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Sicherheitsprobleme im Weißen Haus
Secret-Service-Chefin im Kreuzverhör

Allein im September haben sechs Personen versucht, den Zaun des Weißen Hauses zu überklettern - einem ist es gelungen. Wegen diesen und weiteren Sicherheitsproblemen musste sich die Secret-Service-Direktorin vor Abgeordneten rechtfertigen. Ihre Aussage kam einer Kapitulation gleich.

Von Marcus Pindur | 01.10.2014
    Es war eine Befragung, die man nicht anders als hochnotpeinlich bezeichnen konnte. Julia Pierson, seit 17 Monaten Chefin des ältesten Geheimdienstes der USA, des Secret Service, hatte nur wenige befriedigende Antworten auf die Fragen der Abgeordneten des Ständigen Untersuchungsausschusses des Repräsentantenhauses. Ihre Aussage kam einer Kapitulation gleich.
    "Es ist klar, dass unsere Sicherheitspläne nicht richtig ausgeführt wurden. Das ist völlig unakzeptabel, und ich übernehme dafür die Verantwortung."
    Ob Julia Pierson noch länger mit dem Aufräumen beim Secret Service befasst sein wird, ist mehr als unklar. Erste Rücktrittsforderungen wurden bereits laut. Besonders angesichts der Tatsache, dass der Secret Service nur scheibchenweise mit der Wahrheit rausrückte, nachdem der 42-jährige Omar Gonzales am 19. September über den Zaun des Weißen Hauses geklettert war und durch die Fronttür in das Gebäude eindringen konnte.
    Offene Vordertür
    Erst Recherchen der "Washington Post" brachten zutage, dass Gonzales sich nicht nur durch die unversperrte Vordertür des Weißen Hauses Zugang verschaffen konnte, sondern auch an einer Secret-Service-Agentin vorbei tief in das Gebäude eindringen konnte. Dort konnte er durch einen Agenten, der eigentlich außer Dienst war, gestoppt werden. Auch dies kam erst gestern durch Indiskretionen heraus.
    Die Abgeordneten, die die Secret-Service-Chefin befragten, machten aus ihrer Empörung keinen Hehl. Es sei extrem beängstigend, sich vorzustellen, der Eindringling hätte statt eines Messers eine Schusswaffe bei sich getragen, so Elijah Cummings, der stellvertretende Ausschussvorsitzende. Selbst das Messer hatte der Sprecher des Secret Service direkt nach dem Vorfall verschwiegen.
    "Wie konnte das geschehen?"
    Der Ausschussvorsitzende Darrel Issah zeigte sich fassungslos, wie Omar Gonzales fünf Sicherheitsringe habe durchbrechen können.
    "Das Weiße Haus sollte eigentlich eine der sichersten Anlagen in Amerika sein, wenn nicht eine der sichersten auf der Erde. Wie, um alles in der Welt konnte das geschehen?"
    Der Präsident und seine Familie waren zum Zeitpunkt des Geschehens nicht im Weißen Haus. Der Sprecher des Präsidenten hielt sich mit einer Bewertung zurück. Barack Obama sei natürlich als Vater besorgt um die Sicherheit seiner Familie, hieß es. Mehrere Abgeordnete äußerten die Sorge, dass der Vorfall terroristische Attentäter zu Angriffen auf den Präsidenten ermutigen könne.
    Auf fünf Posten versagt
    Die "Washington Post"-Reporterin Carol Loennig beschreibt das Versagen der Sicherheitsringe:
    "Erstens haben die Polizisten außerhalb des Zauns nicht rechtzeitig eingegriffen, dann die innerhalb des Zauns. Dann wurden die Hunde nicht losgelassen. Ein Spezialeinsatzkommando, das immer im Weißen Haus stationiert ist, hat nicht reagiert. Und der Agent, der die Tür von außen bewachen sollte, war nicht auf dem Posten."
    Es ist nicht das erste Mal, dass der Secret Service den Eindruck von Schwerfälligkeit und Inkompetenz hinterlässt. Im Jahr 2011 hatte der Secret Service Tage gebraucht, um festzustellen, dass auf das Weiße Haus geschossen worden war. Eine der Kugeln wurde erst sehr viel später von einer Reinigungskraft in einem der schusssicheren Fenster entdeckt. Der Secret Service hatte die Schüsse zwar registriert, war jedoch von einer Schießerei unter Gangstern ausgegangen. Damals war Barack Obamas jüngste Tochter zuhause. Der Präsident sei sehr wütend gewesen über diesen Vorfall, hieß es. Man kann davon ausgehen, dass dem Secret Service eine größere Reorganisation ins Haus steht.