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Sicherheitsfragen
Streit beim Bau des Hochmoselübergangs

Der Hochmoselübergang ist Teil einer Europatrasse, die die belgischen Nordseehäfen mit dem Rhein-Main-Gebiet verbinden soll. Seit gut drei Jahren ist die umstrittene Riesenbrücke über das Moseltal im Bau. Ob die Brücke, über die ab 2018 der Verkehr rollen soll, sicher gebaut werden kann, ist aber unklar.

Von Dagmar Röhrlich | 19.02.2015
    Nach rund drei Jahren Bauzeit lassen sich die Dimensionen des Hochmoselübergangs erahnen. Schon die bislang errichteten Pfeiler sind kilometerweit zu sehen:
    "Die Brücke ist 1700 Meter lang und rund 160 Meter hoch, befindet sich im Moment im Bau. Die Pfeiler auf der Hunsrückseite sind schon zum größten Teil fertig gestellt, und im Moment werden die Pfeiler auf der Eifelseite erstellt.
    erklärt Bernd Hölzgen. Er ist Technischer Geschäftsführer des LBM, des Landesbetriebs Mobilität, Rheinland-Pfalz. Seit seiner Planung ist der Hochmoselübergang umstritten. Unter anderem bemängeln Gegner Sicherheitsrisiken auf der Eifelseite. Dort besteht der Hang aus tiefgründig verwitterten Schiefergesteinen, erklärt Kritiker Rafig Azzam, Ingenieurgeologe von der RWTH Aachen:
    "Also der Hang ist ein Kriechhang, das heißt also, dieser Hang bewegt sich. Bis etwa 70 Meter tief hat man immer noch keinen Fels angetroffen, sodass der gesamte Hang eigentlich aus umgelagerten, gebrochenem, verwitterten Material besteht. Der Hang steht so im labilen Gleichgewichtszustand, das heißt, es ist gerade so stabil. Sollten im Prinzip zusätzliche Lasten kommen, könnte der Hang rutschen."
    Hang in Bewegung
    Dass der Hang in Bewegung ist, das erklärt auch Uwe Schroeder, der als Geologe des Landesbetriebs Mobilität Rheinland Pfalz für das Projekt zuständig ist - und schränkt ein:
    "Wir haben hier nur Kriechverformungen. Die sind an Moselhängen üblich, im kleinsten Bereich um 0,6 mm im Jahr im Moment hochgerechnet. Und das liegt sogar noch im Bereich der Messgenauigkeit."
    Für ihren Bau setzen die Ingenieure auf die sogenannte schwimmende Gründung. Das heißt, die Brücke wird über Pfähle im Untergrund verankert, die nicht bis in den festen Fels hinein reichen, sondern in der Verwitterungszone enden. Bei dieser Bauweise werden die Lasten über eine so große Fläche verteilt, dass das Bauwerk sicher steht.
    "Wir haben über 100 Pfähle entlang der ganzen Brücke runterzubringen. Und gehen Sie mal davon aus: So eine Brücke ist nicht so empfindlich, dass sie auf eine kleine Bewegung entsprechend reagiert, sondern wir haben oben die Möglichkeit, /Bewegungen im Dezimeterbereich auszugleichen. Das heißt, die Bewegung von 0,6 mm pro Jahr merkt die Brücke überhaupt nicht. Es können ganz andere Bewegungen sogar auftreten, ohne dass die Brücke damit in Gefahr wäre."
    Hänge eine Herausforderung für die Ingenieure
    Erläutert Bauingenieur Bernd Hölzgen vom LBM Rheinland-Pfalz. Dass natürliche Hänge eine Herausforderung für die Ingenieure sind, betont auch Conrad Boley von der Universität der Bundeswehr München. Der Experte für Brückengründungen ist nicht in das Projekt involviert:
    "Dabei ist das gewählte Verfahren mittels einer schwimmenden Gründung für ein Bauwerk in einem solchen Hang durchaus eine bewährte Technik."
    Daran, dass die Brücke korrekt geplant ist und die normalen Hangbewegungen aushält, zweifelt auch Projekt-Kritiker Rafig Azzam nicht. Ihm geht es vielmehr um die potenziellen Folgen außergewöhnlicher Ereignisse:
    "Die Kritik geht nicht dahin, die Brücke ist nicht sicher. Die Brücke als Konstruktives Element ist sicherlich sicher. Nur der Hang selbst ist es nicht. //Es geht hier um Ereignisse wie Erdbeben, Regenfälle, Anstieg des Grundwasser usw, die natürlich den Hang destabilisieren, und darum geht es. Es darf nicht dazu kommen, dass der gesamte Hang rutscht.
    DIN- und der Eurocode nicht eingehalten
    Dem Aachener Geologen bereiten schnell ablaufende Ereignisse Sorgen, die den Untergrund destabilisieren könnten und damit die Brücke, die darauf lastet. Diese Aspekte seien in der Gesamtbetrachtung nicht so berücksichtigt worden, wie es der DIN- und der Eurocode verlangten, urteilt er. Beide Regelwerke legen aufgrund von objektiven Kriterien die Richtlinien für die sichere Auslegung von Bauwerken fest:
    "Die Argumentation sagt, wir haben ein sicheres Bauwerk und wir beobachten das Ganze, und von daher können wir das sicher bauen. Nur, wir sagen, es entspricht nicht der DIN-Norm und es entspricht auch nicht Eurocode 7 in der Gesamtbetrachtung und daher gibt es Defizite im Sicherheitssystem. Und man kann ein Riesenprojekt wie dieses nicht mit Defiziten im Sicherheitssystem bauen, das ist meines Erachtens nicht der richtige Weg."
    Dass Normen nicht eingehalten werden, weist Uwe Schroeder vom Landesbetrieb Mobilität Rheinland Pfalz zurück.
    "Diese Themen sind von uns alle abgearbeitet worden. Wir haben im Laufe des letzten Jahrzehnte umfangreiche Vor- und Hauptuntersuchungen durchgeführt und können mit großer Sicherheit über die Untergrundverhältnisse in diesem Streckenbereich Aussagen treffen, und dieses Bauwerk kann aus geotechnischer Sicht sicher gebaut werden."
    Positionen prallen aufeinander
    Die Positionen prallen aufeinander. Für den nicht im Projekt involvierten Münchener Bodenmechaniker Conrad Boley kommt es mit Blick auf den Hochmoselübergang jedoch vor allem auf die Zeit nach dem Bau an.
    "Wichtig ist in einem solchen Fall das Monitoring. Das heißt, die Beobachtung von Brücke und Hang, das Ganze über viele Jahre, gegebenenfalls sogar über die Lebenszeit des Bauwerks."
    Nun bleibt abzuwarten, was das nächste Gespräch zwischen den Verantwortlichen beim Landesbetrieb Mobilität und Rafig Azzam von der RWTH Aachen bringt. Noch für den Februar ist ein weiterer Termin geplant.