss der Strombedarf angepasst werden. Das ist eine der Herausforderungen der Energiewende. (dpa / Friso Gentsch)
    "Ich kann nur als Teilnehmer dieses Prozesses sagen: Es ist in der Tat sehr, sehr mühsam."
    Manfred Kloiber: Das war Nikolaus Starzacher vom Smartmeter-Hersteller Discovergy. Er klagte über das Zulassungsverfahren für das Sicherheits-Gateway der intelligenten Stromzähler. Denn deren flächendeckende Einführung bei uns in Deutschland verspätet sich erheblich. Und damit stockt erst mal die Digitalisierung der Energiewende. Das ist in dieser Woche auf der Energiefachmesse E-World in Essen deutlich geworden. Welche Konsequenzen hat das denn, Peter Welchering?
    Peter Welchering: Positiv gewendet hat die Bundesregierung jetzt noch mal eine Nachdenkpause. Und die hat sich in der gegenwärtigen politischen Situation ja auch dringend nötig. Aber Scherz beiseite: Um die Klimaziele zu erreichen, ist das übel. Und es zeigt, dass ein weiteres informationstechnisches Großprojekt, und die Digitalisierung der Energiewende ist ein anspruchsvolles Großprojekt, dass dieses Projekt zu scheitern droht, und zwar nicht nur wegen der Gateway. Da geht es um Vernetzung von Ladesäulen in der E-Mobilität. Da geht es um Vernetzung bei der Verteilung erneuerbarer Energien. Da geht es um Verbrauchsoptimierung. Alles Projekte mit einem ganz hohen Informationstechnik-Anteil. Und die dafür nötigen IT-Projekte kommen im Augenblick allesamt nicht vom Fleck. Aber ohne die Digitalisierung der Energiewende gibt es weder E-Mobilität noch stabile Stromversorgung in der Zukunft noch Erreichen der Klimaziele. Es geht viel von der IT ab, und sie droht hier gerade den Bach runter zu gehen.
    Energiewende braucht viel IT
    Manfred Kloiber: Viele Teilprobleme, die da der Lösung harren. Darüber ist auf der E-World in Essen von Dienstag bis Donnerstag diskutiert worden. Der Stand der Diskussion, hier kurz zusammengefasst.
    Die Visionen sind großartig. Vernetzte Mobilität, mit der Geschäftsreisende mit dem E-Auto zum Bahnhof fahren, oder im ökostrombetriebenen ICE durch das Land düsen. 500 Kilometer weiter noch einmal ein Umstieg - in ein andres Elektroauto. Und das fährt dann 300 Kilometer weit ins Hinterland. Damit so etwas reibungslos klappt, ist viel Informationstechnik nötig. IT, die dafür sorgt, dass Strom aus verschiedenen erneuerbaren Quellen immer dann und dort verfügbar ist, wo er gerade gebraucht wird. IT, die dafür sorgt, dass in Wohnung und Büro sehr energieeffizient gearbeitet wird. Das alles verstehen die Fachleute unter dem Schlagwort der Energiewende.
    Martin Käßler vom Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung hat Zukunft-Szenarien der digitalen Energiewende überprüft:
    "Also, im Bereich der Elektromobilität haben ja auch schon eine Studie gemacht, wo wir einfach mal davon ausgegangen sind: Wir haben 40 Millionen Elektrofahrzeuge in Deutschland, und die werden alle gleichzeitig beladen, abends um 18 Uhr. Die Ressourcen hat das Netz in Deutschland momentan nicht. Das geht nicht. Wir konnten zumindest ableiten: Wie viele Autos kann man denn parallel beladen? Da ist man so zwischen zehn und 30 Prozent, je nach Netzstruktur, je nach Dichte der Ladesäulen, immer auf der niedrigsten Spannungsebene, das heißt ich lade das Fahrzeug zu Hause. Wenn ich dann zum Beispiel eine KI habe, die diese Belastung verteilt, dann kann ich den Output fast verdoppeln, ohne einen Netzausbau zum Beispiel arrangieren zu müssen."
    Sicherheit der Smartmeter im Fokus
    Ein Kernelement dieser Digitalisierung der Energiewende allerdings verspätet sich, nämlich die Kommunikationseinheit für den intelligenten Stromzähler, das sogenannte Gateway. Dieses Gateway regelt den gesamten Datenaustausch des Smartmeters. Es vermittelt zwischen dem Hausnetz, an dem zum Beispiel alle Lampen, die Waschmaschine oder der Geschirrspüler hängen, aber auch die Photovoltaik-Anlage oder die Ladesäule in der Garage einerseits und dem Weitverkehrsnetz zum Server des Energieversorgers andererseits. Das Gateway ist dabei nicht nur die Kommunikationsschnittstelle des Smartmeters, sondern auch die Sicherheitszentrale. Das Gateway soll dafür sorgen, dass der Smartmeter nicht einfach gehackt und manipuliert werden kann. Doch da liegt das Problem. Bisher sind zwar acht solcher Gateways beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik in der Zertifizierung. Aber die begehrte Zulassung hat noch keines. Nikolaus Starzacher vom Geräte Hersteller Discovergy erklärt das so:
    "Der Hauptgrund liegt sicherlich daran, dass der Zertifizierungsprozess nach Common Criteria extrem komplex ist, dass alle Gateway-Hersteller quasi Neulinge sind in diesem Prozess. Wir ja auch. Und dass das schon sehr dokumentenlastig ist und dass das BSI an der Stelle sehr, sehr gründlich ist. Und deswegen dauert es eben seine Zeit."
    Bedeutung der Sicherheit unterschätzt?
    Vertreter von Stadtwerken haben diese Einschätzung auf der Energiemesse E-World aufgegriffen. Sie sprachen von einem klassischen Behördenversagen. Das Bundeswirtschaftsministerium hätte die verschiedenen zuständigen Ämter überhaupt nicht koordiniert. So sei eine nicht mehr beherrschbare Komplexität entstanden. Martin Käßler von der Fraunhofer-Gesellschaft:
    "Das ist momentan auch ein Forschungsthema. Weil die Idee des Smartmeters besteht jetzt nicht unbedingt, die Prognose zu verbessern, sondern es geht auch darum, dass ich zum Beispiel mehrere Tarife pro Tag anbieten kann. Das heißt ich mache zum Beispiel den Strom dann teurer, wenn ich wenig erneuerbare Energien haben oder umgekehrt. Und das wiederum hat natürlich auch Auswirkungen auf meine Vorhersage, die ich mit dem Standardlastprofil mache. Von daher ist es auch ein aktuelles Forschungsthema, wo wir daran arbeiten: Wie kann ich solche sozusagen gesteuerten Kunden, die über einen Preisanreiz möglicherweise dazu angereizt werden, ihren Stromverbrauch zu verschieben."
    Den Stromverbrauch von einigen Millionen Kunden zu verschieben, so zu dirigieren, dass das gerade bestehende Energieangebot optimal ausgenutzt werden kann, das ist eine der wesentlichen Aufgaben der Digitalisierung der Energiewende. Das sollen letztlich auch Smartmeter und Gateway leisten. Weil die Bedeutung von Gateways und ihre Sicherheit aber von der Bundesregierung dramatisch unterschätzt wurde, stockt die Energiewende jetzt erstmal. Zwei bis sieben Jahre gingen verloren, so war auf der E-World zu hören. Nikolaus Starzacher denkt da in kürzeren Zeitabständen, und macht die unterschiedlichen Interessenlagen der Branche deutlich.